EU-China Investitionsabkommen: Einigung um jeden Preis?

, von  Annika Pietrus, übersetzt von Christian Busch

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EU-China Investitionsabkommen: Einigung um jeden Preis?
Videokonferenz der Führungsspitzen der EU und China im Dezember 2020 Foto: Europäische Union, 2020 / Authorised reproduction

Am 30. Dezember 2020 beendeten die Europäische Union und China die Verhandlungen über das Umfassende Investitionsabkommen (engl. CIA). Dieses wird als wichtiger Schritt gefeiert, um bessere Wettbewerbsbedingungen für europäische Investor*innen in China zu erzielen. Doch kritisieren es auch viele europäische Gesetzgeber*innen, internationale Medien, Menschenrechtsorganisationen und auch die Regierung der USA. Die Stimmen gegen den Investitionsdeal mit China werfen der Europäischen Union vor, sich mit einem Staat zu verbünden, der für zahlreiche Menschenrechtsverstöße gegen Oppositionelle im Staat und in Hong Kong sowie für seinen prekären Umgang mit den Uigur*innen, einer muslimischen Minderheit in China, bekannt ist.

Trotz polarisierender Meinungen, die durch das Abkommen zwischen der Europäischen Union und China entstanden sind, überrascht der entstandene Deal nicht, denn die Verhandlungen wurden bereits seit sieben Jahren geführt. Die Jahre zwischen 2013 und 2020 offenbarten dabei mehr als einmal die angespannten Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China.

Die erschwerten Beziehungen zwischen der EU und China wurden durch die frühere Überzeugung, dass sich China als „Global Player“ an demokratische Normen anpassen würde, geprägt. Diese Erwartungen wurden jedoch nicht erfüllt. Lange Zeit fußte die Hoffnung der Europäischen Union auf ein demokratisches China auf den Protesten am „Platz des Himmlischen Friedens“. 1989 unterdrückte das chinesische Militär gewaltsam die studentischen Proteste, die auf den Tod des früheren Vorsitzenden der Chinesischen Kommunistischen Partei Hu Yaobang und der wachsenden Unzufriedenheit mit der Geschwindigkeit nationaler Reformen, folgten. Darauf antwortete die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, der Vorgänger der heutigen Europäischen Union, mit Sanktionen und Forderungen nach demokratischen Freiheiten, denen Peking nie nachgab. Der damalige Anführer Chinas Deng Xiaoping hatte ein bemerkenswertes Verständnis von wirtschaftlichen Interessen anderer Staaten. Seine Taktik war es, eine klare Kante zu zeigen und ausländische Unternehmen Druck auf ihre eigene Regierung ausüben zu lassen. So sollten Sanktionen verhindert und eine freundschaftlichere Haltung gegenüber China erzeugt werden. Xiaopings Taktik hatte Erfolg und die EU wurde der wichtigste Handelspartner Chinas.

Das Unglück am „Himmlischen Platz des Friedens“ grub eine Kluft in die europäische Außenpolitik gegenüber dem China, das bis heute existiert. Eine trennscharfe Linie wird deshalb zwischen Handelsabkommen und Menschenrechten gezogen und China ist trotzdem seit zwanzig Jahren ein wichtiger Handelspartner. Der neue Investitionsdeal, der europäischen Investoren einen größeren Zugang zum Wirtschaftsmarkt beschafft und Verpflichtungen für eine faire Behandlung von europäischen Firmen in China herstellt, um einen gleichen Wettbewerb zwischen chinesischen und europäischen Firmen zu ermöglichen, festigt diese Beziehung weiterhin. Das Investitionsabkommen bindet die EU noch weiter an China, was zum einen eine größere Abhängigkeit schafft, sich zum anderen nachteilig auf die europäische Haltung gegenüber Menschenrechten auswirkt. Die EU spricht in der Debatte über Chinas Umgang mit politischen Oppositionellen, Journalisten*innen, der uigurischen Bevölkerung und Demonstranten*innen in Hongkong von „wachsender Sorge“. Trotzdem, allein eine kurze Recherche über die Behandlung der uigurischen Bevölkerung bringt die Frage hervor, ob „wachsende Sorgen“ die angemessene Wortwahl ist, um den Missbrauch in China zu bezeichnen.

Die Uigur*innen sind eine muslimische Minderheitengruppe der Turkvölker, die sich ethnisch stark mit den zentralasiatischen Staaten verbunden fühlen. Über 11 Mio. Uigur*innen leben in der chinesischen Region Xinjiang, in der kürzlich die Autonomie ausgerufen wurde. Tatsächlich ist jedoch den Menschen in der Region das Konzept der Autonomie fremd. Sie sind stark an die chinesische Gesetzgebung und Vorschriften gebunden und müssen, wie Präsident Xi Jinping verkündigte, ihre Religion und Traditionen an die chinesischen Normen und Gesellschaft anpassen. Der Weg der „Anpassung“ ist gewaltsam - hunderttausende Uigur*innen sind im Westen von Xinjiang in Lagern interniert. Die chinesische Regierung bezeichnet die Lager als „berufliche Einrichtungen zur Bekämpfung von Terrorismus“. Aktivist*innen kritisieren diesen Euphemismus und bezeichnen sie als Internierungslager. Für die Inhaftierten bedeutet das körperliche und psychische Qual, strikte Überwachung und Bestrafung sowie den Zwang den Glauben ablegen zu müssen. Die hunderttausenden Uigur*innen in diesen Lagern erhielten keinen gerichtlichen Prozess und wissen nicht, wann sie das Lager wieder verlassen dürfen. Außerhalb der Lager versucht die chinesische Regierung die uigurische Bevölkerung zu reduzieren. Ein Bericht der Jamestown Foundation, ein weltweit tätiges Rechercheinstitut, beschreibt, dass uigurische Frauen eine bestimmte Kinderzahl einhalten und sich einer Sterilisation unterziehen müssen. Sie werden auch dazu gezwungen Schwangerschaften abzubrechen und die Antibabypille, ohne ihre Zustimmung zu nehmen.

Die Brutalität dieses Vorgehens verlangt nach mehr als nur einer „diplomatischen Wortwahl“. Normativ braucht es Solidarität und ein Bestreben nach Gerechtigkeit von Nationen auf der ganzen Welt. Politisch braucht es Sanktionen und einen Widerwillen, sich dem chinesischen, wirtschaftlichen Druck zu beugen. Währenddessen wettet China auf eine Strategie, die seit der Macht von Präsident Deng Xiaoping wirksam ist. Diplomat*innen, Politiker*innen und Zivilist*innen können zwar protestieren, aber schlussendlich möchten alle an der chinesischen Wirtschaft teilhaben.

Dem Umfassenden Investitionsabkommen muss nun von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments zugestimmt werden. Das Europäische Parlament kann zwar nicht direkt in die Verhandlungen eingreifen oder Ziele bestimmen, aber es kann Transparenz und einen Fokus auf europäische Werte fordern. Es gibt Hoffnung, dass das Europäische Parlament lautstark für diese Werte bei der Ratifizierung eintritt und seinen Einfluss benutzt, um einen klaren Standpunkt der EU gegenüber Gerechtigkeit und Menschenrechten zu etablieren. Ungeachtet der Ergebnisse der Ratifizierung haben die langen Verhandlungen über das Investitionsabkommen verschiedenste Facetten der europäisch- chinesischen Beziehungen gezeigt. Die Beziehungen mit Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen beider Parteien könnten ohne Schwierigkeiten ablaufen, sofern die wiederkehrenden Menschenrechtsverstöße ein Ende finden würden. Bis dorthin werden sie jedoch einen hässlichen Fleck hinterlassen.

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