#EuropaStärkerMachen: Warum die Europäische Union eine gemeinsame Armee braucht

Europa stärker machen

, von  Gesine Weber, Marie Menke

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Europa stärker machen
Im Verteidigungsbereich ist eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer bislang nicht umsetzbar gewesen.
Foto: Pixabay / klimkin / Pixabay License

In einigen Missionen sind Soldat*innen der EU-Mitgliedstaaten bereits gemeinsam im Einsatz. Eine europäische Armee gibt es aber nicht. Unter dem Hashtag #Europamachen setzen sich die Jungen Europäischen Föderalisten bei den Europawahlen 2019 für eine bessere Europäische Union ein. Auf treffpunkteuropa.de schauen wir uns ihre Forderungen genauer an. Heute: Europäische Armee gründen und gemeinsamer EU-Sitz im UN-Sicherheitsrat! Befürworter*innen halten eine Europäische Armee für ein unverzichtbares Element einer effektiven europäischen Außenpolitik; Kritiker*innen befürchten, dass die Nationalstaaten ihre Zuständigkeit in der Verteidigung verlieren.

Worum geht’s?

In den letzten Jahren wurden die Möglichkeiten der EU-Mitgliedstaaten, in der Außen-und Sicherheitspolitik zusammenzuarbeiten, deutlich ausgeweitet. In einigen Fällen haben die Mitgliedstaaten diese Möglichkeiten genutzt, um gemeinsam Soldat*innen und Expert*innen ins Ausland zu schicken. Ob und wie viele Soldat*innen das sind, entscheiden die Mitgliedstaaten. Eine eigene Armee, so wie Deutschland die Bundeswehr hat, hat die EU also nicht. Die Jungen Europäischen Föderalisten fordern aber eine gemeinsame Europäische Armee, damit die EU schneller und effektiver handeln kann.

Außerdem fordern sie einen EU-Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Dieser verabschiedet sogenannte Resolutionen, mit denen er weltweit Frieden fördern möchte: 2018 beschloss er beispielsweise, dass weiterhin UN-Friedenstruppen im EU-Mitgliedsland Zypern den dortigen Waffenstillstand überwachen. Mit Frankreich und Großbritannien saßen lange zwei ständige, also dauerhafte, Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Im Vertrag über die EU steht, dass diese sich für die „Standpunkte und Interessen der Union“ einsetzen müssen. Seit dem Brexit-Referendum fürchtet die EU daher, dass sie nach einem EU-Austritt Großbritanniens für den UN-Sicherheitsrat weniger wichtig wird.

Was sagen Kritiker*innen?

Kritiker*innen einer Europäischen Armee argumentieren, dass die Mitgliedstaaten nicht bereit seien, die sensible nationale Zuständigkeit der Verteidigung aufzugeben. Stattdessen möchten die Länder weiterhin unabhängig voneinander über ihre Armee entscheiden. Sie sehen also die Armee als Aufgabe der Nationalstaaten und nicht der EU. Auch argumentieren sie, dass eine Europäische Armee nicht realistisch sei, weil die Mitgliedstaaten unterschiedliche strategische Kulturen, also zum Beispiel unterschiedliche Vorstellungen, welche Rolle die Armee im Ausland spielen soll, haben.

Weiter verweisen die Kritiker*innen auf rechtliche und praktische Schwierigkeiten. Die Frage, wann die Armee entsandt werden darf, handhaben die Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich: In Frankreich entscheidet beispielsweise der Präsident, in Deutschland braucht es eine Debatte im Bundestag. In diesem Punkt ist es schwierig, einen gemeinsamen Konsens zu finden. Auch verfügen die Mitgliedsstaaten über eigene technische Systeme, die oftmals national entwickelt werden. Für eine Europäische Armee müsste aber zum Beispiel die Munition vereinheitlicht werden. Andere Typen von Munition würden dann nicht mehr gebraucht, sodass die Länder, die diese herstellen, darunter wirtschaftlich leiden würden. Das macht es wiederum schwer, die Zustimmung aller Mitgliedsländer für den Plan zu gewinnen.

Einige Kritiker*innen eines gemeinsamen EU-Sitzes im UN-Sicherheitsrat möchten nicht, dass die EU wie ein Nationalstaat, also ein Land wie Deutschland, auftritt: Sie finden, dass eine Union aus mehreren Staaten nicht in den Sicherheitsrat gehört. Andere Kritiker*innen sehen das zwar anders, befürchten aber, dass die EU noch nicht bereit für die im UN-Sicherheitsrat wartende Verantwortung ist, da die außenpolitischen Standpunkte der Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich sind. Geht es beispielsweise um den Umgang mit Russland, sind sie sich selten einig.

Was sagen Befürworter*innen?

Befürworter*innen einer Europäischen Armee argumentieren, dass die europäischen Staaten im Vergleich zu großen Spieler*innen auf der Weltbühne wie den USA, China und Russland unbedeutend oder gar von ihnen abhängig sind, solange sie alleine handeln. Mit einer gemeinsamen Armee könnte die EU effektiver handeln und würde zu einer glaubwürdigen und handlungsfähigen Akteurin auf internationalem Parkett. Das Zusammenlegen von Einsatzkräften, Material und Fahrzeugen soll außerdem zu einer Kosteneinsparung führen und den Mitgliedsländern damit finanzielle Vorteile bieten.

Zugleich soll die Europäische Armee die europäische Integration vorantreiben: Mit dem Versuch, nach dem Zweiten Weltkrieg die Stahl- und Kohleproduktion zusammenzulegen, sollte es den EU-Mitgliedsländern unmöglich gemacht werden, Krieg gegeneinander zu führen. Das ist seit der Gründung der EU und ihren Vorgängerinnen tatsächlich nicht eingetreten. Eine Europäische Armee scheint daher sowohl machbar als auch der logische nächste Schritt für die EU.

Befürworter*innen eines gemeinsamen EU-Sitzes im UN-Sicherheitsrat argumentieren ebenso, dass es dringend notwendig sei, dass die EU mit einer einzigen und dafür umso stärkeren Stimme auf der Weltbühne spricht. In einem EU-Sitz im UN-Sicherheitsrat sehen die Befürworter*innen die einzige Möglichkeit, um den außen- und sicherheitspolitischen Standpunkten aller und nicht nur der größeren EU-Mitglieder Gewicht zu geben.

Umfrage: Was sagt ihr zu einer Europäischen Armee?

Gesine Weber
Chefredakteurin bei treffpunkteuropa.de
„Langfristig gesehen mag eine Europäische Armee ein wichtiger Schritt für die europäische Integration sein. Aber bevor wir eine Europäische Armee planen, müssen wir erstmal über ganz praktische Dinge nachdenken: Wie können wir die unterschiedlichen nationalen Regeln zu Auslandseinsätzen vereinen, welche Systeme verwenden wir, wie schaffen wir eine europäische strategische Kultur? Dazu sollte zunächst die militärische Kooperation nach den bestehenden Regeln deutlich ausgebaut werden, da man sonst den letzten Schritt vor dem ersten macht.“

„Um Europa stärker zu machen, braucht es eine gemeinsame Armee. Aktuell hat jedes Mitglied eine eigene Armee - in Deutschland zum Beispiel die Bundeswehr. Mit einer Europäischen Armee könnten Soldat*innen, Fahrzeuge, Waffen und insbesondere auch Wissen und Erfahrungen gemeinsam genutzt werden. Dadurch wird die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestärkt und die EU sendet ein starkes Signal in die Welt. Außerdem können die EU-Mitgliedsstaaten Geld sparen, weil sie keine eigene Armee mehr finanzieren müssen.“
Pia Schulte
Stellvertretende JEF-Bundesvorsitzende

Umfrage: Was sagt ihr zur Rolle der EU im UN-Sicherheitsrat?

Georg Händel
Beisitzer im JEF-Bundesvorstand
„Trotz aller Probleme ist der UN-Sicherheitsrat das wichtigste Gremium für Frieden und Sicherheit auf globaler Ebene und wird es auf absehbare Zeit auch bleiben. Mit dem Wegfall Großbritanniens wird Frankreich der letzte verbliebene Mitgliedsstaat der EU sein, der im UN-Sicherheitsrat vertreten sein wird. Um auf globaler Ebene weiterhin als bedeutendes Machtzentrum wahrgenommen zu werden, ist es notwendig diesen verbliebenen Sitz als gemeinsamen EU-Sitz umzufungieren. Der logische Schritt aus einer gemeinsamen europäischen Armee kann nur ein gemeinsamer Sitz im UN-Sicherheitsrat sein.“

Was sollte man noch darüber wissen?

2011 hat sich Vincent Venus, 2015 David Schrock und 2018 Andreas Würth auf treffpunkteuropa.de für eine Europäische Armee ausgesprochen. Wer beide Seiten verstehen möchte, kann ein Streitgespräch von Theresa Leberle und Christian Gonder dazu lesen. Mehr zu der EU bei den Vereinten Nationen könnt ihr in Benedict Heidgens Interview mit Richard Gowan und Tim Odendahls „Brief an Europa“ lesen.

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