Ansgar Skoda für treffpunkteuropa.de: Sind Sie religiös?
Stefan Kaufmann: Ich würde sagen, ja. Ich glaube an Gott. Ich bin römisch-katholisch getauft, immer noch dabei, und gehe regelmäßig in den Gottesdienst. Es gibt mir auch etwas.
Sie wollten Ihren Mann kirchlich heiraten, doch die Kirche weigerte sich ihren Segen zu geben. Was ist Ihr Resümee?
Kaufmann: Die katholische Kirche tut sich natürlich als Weltkirche schwer einen Umgang mit homosexuellen Menschen in der Kirche zu finden. Eine gewisse Offenheit gibt es nach vielen Gesprächen sicherlich bei der deutschen römisch-katholischen Bischofskonferenz auch mit den europäischen Bischöfen. Das hat jetzt auch die Familiensynode in Rom gezeigt. Insbesondere die afrikanischen aber auch südamerikanischen Bischöfe tun sich schwer damit z.B. gleichgeschlechtlichen Paaren einen Segen zu geben. Da eben die Weltkirche nur als Weltkirche funktioniert und es keine Sonderregelungen in Deutschland oder Europa gibt muss man dicke Bretter bohren. Nichtsdestotrotz hoffe ich – und das war jetzt auch das Ergebnis eines Gespräches mit Erzbischof Dr. Heiner Koch in Berlin, der bei der Familiensynode in Rom auch dabei war und der in der Deutschen Bischofskonferenz zuständig ist für das Thema Familie, dass die deutsche römisch-katholische Kirche einen Weg findet, mit gleichgeschlechtlichen Paaren umzugehen. Ob das am Ende ein Segen ist oder wie das liturgisch ausgestaltet werden kann wird sich dann zeigen. Aber ich sehe zumindest ein wachsendes Bemühen der katholischen Kirche in Deutschland bei diesem Thema – auch hier vor Ort – weiterzukommen. Der Stadtdekan war nicht sehr glücklich über den Bescheid des Landesbischofs von Rottenburg-Stuttgart, diese Feier, die wir geplant haben und die keine Segnungsfeier war, sondern ein Gottesdienst mit anschließendem Segen, nicht zuzulassen. Da war eine gewisse Irritation da, dass man keinen Weg findet zumindest einen solchen Gottesdienst zuzulassen.
Welche Rolle spielt die katholische Kirche bei der Gleichstellung homosexueller Lebensweisen in Europa?
Kaufmann: Ich weiß nicht konkret, wie es rechtlich auf der EU-Ebene in Brüssel aussieht. Doch natürlich wird die katholische Kirche – genau wie in Deutschland – keine aktive, sondern eher eine blockierende Rolle einnehmen. Es gibt ja außerhalb Deutschlands noch andere Länder, wo die katholische Kirche konservativer ist, als in Deutschland. Insofern ist der Beitrag der katholischen Kirche kein hilfreicher zu diesem Thema. Überhaupt muss man in Europa schon beobachten, dass es insgesamt ein gewisses Aufwallen konservativer Strömungen gibt, nicht nur im Bereich der Familienpolitik, sondern auch in anderen Bereichen beobachtbar. Konservative Parteien gehen in vielen Ländern aus aktuellen Wahlen deutlich gestärkt hervor – zuletzt in Polen. Es ist schon so, dass sich ein konservativer Mainstream durchsetzt, der sich heute, anders als noch vor ein oder zwei Jahren, mehr traut, konservative Positionen öffentlich zu formulieren und dafür auch einzustehen. Das haben wir sicherlich in den letzten Jahren so in der Form noch nicht gehabt. Da mögen das Internet, die AfD oder die Entwicklungen in Dresden eine gewisse Rolle spielen – die Leute trauen sich auf die Straße zu gehen und für ihre rechtskonservativen Thesen zu streiten. Zuvor haben sie das hinter vorgehaltener Hand; jedenfalls nicht öffentlich getan.
In diesem Jahr öffneten die USA und Irland die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. In Deutschland verwahrt sich die CDU gegen eine Gleichstellung der Hetero- mit einer sogenannten Homo-Ehe. Wie lange könnte Merkel diesen Kurs noch fahren? Welche Fortschritte gibt es in der Diskussion?
Kaufmann: Beim Thema Eheöffnung oder Gleichstellung einer Hetero mit einer Homo-Ehe, wobei ich den Begriff „Homo-Ehe“ nicht mag, haben wir noch eine schwierige Diskussion vor uns. Für den nächsten Bundesparteitag in Karlsruhe wurde jetzt kein Antrag eingereicht. Es gab einen Antrag aus Baden Württemberg, der aber von der Antragskommission abgelehnt wurde. Wir werden jetzt auf der Bundesebene keine größere Diskussion zu dem Thema haben; aber auch keine Mehrheit für eine Eheöffnung. Es gibt jedoch eine wachsende Bewegung innerhalb der Union, die sich zum einen bei den ganzen Themen der Gleichstellung für gleichgeschlechtliche Paare jetzt in den letzten Jahren deutlich bewegt hat. Wir haben ja natürlich auch aufgrund des Druckes und der Weisung vom Bundesverfassungsgericht beim Adoptionsrecht – Stichwort sukzessive Adoption - eine rechtliche Gleichstellung umgesetzt. Bei der Ehe ist es so, dass dieser Begriff für viele in der Christlich-Demokratischen Union noch sehr stark christlich und kirchlich definiert ist. Wer christlich geprägt ist, tut sich schwer damit, die Ehe anders zu definieren, als eine Verbindung zwischen Mann und Frau. Das ist ja bis heute auch noch Rechtsstand des Bundesverfassungsgerichtes. Da muss man sicherlich argumentativ noch einiges tun. In der CDU-Bundestagsfraktion gibt es jedoch eine Gruppe der sogenannten „Wilden 13“, die sich gegründet hat, als es um die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren im Steuerrecht ging. Diese Gruppe hat mittlerweile 45 Mitglieder; dies zeigt eine deutliche Entwicklung. Es sind letztlich Kolleginnen und Kollegen, die bei diesem Thema weiter oder fortschrittlicher sind als der Rest der Partei. Sie sind für das Thema offen und kämpfen mit mir zusammen, dass sich die CDU hier öffnet, und insoweit haben wir selbst auf dieser Funktionsträgerebene, die ja etwas konservativer ist als die Basis oder unsere Wähler, eine deutliche Bewegung in die richtige Richtung. Wann es jetzt dazu kommen wird, weiß ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass im Zuge der nächsten Koalitionsverhandlungen auf der nächsten Bundestagswahl – egal, mit wem wir als mutmaßlich stärkste Partei die Koalition eingehen – eine Eheöffnung Gegenstand eines Koalitionsvertrages ist und wir uns dann nicht mehr werden wehren können.
In Baden Württemberg protestierten jüngst Elternverbände gegen Unterrichtsmaterialien, die gleichgeschlechtliche Lebensweisen beinhalteten („Mit Vielfalt umgehen“). Wie ordnen Sie diese Proteste ein?
Kaufmann: Diese sogenannte „Demo für alle“ ist Ausdruck einer wachsenden Bewegung rechtskonservativer und kirchlich-konservativer Kreise, die ein Problem damit haben, dass überhaupt Sexualerziehung an Schulen stattfindet. Sie betonen ihr Elternrecht. Insbesondere wollen sie nicht, dass gleichgeschlechtliche Liebe bei Kindern thematisiert wird – das wird auch mit unsinnigen Begriffen wie Frühsexualisierung umschrieben. Ich habe immer gesagt, man muss sicherlich die Sorgen der Eltern, auch der religiös motivierten Eltern ernst nehmen. Doch diese Demo für alle wird von Initiatoren wie „Junge Freiheit“, dem Ableger von AfD, „konservativer Aufruf“ in Bayern, natürlich auch von konservativen Lobbyistinnen wie Beatrix von Storch gefördert. Sie wenden sich letztlich gegen Gleichberechtigung im Allgemeinen und verstärken insofern eher homophobe Tendenzen. Da wird im Deckmantel eines neuen Bildungsplanes eben auch ganz grundsätzlich eine Veränderung der Gesellschaft angestrebt und das habe ich immer sehr offen kritisiert und durchaus auch Prügel in konservativen Kreisen – auch in Parteikreisen eingesteckt. Ich stehe dazu, dass diese Demo für alle aus meiner Sicht die falschen Ziele verfolgt, wenngleich ich immer gesagt habe, man muss darüber diskutieren, wie diese Form der Aufklärung über unterschiedliche sexuelle Orientierung im Schulunterricht tatsächlich stattfindet, in welcher Klasse und in welchen Fächern. Die Landesregierung hat insoweit dazugelernt, dass dieser erste Entwurf, der letztes Jahr an die Öffentlichkeit gelangte und das Thema vielleicht etwas zu dominant darstellte, überdacht wird.
Es gibt ja auch Aufklärungsprojeke wie SchLAu, wo geschulte lesbische, schwule oder transsexuelle Ehrenamtliche Schulklassen besuchen und offen über ihre eigene Sexualität sprechen. Könnte dies ein Weg sein, das Thema im Schulunterricht offener anzugehen?
Kaufmann: Da gibt es konkrete didaktische Wege. Es ist gut, wenn auch Betroffene in die Schulen gehen und dort vor Ort berichten. Ich bin auch in der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld im Kuratorium. Dort fördern wir Projekte, die im Bereich der Aufklärung und des Kampfes gegen Diskriminierung didaktische Materialien entwickeln.
Eine repräsentative Berliner Untersuchung von 2007 belegt, dass türkischstämmige Jugendliche deutlich homophober sind, als deutschstämmige. Viele muslimisch geprägte Flüchtlinge kommen derzeit nach Deutschland. Es werden neue Moscheen gebaut. Könnte die Kultur im Zuge der Flüchtlingsströme konservativer werden? Welche Bestrebungen gibt es seitens der Politik Diversität zu fördern?
Kaufmann: Der Islam ist nicht per se eine intolerante Religion. Natürlich gibt es auch im Islam – wie im Katholizismus – konservative Ausprägungen etwa der Glaubensausübung. Der konservative Islam tut sich in der Tat damit schwer, dass es hier eine offene, tolerante Gesellschaft gibt, die kein Problem hat mit der Gleichberechtigung der Frau oder damit, wenn sich zwei Männer auf der Straße küssen. Insofern ist es für uns jetzt eine ganz wichtige Aufgabe, dass wir den Flüchtlingen, die zu uns kommen, weil sie hier Schutz suchen und wir ihnen Schutz bieten, ganz klar sagen, dass unsere Werte nicht zur Disposition stehen. Dazu gehören eine offene und tolerante Gesellschaft. Wie man dies tatsächlich umsetzt, ist eine schwierige Frage. Wir haben in der Fraktion und in der Partei über eine sogenannte Integrationsvereinbarung diskutiert; dass Flüchtlinge, die hierherkommen, sich auch schriftlich dazu bekennen, dass sie unsere Werteordnung hier respektieren. Natürlich gelten das Grundgesetz, und alles, was wir daraus ableiten. Ob dies jetzt als schriftliche Vereinbarung umgesetzt wird oder anders, werden wir sehen. Aber wir fordern ganz massiv ein, dass Flüchtlinge die Art und Weise, wie wir hier leben, respektieren.
Herr Dr. Kaufmann, vielen Dank für das Interview.
1. Am 17. Dezember 2015 um 10:10, von Ulli Als Antwort „Ein Aufwallen konservativer Strömungen in Europa“
Wenn Herr Dr. Kaufmann sagt „Da wird im Deckmantel eines neuen Bildungsplanes eben auch ganz grundsätzlich eine Veränderung der Gesellschaft angestrebt“, kann ich ihm nur zustimmen - es geht vielfach nur vordergründig um ’Kind’, ’Familie’, ’Bildung’, im Hintergrund steht ein antimoderner Impuls, den ich als sehr beunruhigend empfinde. Bisher wird eher an der ’Oberfläche’ agiert (bzw. reagiert), zu selten noch wird das letztlich gegen die Aufklärung gerichtete Agieren dieser Kreise direkt themaitisiert und angegangen.
Zum Einfluss der antihomosexuellen Kreise: die jüngste Regionalwahl_in_Frankreich zeigt deutlich, wie stark der Einfluss konservativster, integristischer, oft latent oder offen homophober PolitikerInnen auf die konservative Partei in Frankreich inzwischen geworden ist ... es gilt acht zu geben, dass diese Entwicklung sich hier nicht wiederholt
2. Am 17. Dezember 2015 um 10:17, von Ulli Als Antwort „Ein Aufwallen konservativer Strömungen in Europa“
Wenn Herr Dr. Kaufmann sagt „Da wird im Deckmantel eines neuen Bildungsplanes eben auch ganz grundsätzlich eine Veränderung der Gesellschaft angestrebt“, kann ich ihm nur zustimmen - es geht vielfach nur vordergründig um ’Kind’, ’Failie’, ’Bildung’, im Hintergrund steht ein antimoderner Impuls, den ich als sehr beunruhigend empfinde. Bisher wird eher an der ’Obefläche’ agiert (bzw. reagiert), zu selten noch wird das letztlich gegen die Aufklärung gerichtete Agieren dieser Kreise direkt themaitisiert und angegangen.
Zum Einfluss der antihomosexuellen Kreise: die jüngste Regionalwahl_in_Frankreich zeigt deutlich, wie stark der Einfluss konservativster, integristischer, oft latent oder offen homophober PolitikerInnen auf die konservative Partei in Frankreich inzwischen geworden ist ... es gilt acht zu geben, dass diese Entwicklung sich hier nicht wiederholt
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