13 Jahre sind ins Land gegangen, seitdem sich die EU-Mitgliedstaaten erstmals in ihrer Geschichte auf gemeinsame strategische Interessen ihrer Außen- und Sicherheitspolitik einigten. Aber zum Zeitpunkt der Europäischen Sicherheitsstrategie war alles anders:
– EU und NATO schienen das Ende der Geschichte errungen zu haben, indem die Sowjetunion 1992 implodierte - und mit ihr vermeintlich alle Ordnungsmodelle, die dem liberalen Demokratiemodell widersprachen.
– Der Vertrag über eine Verfassung in Europa war unterzeichnet, die Europäische Nachbarschaftspolitik gestartet und erste Missionen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik entsendet.
– Die USA genossen Unipolarität und begannen, Demokratie in Afghanistan und im Irak zu verbreiten.
Sicherheitspolitische Schönwetterzeiten sind vorbei
Heute wissen wir: all das war lediglich die Ruhe vor dem Sturm. Die unipolare Weltordnung der Amerikaner ist Schnee von gestern, China steigt zur Weltmacht auf, Russland tritt die internationale Ordnung mit Füßen und der Arabische Frühling hat nicht zu Demokratie, sondern zu Kriege, Krisen und Konflikten geführt. Unterm Strich ist die Welt des 21. Jahrhunderts sowohl unsicherer als auch unvorhersehbarer geworden. Hierfür sind drei Gründe verantwortlich.
Erstes folgt auf die bipolare Weltordnung des Kalten Krieges und die unipolare Weltordnung der Amerikaner in den 90er Jahren kein - vielerorts prophezeites - multipolares Ordnungsmodell. Denn Polarität setzt die geordnete und ausgeglichene Verteilung von Macht voraus. Heute ist das Gegenteil der Fall. Vielmehr muss von einem Multi-Cluster-Modell die Rede sein, indem einzelne Akteure bestimmte Politikbereiche federführend gestalten.
Zweitens ist anstelle des antizipierten Multilateralismus eine Art Minilateralismus getreten, der sich bevorzugt in Länderkoalitionen, wie den G7, G20, G77 oder den BRIC-Staaten, äußert.
Drittens zeichnet sich die Sicherheitsarchitektur des 21. Jahrhunderts durch einen Multi-Level-Ansatz aus. Mehr als jemals zuvor nehmen individuelle Gruppen und die Zivilgesellschaft Einfluss auf politische Entwicklungen. Begleiterscheinungen der Globalisierung, wie die weltweite Vernetzung durch das Internet und die steigende Mobilität, befeuern diese Entwicklung. Am Beispiel der Maidan- und der Tahir-Bewegung zeigt sich, wie sehr dadurch autoritäre Regime herausgefordert werden können. Andererseits führt diese Entwicklung zu einer größeren Verwundbarkeit in den Bereichen des internationalen Terrorismus und der Cyber-Kriminalität.
Trotz Vertiefung kein Fortschritt der EU
Trotz Vertiefung der europäischen Integration durch den Vertrag von Lissabon hat es die EU nicht geschafft, diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Denn das zentrale Ziel der Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2003 bestand darin, einen Ring stabiler Staaten um die EU zu bilden. Trotz über 30 entsendeter Missionen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, institutionellen Innovationen und Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen muss man kein Experte sein, um nüchtern zu konstatieren, dass die EU dieses Ziel nicht erreicht hat. Für die Neufassung der Europäischen Sicherheitsstrategie bleibt zu hoffen, dass EU-Entscheidungsträger dieser Realität ähnlich schonungslos ins Auge blicken. Instrumente wie die Europäische Nachbarschaftspolitik und das Instrument für Stabilität sowie Politikbereiche der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Gemeinsamen Sicherheits-und Verteidigungspolitik müssen in Frage gestellt werden.
Was bleiben muss, ist das Ziel, einen Ring stabiler Staaten um die Union zu bilden. Denn im 21. Jahrhundert endet unsere europäische Nachbarschaft nicht in Libyen, der Sinai-Halbinsel oder dem Schwarzen Meer. Sie beginnt dort noch nicht einmal, da durch Migration, ausländische Direktinvestitionen und hausgemachten Terrorismus ehemals externe Faktoren der Sicherheitspolitik zu internen geworden sind. Als Javier Solana die Europäische Sicherheitsstrategie 2003 veröffentlichte, setzte sich die EU das Ziel, Stabilität zu exportieren. Heute läuft sie Gefahr, Instabilität zu importieren. Dieser Herausforderung muss Federica Mogherini jetzt gerecht werden. Im Idealfall besser als ihre Vorgänger.
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