Die Europawahl 2024 – Eine Wahl der Extreme

, von  Bild/Güz, Flora Carter, Frederik Säuberlich, Maëva Pusiol, Yasmine Yassin

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Die Europawahl 2024 – Eine Wahl der Extreme
Welche Auswirkungen werden die Wahlergebnisse auf einzelne Bereiche haben, beispielsweise auf die zukünftige Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union? Foto: Pixabay | Pexels | Pixabay Content License

„Der Preis, den gute Menschen für ihr Desinteresse an politischen Angelegenheiten zahlen, ist die Regierung durch schlechte Menschen“ - der Satz stammt von Plato, aber er könnte aktueller nicht sein. An den Europawahlen 2024 hängt die Zukunft der Europäischen Union. Am 9. Juni 2024 wurde das Europäische Parlament gewählt, das in der kommenden Legislatur 720 Sitze haben und die europäische Politik der nächsten fünf Jahre prägen wird.

Bilanz der Amtszeit 2019 - 2024

Die Legislaturperiode 2019 - 2024 wurde geführt von Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission. Im Europäischen Parlament übte zunächst David Sassoli das Amt des Präsidenten aus, gefolgt von Roberta Metsola ab 2022. Charles Michel war Präsident des Europäischen Rates und Josep Borrell (EAD) Vertreter für auswärtige Angelegenheiten.

Die öffentliche Meinung auf französischer Seite ist gespalten, was die Bilanz dieser Legislaturperiode angeht. Einige bewerten die Arbeit überwiegend positiv, vor allem in Anbetracht der Krisen, die die Europäische Union durchlebt hat, wie den Brexit, die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und schließlich den Konflikt im Nahen Osten sowie die Solidarität der Mitgliedstaaten. Welche Zukunft bringt die Legislaturperiode 2024 - 2029?

Wahlprognosen

In den Prognosen von Ipsos vom 15. März 2024 sah es aus, als würde die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), kurz EVP, weiterhin die stärkste Kraft bleiben. Die Fraktion der progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) würde drei Sitze verlieren, die Liberalen (Renew Europe) kämen nach einigen Verlusten an dritter Stelle mit 85 Plätzen. Die Fraktion Identität und Demokratie (ID) könne einen Zuwachs von 32 Sitzen verzeichnen und wäre viertstärkste Kraft. Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) wurde auf 76 Plätze geschätzt, die Fraktionslosen würden 68 Sitze erhalten und die Grüne/EFA einen Verlust von 16 Sitzen einfahren. Schließlich würden die Linken mit 42 Sitzen das Schlusslicht bilden.

Wahlergebnisse

Am Ende sah es folgendermaßen aus: Die EVP erhielt 184 Sitze und, wie angenommen, die meisten Plätze. Mit Abstand folgte die S&D mit 139 Sitzen. Drittstärkste Kraft ist die Fraktion Renew Europe mit 79 Sitzen, dicht gefolgt von der EKR mit 73 Sitzen. Die ID erhielt 58 Stimmen. Gefolgt wird sie von den neuen Mitgliedern im europäischen Parlament, die bisher keiner Fraktion angehörten. Die neuen Mitglieder erhielten insgesamt 54 Sitze. Die Schlusslichter bilden die Grünen mit 52, die Fraktionslosen mit 45 und die Linken mit 36 Plätzen im Parlament. Insgesamt erhielten die EVP und S&D mehr Plätze als prognostiziert, wohingegen die ID und die Fraktionslosen deutlich schlechter abschnitten.

Deutsch-Französische Verteidigungspolitik

Welche Auswirkungen werden die Wahlergebnisse auf einzelne Bereiche haben, beispielsweise auf die zukünftige Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union? Da Deutschland und Frankreich die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten stellen, stehen sie hier besonders im Fokus.

In Deutschland wurden seit Februar 2022 mehr als 27,8 Milliarden Euro für die Unterstützung der Ukraine bereitgestellt. Zudem verpflichteten sich Deutschland, Frankreich und Polen im Januar 2024, die Rüstungsproduktion zu erhöhen, um der Ukraine mehr Waffen zu liefern. Die CDU/CSU, welche bei den Europawahlen die stärkste Kraft in Deutschland wurde, setzt auf eine Politik der Solidarität mit der Ukraine, insbesondere im Bereich der Rüstung und Verteidigung. Seit Beginn des Krieges möchte sie die Hilfen verstärken. Dazu fordert sie die deutsche Bundesregierung auf, mehr Waffen, Panzer, Flugzeuge und Raketen an die Ukraine zu liefern und damit eine bessere Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu ermöglichen.

Seit Februar 2022 hat Paris Hunderte von Raketen und Panzern nach Kiew geliefert. Der Gesamtbetrag der militärischen Ausrüstung beläuft sich auf einen Wert von mehr als drei Milliarden Euro. In Frankreich bremste die Partei Rassemblement National mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Jordan Bardella bei dem Thema. Im März 2024 enthielt sich Rassemblement National der Stimme in der Nationalversammlung über die gewünschte Unterstützung Frankreichs für die Ukraine. Seit Beginn des Krieges schwankte Bardellas Partei. Sie verurteilte zwar die russische Offensive, blieb aber zweideutig gegenüber einer Lieferung von Waffen an Kiew. Die Nationalversammlung, die seit mehreren Jahren der Verschwörung mit der russischen Regierung beschuldigt wird, und kürzlich verdächtigt wurde, die Bedingungen des Kremls in Bezug auf die Ukraine übernommen zu haben, hat sich gegenüber dem Krieg diskret gezeigt. Nachdem die Nationalversammlung mit mehr als 31 Prozent der Stimmen gewonnen hat und nun mit 30 Abgeordneten ins Europäische Parlament einziehen wird, ist davon auszugehen, dass die Entscheidungen über den Krieg in der Ukraine von der rechtsextremen Partei stark beeinflusst werden.

Zukünftige Bündnisse

Laut Prognose wird es in Zukunft eine gestärkte EVP-Fraktion im Europäischen Parlament geben. Eine Fortsetzung der Koalition mit den Sozialdemokraten und der Renew Europe soll weiterhin möglich sein. Jedoch wären auch Allianzen der EVP mit den Fraktionslosen, welche deutlich rechts der Mitte sind, denkbar. Vermutlich aber können auch in Zukunft Mehrheiten mit Parteien der Mitte erzielt werden, trotz des befürchteten Rechtsrutsches.

Die Artikelserie Europawahl im Blick: Junge Stimmen aus Frankreich und Deutschland entstand im Rahmen des deutsch-französischen Wahlbeobachtungsseminars der Schwestervereine BILD-GÜZ. Während der Europawahl trafen sich fünf Tage lang junge Erwachsene aus Deutschland und Frankreich in Brüssel, um mit Akteuren des politischen Lebens Europas zu diskutieren und ihre Eindrücke in einer Reihe von Artikeln festzuhalten. Das Wahlbeobachtungsseminar wurde in Kooperation mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk, DokDoc.eu und dem Pressenetzwerk für Jugendthemen e.V. durchgeführt.

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