Die Datenschutz-Grundverordnung: Symbol eines funktionierenden Europas

, von  Geoffrey Besnier, übersetzt von Lea Keßler

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Die Datenschutz-Grundverordnung: Symbol eines funktionierenden Europas

Am 25. Mai trat die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft, die einen gigantischen Einfluss auf das Privatleben der EU-Bürgerinnen und -Bürger hat. Sie ist aber vor allem ein Symbol dafür, was ausschließlich in Europa möglich ist und nicht auf nationaler Ebene verwirklicht werden kann.

Die DSGVO ist nicht wie andere europäische Gesetze. Das liegt daran, dass Du sehr wahrscheinlich schon einmal von dieser Verordnung gehört hast, insbesondere nachdem dein E-Mail-Postfach in den letzten Wochen mit „Aktualisierungen der Datenschutzrichtlinien gemäß der DSGVO“ bombardiert wurde. Aber das aus gutem Grund: Durch die neuen Rechte, die den Bürgerinnen und Bürgern eingeräumt werden, und die Pflichten, die dadurch für Unternehmen und Organisationen entstehen, werden alle dazu verpflichtet, sich an neue Datenschutzstandards anzupassen.

Das heißt wir sprechen über Europa ohne dass die Kommission Millionen für eine Werbekampagne ausgibt, ein Treffen der EU-Regierungschefs in Brüssel stattfindet oder eine Online-Petition versucht, den nicht pasteurisierten Camembert vor einem Angriff durch nicht demokratisch legitimierte Eurokraten zu beschützen.

Privatleben: ein Grundrecht

In Brüssel genau wie in allen anderen Hauptstädten, wo europäische Gesetzgebung diskutiert wird, war man sich einig: “Wir müssen die Verbraucher schützen ohne die Möglichkeit der Wirtschaft zur Innovation einzuschränken. Der Großteil der Gesetzesvorhaben, die zum Ziel haben, den Wirtschaftssektor zu regulieren sind Kompromisse zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite der Verbraucherschutz und auf der anderen Seite die Innovation, das Synonym des Wirtschaftswachstums.

Die Debatte über den Schutz von persönlichen Daten macht sich aus einem ganz simplen Grund von diesem zweiseitigen Grundsatz frei: Der Schutz des Privatlebens und persönlicher Daten sind durch Grundrechtecharta der Europäischen Union festgeschrieben. Sie sind in den Artikeln 7 und 8 zwischen dem Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie dem Recht zu heiraten und eine Familie zu gründen vorzufinden.

Andere Überlegungen, die nicht die Grundrechte betreffen – beispielsweise wirtschaftliche – kommen daher an zweiter Stelle. Die DSGVO ist ein praktisches Werkzeug, mit welchem die durch unsere Verträge festgelegten Grundsätze in die Praxis umgesetzt werden. Damit wird eine starke Nachricht an alle Europäer gesandt: Eure Grundrechte werden respektiert und die Europäische Union ist der Garant dafür.

Eine Wiederherstellung des Vertrauens in die neuen Technologien?

Aber bedeutet die Zweitrangigkeit des wirtschaftlichen Gedankens während der Debatte über Grundrechte, dass die DSGVO der europäischen Wirtschaft schadet? Eigentlich könnte der technische Sektor in Europa – den übertriebenen Protesten der Verordnungsgegner zum Trotz - sogar davon profitieren. Während der Abwesenheit von Regulierung konnten die neuen Medien auch aufgrund wiederholter Skandale (Prism, Cambridge Analytica), Cyber-Attacken und Datenlecks (Yahoo, WannaCry) nicht das Vertrauen ihrer Nutzer gewinnen. Einem im Dezember 2017 veröffentlichten Harris Interactive Barometer (Umfrage eines französisches Meinungsforschungsinstitut) zufolge ist das Vertrauen in Online-Dienste seit 2009 konstant auf einem niedrigen Niveau gewesen. Die Hauptängste, die die Befragten im Bezug auf ihre persönlichen Daten äußerten, waren, dass sie für Werbezwecke genutzt werden könnten und das Risiko, gehackt zu werden.

Da die Unternehmen es nicht eigenständig geschafft haben, ausreichende Garantien zu bieten, nahm sich der Gesetzeber dessen an, um das Vertrauen der Verbraucher wiederherzustellen, was die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Technologien ist. Die DSGVO sollte nicht als Einschränkung der Unternehmen angesehen werden. Sie ist erforderlich, damit die Konsumenten sich auf ihre zukünftigen Angebote einlassen können. Die Regulierung stellt daher vor allem eine Chance für diejenigen dar, die sie befolgen. Abgesehen von den vorgesehenen Bußgeldern und Sanktionen, die durch das Nichtbefolgen der Verordnung entstehen, teilt die DSGVO auch die „guten“ von den „schlechten Schülern“, was einen beispiellosen Einfluss auf die Entscheidungen der Konsumenten und Firmen beim Auswählen eines Anbieters haben wird. Der Schutz des Privatlebens wird deshalb nicht zur Behinderung, sondern ganz im Gegenteil sogar ein wirtschaftliches Argument.

Die Europäische Union: Weltmeister der digitalen Regulierung

Das Beachtenswerteste an den neuen Regelungen ist wahrscheinlich ihre Größenordnung. Die Verordnung betrifft Datenverarbeitung, die von irgendeiner Organisation (Unternehmen, Vereinigungen etc.), die Angelegenheiten innerhalb der EU abwickelt, durchgeführt wird, und die Verarbeitung von Personaldaten, die Personen betreffen, die sich auf EU-Territorial befinden. Daher muss jede Firma, die digitale Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt der EU anbieten möchte, unabhängig davon, wo sie sich befindet, die Regelungen befolgen, um nicht zu riskieren, keinen Zugang zu einem Markt von 50 Millionen Konsumenten zu erhalten.

Tatsächlich werden die Auswirkungen der DSGVO noch größer sein. Für viele Unternehmen ist es einfacher, alle ihrer weltweiten Aktivitäten gemäß der DSGVO anzupassen. Das kommt daher, dass das Errichten zweier unterschiedlicher Systeme abhängig vom Ursprung der Daten weitaus teurer wäre oder aber um mehr Rechtssicherheit zu haben. Beim Lesen des Communiqué von Microsoft, wo man sich für die Anwendung der europäischen Datenschutzrichtlinien für alle ihrer User entschieden hat, wird schnell klar, dass dies lediglich einen Kommunikationshintergrund hatte. Wie hätte Microsoft vor seinen Nutzern außerhalb der EU rechtfertigen können, dass sie zu Nutzern zweiter Klasse werden?

Die Europäische Union ist gerade dabei, einen globalen Standard für Online-Regulierung zu setzen. Nachdem die EU bereits unter Wettbewerbsgesichtspunkten Steuern von Internetgiganten einforderte, zwingt sie sie nun dazu, die Bürgerinnen und Bürger zu respektieren – und das nicht nur innerhalb Europas.

Ein Schritt in die Zukunft des europäischen Projekts

Natürlich ist der Schutz des Privatlebens ein unvollendeter Prozess. Bald wird das europäische Gesetzesvorhaben ePrivacy, das derzeit in Parlament und Ministerrat diskutiert wird, die Sicherheit elektronischer Kommunikation erhöhen. Auch die Entwicklung neuer Technologien wie zum Beispiel Blockchains oder künstlicher Intelligenz werden zu einem bestimmten Zeitpunkt erneute Anpassungen der Regulierungen erfordern, aber das sind auch immer Chancen zur Verbesserung.

Das europäische Projekt wurde geschaffen, um Frieden zu gewährleisten und wurde zum Zwecke des wirtschaftlichen Wohlstandes vertieft. Damit das Projekt weiterhin eine Chance hat, fortzubestehen, muss es seine Bürgerinnen und Bürger schützen. Der Schutz unseres Privatlebens stellt somit auch einen essentiellen Schritt in Richtung der dringend notwendigen Erneuerung der Europäischen Union dar.

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