Die europäischen Bemühungen um Frieden in Kolumbien: Alle vergeblich?

, von  Sebastián Mendoza, übersetzt von Hannah Luisa Faiß

Die europäischen Bemühungen um Frieden in Kolumbien: Alle vergeblich?
Blick auf Baranquilla. Foto: Pixabay / ErickSalasA / Pixabay Lizenz

Kolumbien ist nicht nur das Land Pablo Escobars, sondern heute vor allem geprägt von seinem Erbe. Drogenschmuggel, Morde, Kidnapping, Bombenanschläge und bewaffnete Vertreibungen prägen das tägliche Leben eines Landes, das trotz einer Friedensvereinbarung mit der blutigsten Guerillagruppe in der westlichen Hemisphäre immer noch in einer Welle von Gewalt feststeckt, die noch lange nicht vorbei ist.

Im vergangenen Januar, den 17., trug sich eine der scheußlichsten Gewalttaten der letzten Jahre mitten im Herzen von Kolumbiens Hauptstadt zu. Ein Guerillakämpfer der Armee der Nationalen Befreiung (ELN) sprengte sich selbst vor der General Santander-Militärschule in Bogotá in die Luft, während er in einem Auto voller Sprengstoff vorbei fuhr. Die terroristische Attacke kostete 22 Menschen ihr Leben und hinterließ mehr als 80 Verletzte.

Laut des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung starben allein im vergangenen Jahr 12 458 Menschen durch Gewalt in Kolumbien. Das entspricht 24,9 Opfern pro 100.000 Einwohner*innen und ist damit eine der höchsten Raten der Welt. Nur zum Vergleich: In Europa belegt die Ukraine Platz eins dieser traurigen Rangliste mit einer Zahl von 1.130 Morden. Der besorgniserregendste Punkt dabei ist, dass, laut der kolumbianischen Staatsanwaltschaft, nur 29 Prozent der Morde aufgeklärt werden konnten. Das ist ein deutliches Symptom für einen Staat mit wenig Handlungskapazitäten.

Der Versuch, den internen bewaffneten Konflikt, der schon über 50 Jahre andauert und acht Millionen Opfer forderte, zu beenden, brachte die Regierung des ehemaligen Präsidenten Juan Manuel Santos und die kommunistische Guerillagruppe Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) an einen Tisch zusammen, um eine Lösung des Konflikts zu verhandeln.

Norwegen, und auch Kuba, spielten vermittelnde Rollen während dieser Verhandlungen und in Oslo begannen sogar die ersten offiziellen Gespräche. Der skandinavische Staat versetzte auch seine Botschaft von Caracas, Venezuela, nach Bogotá, als Zeichen seines Interesses den transitorischen Prozess Kolumbiens eng zu begleiten.

Europas Rolle beim Versuch einen dauerhaften Frieden im Land zu erschaffen, war besonders stark. Laut der Europäischen Kommission für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung investierte die Europäische Union seit 2000 ca. 1,6 Milliarden Euro in die Bildung von Friedensaktivitäten, vor allem im ländlichen Raum, um die Landwirtschaft, Zivilrechte, Nachhaltigkeit, Erwerbstätigkeit, Umweltschutz, Sicherheit und Demokratie zu stärken. Sie unterstützte auch die Einrichtung eines Europäischen Treuhandfonds mit dem Ziel das Friedensabkommen umzusetzen und das Land zu stabilisieren nach Ende des Konflikts.

Allerdings ist Kolumbien noch weit davon entfernt ein friedliches Land zu sein. Der Hauptgrund? Kokain. Nach einem kürzlich erschienenen Bericht der Vereinten Nationen stammen 68,5 Prozent der Kokablätterernte, das Rohmaterial von Kokain, aus Kolumbien, was das Land weltweit zum Hauptproduzenten und –exporteur der Substanz macht.

Als Lösung für das historisch gewachsene Problem war der Anbau von anderen Agrarprodukten gedacht, wie Ananas, Kakao oder Kochbananen, anstelle der Kokablätter. Tatsächlich hat die Europäische Union im Zuge der Schaffung des Fonds zur Unterstützung Kolumbiens in der Zeit nach des Konflikts, Millionensummen für die Einrichtung von 20 ländlichen Projekten dieser Art bereit gestellt. Allerdings sind die Gewinnpreise für diese Produkte viel geringer als das, was Kriminelle für Kokablätter bezahlen.

Laut einer Studie der Universidad de Los Andes Kolumbien, verdient ein*e Produzent*in von Kokablättern durchschnittlich 13 Millionen Pesos (3.656 Euro) pro bepflanztem Hektar Land, während ein Hektar Kakao nur ca. 3,5 Millionen Pesos (1000) Euro einbringt.

Das ist der Grund weshalb beschlossen wurde, dass der kolumbianische Staat Kleinbäuer*innen, die freiwillig diese Projekte unterstützten, Subventionen zukommen lassen sollten, um die Umstellung auf andere Agrarprodukte attraktiver zu gestalten. Allerdings wurden diese Zusagen häufig nicht beachtet und tausende von Familien haben noch immer nicht die erste Unterstützungsleistung erhalten.

Noch ernster ist die Lage in 52 Gemeinden des Landes, in denen die freiwilligen Umkultivierungsprojekte ausgeführt werden und seitdem eine Welle von Gewalt erfahren als Erpressungsmaßnahme gegen Kleinbäuer*innen erfahren, die den Anbau von Kokablättern aufgeben. Allein in der Stadt Tumaco, wo sich 20 Prozent von Kolumbiens Koka befinden, fand 2017 ein Anstieg von Morden um 17 Prozent statt wie die kolumbianische Staatsanwalt verlauten ließ. Diese Zahlen machen die Stadt im südwestlichen Kolumbien zum Ort mit der höchsten Mordrate des Landes: 70 pro 100.000 Einwohner*innen – das ist drei Mal mehr als der nationale Durchschnitt.

2016 machte Kolumbien weltweit Schlagzeilen, weil es scheinbar endlich den längsten bewaffneten Konflikt in der westlichen Hemisphäre mit der terroristischen Gruppe FARC beendet hatte. Das brachte dem damaligen Präsidenten Juan Manuel Santos sogar den Friedensnobelpreis für seine Bemühungen um ein Ende des kolumbianischen Konflikts.

Nun aber, zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens, bleibt die politische Partei des aktuellen Präsidenten Ivan Duque die Hauptgegnerin der ausgehandelten Friedenslösung. Erst vor Kurzem sagte er unilateral die Dialoge ab, die die vorherige Regierung mit der ELN Guerilla ausführte während er gleichzeitig seinen Wunsch wiederholte, die mit der FARC erreichten Vereinbarungen zu annullieren.

Frieden scheint für Kolumbien mehr ein weit entfernter Wuschtraum zu sein als eine reale Möglichkeit. Europa und die ganze Welt werden nun warten müssen um zu sehen, ob ihre unterstützenden Bemühungen um Frieden in dem Land Effekte zeigen oder ob der bewaffnete Konflikt stattdessen weiterhin die Leben von Millionen durch Drogen und Gewalt prägt.

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