Das grelle Licht blendete mich und an Schlaf war nicht zu denken. Ich erinnere mich noch genau an diese ungemütliche Nacht am Flughafen Rom-Ciampino. Meine späte Ankunft führte dazu, dass ich einige Stunden in der spartanisch eingerichteten Vorhalle verbringen musste. Dabei machte ich eine ungewöhnliche Bekanntschaft.
Mit etwas Glück ergatterte ich einen der freien Stühle. Neben mir saß ein junges Pärchen. Um die Zeit totzuschlagen, unterhielt ich mich mit dem Mann. An seinen Formulierungen konnte ich hören, dass Deutsch nicht seine Muttersprache ist. Als er mir seine Herkunft verriet, wurde ich neugierig und so erzählte er mir seine Geschichte.
In einem kleinen Dorf in Rumänien geboren, ist er mit zehn Jahren mit seiner Mutter nach Deutschland gekommen. Im Gegensatz zu einem perspektivlosen Leben in ihrer Heimat, war Deutschland ein Paradies. Petre*, so heißt er, gehört zu der Minderheit der Roma.
Prekäre Zustände im eigenen Land
Rund 2,2 Millionen Roma leben in Rumänien, das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Obwohl das Land seit sieben Jahren Mitglied der EU ist, sind die Zustände dieser Minderheit im eigenen Land prekär. Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung gehören zum Alltag zehntausender Roma in ihren Heimatländern. Hochburgen für bedürftige Roma finden sich auch in Duisburg, Utrecht oder Manchester.
Eigentlich sollte Rumäniens Beitritt zur EU helfen, das Land aus der Armut zu führen und so auch die Situation der Roma verbessern. Doch noch immer gibt es in Rumänien viel Armut und wenig Arbeit. Obwohl Rumänien in Sachen Minderheitenschutz und Rechtsstaatlichkeit hinterherhinkte, war ein EU-Beitritt möglich. Zwar wurden die, in den Beitrittsverhandlungen mit der EU eingeforderten, Minderheitsrechte ins Rechtssystem aufgenommen, aber nicht umgesetzt. Folglich befinden sich viele Roma immer noch in einer schlechten Lage und die Zahl der verarmten Einwanderer aus den neuen Mitgliedstaaten verdoppelte sich in vielen EU-Ländern.
Petre ist einer von ihnen. Doch er hatte Glück. Er besuchte die Schule und absolvierte einen Haupt- und Realschulabschluss. Am Anfang sprach er kein Wort Deutsch, doch die Sprache lernte er schnell, um sich im neuen Land integrieren zu können. Oft wurde er gehänselt, dann lernte er sich anzupassen, um akzeptiert zu werden. Nach einer Berufsausbildung zum Fachinformatiker arbeitet er in einem kleinen Unternehmen in Deutschland, irgendwann möchte er studieren. Seine Freundin lernte er über das Internet in Rumänien kennen, sie ist für ihn nach Deutschland gezogen. Deutsche Frauen haben ihn nie interessiert.
Viele Roma schaffen es nicht
Petres Geschichte ist eine Erfolgsgeschichte. Der Armut entkommen, hat er es geschafft sich in Deutschland zu integrieren. Viele Roma schaffen es nicht, sie kommen nach Deutschland mit der Hoffnung auf ein besserer Leben und landen in „Problemhochhäusern“, in Ghettos, wieder separiert von der Bevölkerung.
Als EU-Bürger dürfen sich Rumänen ganz legal in der Bundesrepublik aufhalten, bisher war Arbeiten verboten. Drei, vier Euro die Stunde erhielten sie mit illegalen Jobs als Tagelöhner – meist als Bauhelfer, oder Prostituierte. Seit dem 1. Januar gilt auch für Rumänien und Bulgarien die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. In Deutschland und in anderen EU-Mitgliedstaaten wurde schon im Vorfeld über „Armutszuwanderung“ diskutiert. „Zigeuner“ und „Plünderer der Sozialkassen“ – mit solchen Begriffen warfen vor allem die Nationalisten und rechten Parteien um sich. Groß sind die Befürchtungen vor einem Missbrauch der Sozialleistungen.
Beratung und politischer Druck aus Brüssel
Schuld daran ist das Wohlstandsgefälle in der EU. Versprechen über Arbeit und ein besseres Leben treibt diejenigen in die Ferne, die in ihren Heimatländern nichts mehr zu verlieren haben. Das Beispiel von Petre zeigt, dass viele rumänischen Einwanderer sich integrieren wollen, sie wollen arbeiten und begreifen die Freizügigkeit als Chance. Sicher gibt es auch diejenigen, die unsere Sozialsysteme ausnutzen, aber doch nur deshalb, weil sie keine andere Wahl haben. Die EU muss hier eine stärkere Rolle einnehmen, sie muss endlich dafür sorgen, dass sich die Lebensverhältnisse der Roma in ihren Herkunftsländern verbessern. Rumänien und Bulgarien gehören zwar zur EU, doch es fehlt an vielen Stellen an Wissen, wie Gesetze richtig umgesetzt, wie Beihilfen beantragt und wie die einheimischen Unternehmen gefördert werden können. Beratung und politischer Druck aus Brüssel sind nötig, um die EU-Mittel für eine effektive soziale und ökonomische Integration der Roma zu nutzen. Gut ausgebildeten, jungen Menschen muss eine Perspektive im eigenen Land eröffnet werden.
Petre hat es geschafft, weil er es wollte. Er redet Deutsch, er denkt Deutsch, er fühlt sich mit der deutschen Kultur verbunden. Und dennoch: seine Wurzeln sind in Rumänien. Eines Tages, verrät er mir, möchte er zurück - wenn es seinem Herkunftsland endlich besser geht.
*Name geändert
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