EU-Verteidigungsunion - Unter einer Flagge für Europa

, von  Alexandre Kintzinger

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EU-Verteidigungsunion - Unter einer Flagge für Europa
Am 6. März 2018 beschloss der Rat der EU-17 neue Projekt für die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) im Bereich der europäischen Verteidigungsstrategie. Foto: European Parliament / Flickr / CC BY 2.0

Am 6. März 2018 beschloss der Rat der EU-17 neue Projekt für die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) im Bereich der europäischen Verteidigungsstrategie – ein historischer Moment für die EU. Zweck dieser Projekte ist die Vertiefung der erst im Dezember 2017 von 25 EU-Staaten beschlossenen Zusammenarbeit. Die Bündelung der gemeinsamen Kräfte und die militärische Kooperation zwischen den EU-Mitgliedstaaten ist angesichts der geopolitischen Lage notwendiger denn je.

Im Rahmen einer Zusammenkunft des Rates der Europäischen Union entschieden die EU-Verteidigungsminister am 6. März 2018, weitere Schritte zur Durchführung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit („Permanent Structured Cooperation“, PESCO) in die Wege zu leiten. Diese Schritte beinhalten 17 neue Projekte, unter anderem in den Bereichen gemeinsamer Trainingsmissionen, Koordinierung militärischer Operationen sowie der Weiterentwicklung von Technologie und der effektiven Bündelung von Kapazitäten. Es wurde zudem ein Fahrplan beschlossen, der festgelegt, welche konkreten Ziele in diesem Jahr zur weiteren Umsetzung der PESCO noch erfüllt werden müssen. Für die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, war der 6. März ein „historischer Moment“ .

Es war das erste Treffen dieser Art, seit die Gründung der PESCO auf politischer Ebene beschlossen wurde. Schon 2009 im Vertrag von Lissabon war eine zukünftige Zusammenarbeit in diesem Bereich festgelegt worden. Bei der Grundsteinlegung im Dezember vergangenen Jahres betonte Mogherini zudem noch : “Wir haben eine – ehrgeizige und inklusive – Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung aktiviert. 25 Mitgliedstaaten haben zugesagt, regelmäßig Kräfte zu bündeln, gemeinsam vorzugehen, gemeinsam Ausgaben und Investitionen zu tätigen sowie gemeinsam Beschaffungen vorzunehmen und gemeinsam zu handeln. Die Möglichkeiten der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit sind gewaltig."

Die Wirksamkeit der Verteidigungsausgaben gilt es zu maximieren

Die Fähigkeiten der EU als internationaler Partner bei strategischen Fragen und im Bereich der globalen Sicherheit werden sicherlich durch PESCO verbessert. Die Strukturierte Zusammenarbeit wird im Strategiebereich ebenfalls eng mit dem Europäischen Verteidigungsfonds verbunden sein. Dieser soll den teilnehmenden Staaten finanzielle Anreize zur Forschung und Entwicklung neuer Verteidigungssysteme bieten. PESCO- Projekte erhalten dann nämlich den Vorteil einer höheren Kofinanzierung aus dem EU-Haushalt. Der 2017 von Präsident Juncker gegründete Fond unterstützt schon jetzt Forschungsprojekte im Verteidigungsbereich und soll 2020 mit 1,5 Milliarden Euro ausgestattet werden.

Die geplante Optimierung der Ausgaben, welche über den Europäischen Verteidigungsfond erzielt werden soll, ist dringend notwendig. Jährlich werden 26 Milliarden Euro verschwendet, was hauptsächlich daran liegt, dass die EU-Staaten unabhängig voneinander militärisches Material beschaffen beziehungsweise zu viel produzieren. Im Vergleich zu den USA, die 4% vom BIP für das Militär ausgeben, sind es bei der EU nur 1,3% . Dabei verfügt die Europäische Union über zwei Millionen Soldaten, bei den USA sind es nicht mal 1,4 Millionen. Die EU- Kommission sieht daher ein großes Sparpotential vor allem bei Flug- und Fahrzeugen, wenn man deren Anzahl effizient verringert oder die vorhandenen Mittel besser aufteilt. Die Kommission betonte dies in einer Mitteilung :„Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ist ungenügend: Über 80 % der Beschaffung und über 90 % der Forschungs- und Technologie-Tätigkeiten sind auf nationaler Ebene angesiedelt. Der Grad der Fragmentierung ist - mit 178 verschiedenen Waffensystemen in Europa gegenüber 30 in den USA - nach wie vor hoch. Eine nicht ausreichend koordinierte Verteidigungsplanung führt dazu, dass Steuergelder ineffizient eingesetzt werden, unnötige Doppelarbeit geleistet wird und die Einsatzfähigkeit der Verteidigungskräfte suboptimal ist. ’’

Einen Beitrag zur globalen Sicherheitslage leisten

Bei der Durchführung europäischer Militärmissionen war die EU bisher immer stets auf die NATO und somit hauptsächlich auf die Mithilfe der US- Streitkräfte angewiesen. Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit ist daher ein erster Schritt aus dieser Abhängigkeit hinaus und demnach zugleich der erste Schritt zur einer europäischen Armee. Die Vertiefung der gemeinsamen Zusammenarbeit darf nicht bei der Verteidigung enden, sondern muss darüber hinaus gehen.

Angesicht der Tatsache, dass die USA sich von ihrer Rolle als „Weltpolizei“ scheinbar immer mehr distanzieren, kann die EU diese Rolle deswegen umso mehr ausfüllen. Die Konflikte vor der eigenen „Haustür“ wie etwa in der Ukraine, im Nahen Osten, in Nordafrika oder anderorts können nicht nur die Belange einzelner europäischer Nationen sein. Die EU muss sich daher aktiv an der Gestaltung der Weltsicherheitslage beteiligen. Eine gesamteuropäische Sicherheitspolitik ist zwangsläufig nur umsetzbar durch die Schaffung von gemeinsamen Strukturen. Das Konzept der EU-Battlegroups, die als eine Art EU-Eingreiftruppe fungieren sollen und deren Entwicklung bis jetzt nur positiv bewertet wurde, ist ein möglicher Weg in die Richtung einer europäischen Armee.

Allen voran wäre es sicherlich positiv für die Festigung einer gemeinsamen europäischen Identität. Die sogenannte Bürgerferne der EU ist ein Problem was vielerorts beklagt wird. Eine europäische Armee, die den gemeinsamen europäischen Werten und Interessen dient, könnte dieses Problem erheblich reduzieren. Das Zugehörigkeitsgefühl der europäischen Bürger gegenüber der Union könnte gestärkt werden und die Bildung eines europäischen Patriotismus begünstigt.

Störfeuer seitens der USA kam überraschend schnell

Direkt nachdem der formelle Startschuss für die neuen 17 Pesco- Projekte gegeben wurde, warnte die Regierung in Washington die EU davor, Strukturen aufzubauen, die in direkter Konkurrenz zur NATO stehen. US- Verteidigungsminister James Mattis ging sogar so weit, eine schriftliche Zusage vom EU-Ministerrat einzufordern, welche beinhaltet, dass die gemeinsame Verteidigung weiterhin eine Aufgabe der NATO sein werde. Die EU- Verteidigungsminister waren darüber sichtlich irritiert, kündigten jedoch an, darüber zur gegebener Zeit zu diskutieren. Eine schriftliche Zusage, wie die USA sie fordert, wird es jedoch nicht geben. Die EU- Spitze verwies auf die geltende Vertragslage, nach der die NATO auch weiterhin die Grundlage einer gemeinsamen Verteidigung bleibe.

Darüber hinaus strebt die EU keine Doppelstrukturen zur NATO an, allein schon, um die Verbindung zu Staaten wie Großbritannien aufrechtzuerhalten. Dennoch wären Gedanken über eine Reform der NATO sicherlich nicht fehl am Platz. Beim Bündnispartner Türkei etwa entsteht öfter der Eindruck, vor allem angesichts aktueller Ereignisse, dass diese nicht immer im Sinne ihrer westlichen Verbündeten handelt.

Der wahre Grund, warum die USA einer verstärkten militärischen Zusammenarbeit in Europa ablehnend gegenüberstehen, ist nicht die Besorgnis um die Zukunft der NATO: Es geht viel eher um die Interessen der US- Rüstungsindustrie, die jetzt in europäischen Rüstungskonzernen eine ernsthafte Konkurrenz sieht, da in Europa durch die PESCO ein neuer Markt geschaffen wird.

Niemals vergessen, wer die wirklichen Verbündeten sind

Es entsteht der Anschein, dass die USA zurzeit nicht wirklich zwischen Freund und Feind zu unterscheiden vermögen. Die einstige Führungsmacht des sogenannten „westlichen Bündnisses“ scheint weniger Interesse daran zu haben, dieses zu erhalten. Dabei haben die USA genau wie Europa die historische Pflicht, diese „Schicksalsgemeinschaft“ zu wahren, welche in der Vergangenheit stets versuchte, ein Garant für Frieden, Stabilität und Sicherheit zu sein, wenn auch nicht immer mit Erfolg.

Eine über Jahrzehnte gestärkte Vertrauensbasis darf nicht einfach so leichtfertig verspielt werden. Für die USA wäre dies ein fundamentaler Fehler mit unvorhersehbaren Konsequenzen für die Zukunft. Zudem wird es erheblich schwieriger für die Vereinigten Staaten, eine ähnliche Vertrauensbasis mit Staaten wie China oder Russland aufzubauen, zumal bei diesen Partnern oft fundamental gegensätzliche geopolitische Interessen eine Zusammenarbeit erschweren würden.

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