Neue Übersetzung: L’intégration européenne de la Suisse: un désaccord bien compris

Die europäische Integration der Schweiz: Eine wohlverstandene Meinungsverschiedenheit

, von  Le Courrier d’Europe, Oskar Wernitz, Tom Krejci

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Die europäische Integration der Schweiz: Eine wohlverstandene Meinungsverschiedenheit
Diskussion zwischen Ignazio Cassis, rechts, und Maroš Šefčovič. © Commission européenne

Obwohl sich die Schweiz geographisch im Herzen Europas befindet, hat sie sich für eine gesonderte Form der Integration in die Europäische Gemeinschaft entschieden. Denn obwohl sie nicht Mitglied der Europäischen Union (EU) ist, hat die Schweiz durch mehrere bilaterale Abkommen enge Bindungen mit den Rest Europas aufgebaut.

Diese Abkommen umfassen verschiedenste Bereiche wie die Wirtschaft, die Forschung sowie die Mobilität und haben die komplexe Beziehung der Schweiz zu den europäischen Institutionen mitgeformt. 2023, zwei Jahre nach dem Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen (Instiutionelles Abkommen, InstA), entschied sich die Schweiz für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Europäischen Union. Die EU strebt an, sich bis Ende des Jahres auf ein Abkommen über eine engere Zusammenarbeit mit der Eidgenossenschaft zu einigen.

Die europäische Integration der Schweiz – eine epochale Geschichte

Dank ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ist die Schweiz signifikant an der europäischen Integration beteiligt. Derzeit sind neben der Schweiz auch Island, Norwegen und der Nachbarstaat Liechtenstein, Teil dieses integrativen Zusammenschlusses. Jedoch waren auch mehrere andere europäische Länder Mitglieder dieser Vereinigung, insbesondere Großbritannien, Dänemark und Schweden, welche sodann alle die Entscheidung trafen, der Europäischen Union beizutreten.

Einerseits zielt die EFTA, eine von der EU unabhängige Organisation, hauptsächlich darauf ab, den Freihandel zwischen ihren Mitgliedern mit der EU zu fördern. Heute und seit dem Austritt Großbritanniens, das eine Mitgliedschaft in der EU vorzog, ist die Schweiz ein wichtiger Akteur der EFTA. Durch bilaterale Abkommen erhält die Schweiz einen privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt, wobei sie gleichzeitig ihre politische Autonomie, insbesondere in Form der Weiterverwendung der Schweizer Franken, beibehält. Andererseits hat sich die Schweiz, obwohl sie geografisch im Herzen Europas liegt, dafür entschieden, außerhalb der EU zu bleiben. Obwohl die bilateralen Abkommen wirtschaftliche Vorteile bieten, sind einige der Ansicht, dass sie Kompromisse mit sich bringen, die den Einfluss der Eidgenossenschaft auf die Entscheidungen der EU beschränken. Diese müsste die Schweiz umsetzen, um eben diese Abkommen zu erhalten. Dieses Paradoxon ergibt sich somit aus der Bedeutung, die die Schweiz ihrer nationalen Souveränität beimisst. Diese Priorität steht natürlich in einem Spannungsfeld mit den Forderungen nach einer tieferen Integration in die EU.

Die Tatsache, dass die Schweiz Teil der EFTA ist und enge Beziehungen zur EU unterhält, ohne selbst Mitglied zu sein, verdeutlicht die Widersprüchlichkeiten ihrer europäischen Integration. Sie genießt die wirtschaftlichen Vorteile des Binnenmarkts und bewahrt gleichzeitig ihre politische Unabhängigkeit, wodurch sie zwischen nationaler Souveränität und den Vorteilen einer stärkeren Integration in die EU pendelt. Dies verdeutlicht die Komplexität der Herausforderungen, mit denen die Schweiz im Bereich der europäischen Integration konfrontiert ist

Die politischen Beziehungen zur Europäischen Union: Spannung und (Un)Einigkeit

Die Schweiz kann diese einzigartige Beziehung zur EU trotz ihres Status als Nicht-EU-Land insbesondere dank mehrerer bilateralen Abkommen aufrechterhalten. Die wichtigsten Abkommen sind die Abkommen I und II

Die bilateralen Abkommen I, die nach ihrer Unterzeichnung 1999 seit 2002 in Kraft sind, umfassen Bereiche wie die Personenfreizügigkeit mit dem Freizügigkeitsabkommen (FZA), den Luftverkehr, die Landwirtschaft, die Forschung und das öffentliche Beschaffungswesen. Diese Abkommen ermöglichen es der Schweiz als Nichtmitgliedsstaat, an bestimmten Bereichen des EU-Binnenmarktes teilzunehmen, und fördern so vor allem stärkere wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der Schweiz und der EU.

Die bilateralen Abkommen II, die nach ihrem Abschluss im Jahr 2004 sodann 2009 in Kraft traten, erweiterten die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU. Sie behandelten hauptsächlich Themen wie innere Sicherheit, Umwelt, Steuern und die Schweizer Beteiligung an europäischen Forschungs- und Bildungsprogrammen. Trotz der durch diese Abkommen ermöglichten wirtschaftlichen und kooperativen Vorteile, bleiben sie in der Schweiz hochdiskutiert. Einige Befürworter*innen einer stärkeren europäischen Integration sind der Ansicht, dass diese Abkommen der Schweiz nicht genügend Einfluss auf die Entscheidungen der EU ermöglichen, wohingegen eine Mitgliedschaft in der EU einen stärkeren Einfluss auf die Richtlinien und Verordnungen bieten würde. Gegner*innen des Beitritts befürchten hingegen, dass dieser die schweizerische Souveränität schwächen und das Land dazu zwingen könnte, EU-Rechtsakte umzusetzen, ohne an deren Erarbeitung mitwirken zu können. So sind die bilateralen Abkommen I und II Grundpfeiler der Beziehungen Schweiz-EU und ermöglichen der Schweiz eine teilweise Teilnahme am europäischen Binnenmarkt, wobei sie jedoch ihre politische Unabhängigkeit bewahrt. Diese Abkommen veranschaulichen die Herausforderungen und Kompromisse, die die Schweiz verwalten muss, um eine enge Beziehung zur EU aufrechtzuerhalten, ohne Mitgliedstaat zu werden.

Kälte im Beitrittsprozess, ein Funke in den Verhandlungen?

Der Schweizer Bundesrat hatte angekündigt, dass ein Verhandlungsmandat mit der Europäischen Union (EU) bis Ende 2023 vorliegen soll, zwei Jahre nach dem abrupten Ende der Verhandlungen über das Rahmenabkommen.

Im Jahr 2021 hatte die Schweiz die Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen, was in der Folge zu Spannungen zwischen dem Land und der EU führte. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen im Jahr 2022 betrifft potenzielle Abkommen in Bereichen wie Elektrizität, Finanzregulierung und wissenschaftliche Forschung. Der Bundesrat versucht aktuell, die Wiederaufnahme der Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, die innenpolitische Uneinigkeit könnte aber die Konsensfindung erschweren. Die Verhandlungen beinhalten Gespräche mit der EU und interne Verhandlungen, um günstige politische Koalitionen aufzubauen.

Der Besuch von Emmanuel Macron Ende 2023 in der Schweiz zielte darauf ab, „die Tiefe der Beziehungen“ mit Frankreich, aber auch mit der Europäischen Union „zu bekräftigen“. Zur Erinnerung: Der offizielle Besuch Frankreichs fand in einer Zeit statt, in der die französisch-schweizerischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt angelangt waren, abgekühlt durch Berns Entscheidung, amerikanische Kampfflugzeuge auf Kosten der französisch-europäischen Militärausrüstung zu kaufen. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass über 69% der Schweizer Importe aus der EU stammen und 50% der Schweizer Exporte in die EU gehen, was beide Seiten motiviert, neuen Schwung in die Verhandlungen über das Rahmenabkommen zu bringen

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