Ersetzen oder Reparieren - eine Frage für das digitale Zeitalter

, von  Stéphanie-Fabienne Lacombe

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Ersetzen oder Reparieren - eine Frage für das digitale Zeitalter
Defekte Mobiltelefone - Ersetzen oder reparieren? Foto: Pixabay / Rudy and Peter Skitterians / Pixabay Licence

Unfaire Löhne, Bergbau, giftiger Müll und erhebliche CO2-Emissionen charakterisieren die Elektronikindustrie. In Zeiten von Homeoffice und Digitalisierung besitzen heute in Europa fast alle ein elektronisches Gerät wie ein Smartphone oder einen Laptop, das irgendwann kaputt geht. Die Entscheidung, ob das Gerät ersetzt oder repariert werden soll hat soziale und ökologische Auswirkungen, die die EU zum Handeln veranlassen.

Was ist das Problem ?

Die Produktion von elektronischen Geräten ist energieintensiv und basiert auf fossilen Energien. Sie benötigt außerdem Rohstoffe, deren Abbau aus ökologischen und sozialen Gründen nicht vertretbar ist - und dessen Handel extraktivistische koloniale Beziehungen zwischen dem globalen Norden und Süden reproduziert. Lithium, ein wichtiges Material für Batterien, wird besonders unökologisch abgebaut. Zudem profitieren wenige vom Handel, und die lokale Bevölkerung wird bei der Gewinnerzielung ignoriert. Kobalt wird oft aus Konfliktgebieten wie der Demokratischen Republik Kongo importiert, was häufig Rebellengruppen zugutekommt, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Die Arbeitsrechte, z. B. Mindestlöhne und Ruhezeiten werden auch in der weiteren Produktionskette, wie in den Montagewerken in China, missachtet.

Streaming- und Cloud-Dienste stützen sich auf große Server, die ebenfalls viel Energie verbrauchen. Die sogenannte geplante Obsoleszenz [Anm. d. Red.: Geplante Obsoleszenz bedeutet, dass Unternehmen die Nutzungsdauer von Produkten bewusst einschränken] wird in die Geräte eingebaut, mit dem Ziel, ihre Lebensdauer zu verkürzen und ihren Austausch durch die Verbraucher*innen zu fördern. Leider findet das Recycling von Elektroschrott nur in unzureichendem Maße statt, und ein Großteil des Elektroschrotts landet auf illegalen Deponien und in Handelssystemen, die den Gesundheitsschutz der Arbeiter*innen nicht gewährleisten.

Reparieren - der Ausweg ?

Eine Reparatur kann in der Tat die Lebensdauer eines Laptops oder Smartphones verlängern und ist ein effizienter Weg, um die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Produktion zu verringern. Auch wenn ein Reparaturservice teuer sein kann, zeigen Studien, dass er für Verbraucher*innen auf lange Sicht wirtschaftlich sinnvoller ist ein Gerät zu reparieren statt zu ersetzen.

Die Veränderung der globalen Handelsmuster hin zu mehr sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit erfordert viel politischen Willen und eine Wirtschaft, die bereit ist, diesen Weg zu gehen. Während sich kleine Unternehmen bereits in der Produktion von fairen und reparierbaren Smartphones engagieren, beginnen nationale Regierungen erst in kleinen Schritten, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang der Lieferkette sicherzustellen - wie es etwa das neue Lieferkettengesetz in Deutschland fördern will.

In der Europäischen Union gewinnt das Thema Elektronik an politischer Brisanz. Zwei Drittel der EU-Bürger*innen würden ihre Elektronik gerne länger nutzen, wenn deren Leistung optimal bliebe (was zusätzlich Verbesserungen hinsichtlich eines längeren Software-Supports erfordern könnte). Der 2020 verabschiedete Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft zielt unter anderem darauf ab, Abfall zu reduzieren, Verbraucher*innen durch mehr Transparenz besser zu informieren und die Nachhaltigkeit von Produkten zu verbessern. Einer der Bereiche des Aktionsplans betrifft elektronische Geräte. In dieser Logik hat das Europäische Parlament im November 2020 für ein „Recht auf Reparatur“ gestimmt, um längere Produktlebenszeiten (gegen programmierte Obsoleszenz) und geringere Kosten bei Reparaturen zu fördern und beides durch die Gesetzgebung zu erleichtern (z. B. die Hersteller zu verpflichten, Ersatzteile bereitzustellen).

In Frankreich gibt es seit diesem Jahr einen „Reparaturindex“ der Verbraucher*innen vor dem Kauf über die Kosten und Möglichkeiten der Reparatur eines Geräts informiert. Frankreich strebt bis 2026 eine Reparaturquote von 60% bei elektronischen Geräten an. In Schweden wurden 2016 die Steuern auf Reparaturdienstleistungen gesenkt, um die Menschen zu ermutigen, ihre Geräte reparieren zu lassen. Außerdem gewinnen in vielen Orten in Europa und Nordamerika Bürger*innen-Initiativen wie „Repair Cafés“, in denen Freiwillige bei der Reparatur von Geräten helfen, an Popularität.

Verbraucher*innen auf lokaler Ebene können wählen, ob sie ein System der kurzen Lebensdauer von Geräten und einer auf Ausbeutung von Mensch und Natur basierenden Produktion und Entsorgung unterstützen oder ablehnen. Ein Gerät zu reparieren oder zu ersetzen ist eine Entscheidung mit sozialen und ökologischen Auswirkungen. Dennoch sind die unfairen Bedingungen in der Elektronikindustrie kein Problem, was sich durch individuelle Konsumentscheidungen lösen ließe. Neben den persönlichen Entscheidungen muss weltweit weiter an der Gestaltung eines schadensfreien Elektroniksektors gearbeitet werden, mit fairen Löhnen, umweltfreundlicher Produktion und letztendlich langlebigen Produkten. Wir die EU ihre selbstgesteckten Ziele einhalten können ?

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