Europäischer Bürgerpreis geht an Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde

, von  Matthias Melcher

Europäischer Bürgerpreis geht an Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde
Foto: Ackermann-Gemeinde e.V., zur Verfügung gestellt für treffpunkteuropa.de

Seit 2008 verleiht das Europäische Parlament den Europäischen Bürgerpreis. Dieses Jahr geht der Preis europaweit an 50 Projekte, Initiativen und Einzelpersonen. Die vier Bürgerpreis-Träger aus Deutschland sind Pulse of Europe, die Bürger Europas, Frau Herta Hoffmann und die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde. Wir haben die Preisträger um eine Stellungnahme gebeten: Was sind die drei großen Herausforderungen für Europa? Wie kann sich jeder Einzelne dafür einsetzen, dass diese Herausforderungen gemeistert werden? Die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde hat uns so geantwortet:

Generation, Grenzen, Gerechtigkeit

Es ist keine leichte Aufgabe, die drei großen Herausforderungen für Europa genau zu definieren. Die Europäische Union ist ein kompliziertes und dennoch wundervolles Gebilde. Vielfältig sind nicht nur die Menschen in Europa, sondern auch die zu lösenden Aufgaben in der Zukunft. Meiner Meinung nach können diese in die drei Überthemen Generation, Grenzen und Gerechtigkeit gegliedert werden.

Seit mehr als siebzig Jahren herrscht Frieden in Europa und für diese Stabilisierung des Kontinents muss man der Europäischen Union sehr dankbar sein. Doch wer erinnert sich noch an die Zeiten, in denen das nicht so war? Nicht nur Robert Menasse begibt sich in seinem „Europa-Roman“ Die Hauptstadt auf die schwierige Suche nach den letzten Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz. Meiner Generation sind in der Zwischenzeit viele Errungenschaften zur Selbstverständlichkeit geworden. Geld wechseln, Roaming-Gebühren und Passkontrollen gehören in den meisten europäischen Ländern der Vergangenheit an und trotzdem gibt es auch in meiner Generation viele antieuropäische Haltungen. Irgendwo ist da der Gesprächsfaden abgerissen zwischen unseren Großeltern und uns jungen Leuten – zwischen Pflegeheim und WhatsApp. Es reicht jedoch, nur eine Generation zurückzugehen. Auch meine Eltern kennen noch die Zeiten des Eisernen Vorhangs. Dass Grenzen auch geschlossen sein können, ist mir als privilegiertem jungem Europäer allerdings erst im Sommer 2015 richtig bewusstgeworden. Auf einmal waren da wieder Zäune, Soldaten und Stacheldraht. Mit seinen zahlreichen Außengrenzen zu Wasser und zu Land bilden die Grenzen Europas eine Herausforderung, die alle Mitgliedsstaaten etwas angeht und wahrscheinlich sogar eine weltweite Lösung erfordert. Essentiell ist es hierbei, vor lauter Zahlen und Statistiken nicht das Schicksal der einzelnen Menschen aus den Augen zu verlieren. Ein „Europa der Menschen“ ist auch das in der Satzung der Jungen Aktion verankerte Ziel unserer Aktivitäten. Diese Vision basiert unter anderem auf Gerechtigkeit – der dritten (und vielleicht größten) Herausforderung für Europa. Hierbei geht es nicht nur um Gender-Equality und den Pay-Gap zwischen Frauen und Männern, sondern auch darum, dass Herkunft und Bildung der Eltern nach wie vor großen Einfluss auf den sozialen Status ihrer Kinder haben. Darum, dass Abschlüsse aus dem Ausland, wenn überhaupt, nur unter gewissen Umständen anerkannt werden. Dass ich als weißer Deutscher bessere Chancen auf Job und Wohnung habe, als meine Freunde mit anderer Hautfarbe und anderem Pass.

Generation, Grenzen und Gerechtigkeit. In den letzten siebzig Jahren ist in diesen Bereichen bereits viel passiert. Diese Anstrengungen müssen auch weiterhin fortgesetzt werden, um die anstehenden Probleme zu lösen.

Gespräch, Glaube, Gemeinschaft

Gesellschaftliche Veränderung vollziehen sich nicht nur in den Parlamenten und Regierungen, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Deshalb ist es umso wichtiger, den Mann oder die Frau im Spiegel zu fragen, wie dazu beigetragen werden kann, die genannten Herausforderungen zu meistern. Ein banaler Vorschlag vorneweg: Redet miteinander! Egal ob am Küchentisch, in der Arbeit oder in der Straßenbahn. Redet mit euren Altersgenossen, aber auch mit anderen Generationen. Die Geschichte muss sich nicht wiederholen, wenn man sie kennt und mit Menschen gesprochen hat, die sie selbst erlebt haben. Versucht bei euren Gesprächen auch, aus der Komfortzone herauszugehen. Sucht Kontakt mit anderen Europäer*innen, die vielleicht zu bestimmten Themen andere Meinungen haben. Solange sich jede*r in seiner*ihrer eigenen Blase bewegt, kommt keine Diskussion und schon gar keine Lösung eines Problems zustande. Wenn bei solchen Gesprächen neue, innovative Ideen entstehen – und ich bin mir sicher, dass das der Fall sein wird – glaubt daran. Die Gründungsmütter und -väter der Europäischen Union hatten Visionen, die ihrer Zeit voraus waren und dennoch haben sie an ihre Ideen geglaubt und Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Organisationen, die Projekte fördern oder selbst durchführen und dafür engagierte Menschen suchen. Ihr seid also nicht allein und könnt motiviert darangehen, Probleme zu lösen und Herausforderungen zu meistern. Durch Gespräche und geteilte Ideen entsteht Gemeinschaft. Es ist ein langer Prozess und mit Sicherheit ist es nicht immer einfach, diesen Weg zu gehen, denn Diskussionen und Kompromisse sind anstrengend. Gleichzeitig sind sie aber auch notwendig und halten eine Gemeinschaft lebendig. Die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde e.V. versucht, getreu diesen Grundsätzen, ihren Beitrag zu leisten, zukünftige europäische Herausforderungen zu meistern. Wir konzentrieren uns dabei auf Mittelosteuropa, was unseren Kompetenzen und unserem Hintergrund entspricht. Die Energie für unser Engagement ziehen wir aus den immer neuen Begegnungen von Menschen aus unterschiedlichen europäischen Ländern, einem gelebten christlichen Glauben und der Offenheit für Dialog mit anderen. Dabei orientieren wir uns an dem Leitsatz, der bei unserer Gründung 1950 formuliert wurde: „Wir setzen uns mit gläubigem Herzen und mit aller Entschiedenheit ein für ein friedliches Zusammenleben aller Völker in einem freien und einigen Europa.“

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