Massiver Einsatz von sozialen Medien
Bei einer Straßenumfrage gaben Teilnehmer*innen an, mehr als zwei Stunden pro Tag in sozialen Netzwerken zu verbringen. Dieser Trend wird durch Umfragen von Diplomeo und BDM bestätigt. Es stellt sich die Frage, ob ein solch massiver Konsum von Inhalten ihr Verhalten und ihre Sichtweise auf die Politik notwendigerweise beeinflusst.
Ziel der Beiträge in sozialen Medien ist es, bei Nutzer*innen starke Emotionen zu wecken und sie dazu zu bringen, bestimmte Themen mit bestimmten Gefühlen zu verbinden. So können Posts die Weltsicht der jungen Menschen beeinflussen.
Emotionen und deren Auswirkungen
Soziale Medien sind besonders effektiv darin, intensive Emotionen wie Liebe, Hass, Schmerz oder Ungerechtigkeit zu provozieren. Konsequenzen können sowohl positiv als auch negativ sein. Hier untersuchen wir zwei besonders bemerkenswerte Phänomene.
Die Manipulation der öffentlichen Meinung
Die Manipulation der öffentlichen Meinung durch soziale Medien ist ein wachsendes Problem, insbesondere im Umfeld der Wahlen. Viele politische Parteien in Frankreich und Deutschland haben erkannt, wie wichtig dieses Kommunikationsmittel ist. Die rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) erzielt auf TikTok außergewöhnliche Reichweiten. Laut Umfrage rangiert TikTok unter den am häufigsten genutzten Medien junger Menschen an dritter Stelle. Parteien der radikalen Linken und der extremen Rechten sind zunehmend auf Plattformen wie TikTok, YouTube oder Instagram präsent und üben einen starken Einfluss auf die junge Generation aus. Dieser Trend wurde durch eine Straßenumfrage in Brüssel bestätigt. Teilnehmer*innen beobachteten die Belgische Arbeiterpartei und die Reformbewegung als besonders sichtbar in den sozialen Medien.
Filterblasen
Wie lässt sich dieser Aufstieg der extremen Parteien in den sozialen Medien erklären? Eli Pariser, ein Internet-Aktivist, beleuchtet dieses Problem durch das Konzept der Filterblasen. Die Algorithmen der sozialen Netzwerke passen sich an Nutzer*innen an, indem sie so viele Daten wie möglich sammeln. Wer mag, was er findet, bleibt länger auf einer Plattform. Das ermöglicht, noch mehr Daten zu sammeln. Diese Anpassung bringt ein großes Problem mit sich: Jede*r wird nur mit Informationen konfrontiert, die gefallen, andere Meinungen werden schon im Vorfeld ausgeschlossen. Dies schafft Blasen, in denen die Nutzer*innen gefangen sind, was Meinungen polarisiert und extreme Parteien begünstigt.
Der Erfolg der extremen Parteien
Ein weiterer Faktor für die Radikalisierung junger Wähler*innen ist die Fähigkeit der extremen Parteien, in den sozialen Medien „durchzubrechen“. Warum? Diese Parteien scheinen besser verstanden zu haben, wie man das Online-Publikum mit vereinfachten Ideen anspricht.
Die Wachsamkeit der Jugend
Jedoch sind die Jugendlichen nicht naiv. Die Mehrheit hat eine positive Meinung über soziale Medien, ist sich aber der Risiken von Manipulation und negativer Beeinflussung bewusst. Viele Jugendliche sind nicht passiv; sie überprüfen Quellen und konsultieren mehrere internationale Plattformen, um Desinformation und Fake News zu vermeiden. Eine junge Frau aus Spanien betonte, dass sie den Medien ihres eigenen Landes nicht vertraue und sich lieber auf internationalen Plattformen informiere, um zuverlässige Informationen zu erhalten. Diese Strategie schützt vor Desinformation. Im Gegensatz dazu sind die Babyboomer, die nicht mit sozialen Medien aufgewachsen sind, sich der Fake News und der Manipulation durch Filterblasen oft nicht bewusst.
Politisches Engagement online
Der Einfluss sozialer Medien hat nicht nur negative Aspekte. Eine Bewegung hat sich online formiert, insbesondere durch die radikale Linke in Frankreich und die Partei La France Insoumise (LFI). Diese Bewegung begann mit der Frage der Situation in Palästina und ermöglichte es der Linken, eine Jugend zu sensibilisieren, die ursprünglich wenig Interesse an Wahlen und Politik hatte. Zudem gibt es immer mehr Äußerungen im Internet und junge Persönlichkeiten in den sozialen Medien, die zur Mobilisierung gegen die extreme Rechte aufrufen. Dieser Aufschwung ist real und wird von Meinungsforschungsinstituten bestätigt.
Manon Aubry, Spitzenkandidatin von LFI, verzeichnet den größten Zuwachs in den IPSOS-Umfragen. Laut Umfragen lässt sich dieser Anstieg durch einen Rückgang der Wahlenthaltung erklären, speziell bei jungen Menschen. Die Strategie von LFI, die auf die Politisierung der Jugend über die sozialen Medien setzt, scheint aufzugehen, indem sie nicht nur die Teilnahme, sondern auch das Interesse der Jugend an den Europawahlen erhöht. Dieses Beispiel muss jedoch nuanciert werden. Die Politisierung der Jugend in Bezug auf die palästinensische Frage ist größtenteils auf die Hervorhebung dieses Themas durch La France Insoumise zurückzuführen. Es handelt sich eher um eine indirekte Folge als um eine bewusste Strategie. Soziale Medien bleiben trotz ihrer Risiken der Manipulation und Polarisierung ein mächtiges Werkzeug, um die Jugend über politische Fragen zu mobilisieren und zu informieren.
Der Einfluss von sozialen Netzwerken auf Jugend und Politik: Ein Wendepunkt für die Europawahlen
Die diesjährigen Europawahlen haben den bedeutenden Einfluss sozialer Netzwerke auf junge Wähler*innen deutlich gemacht. Die Plattformen können zwar manipulativ und polarisierend wirken, bieten aber auch Möglichkeiten zur politischen Mobilisierung und Sensibilisierung. Politische Parteien, insbesondere Extreme, haben diese Instrumente genutzt, um ein großes junges Publikum zu erreichen. Junge Menschen stehen diesem Einfluss jedoch nicht passiv gegenüber; viele wenden Strategien an, um Informationen zu überprüfen und Desinformation zu vermeiden.
Der deutliche Anstieg von Parteien wie La France Insoumise, der BSW die AfD und der FN zeigt, dass das Engagement junger Menschen durch die strategische Nutzung sozialer Netzwerke gefördert werden kann. Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, den Einfluss sozialer Netzwerke im demokratischen Kontext zu verstehen. Hier kann ein Potenzial liegen, die politische Beteiligung in der jüngeren Generation neu zu beleben. Vielleicht stellen die diesjährigen Europawahlen einen Wendepunkt dar und offenbaren die Herausforderungen und Chancen, die soziale Netzwerke für die Zukunft der Demokratie in Europa bieten.
Die Zukunft wird zeigen, ob soziale Netzwerke während der nächsten nationalen Wahlen in Frankreich und Deutschland eine ähnlich wichtige Rolle spielen. Und ob auch andere Parteien die Notwendigkeit einsehen, ihre Zielgruppe dort anzusprechen, wo sie sich informiert.
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