Deutsche Bundeswehr – Werte der Inneren Führung trotzen dem schlechten Image

, von  Mona Schmidt

Deutsche Bundeswehr – Werte der Inneren Führung trotzen dem schlechten Image
Innere Führung ist europaweit ein Alleinstellungsmerkmal der Bundeswehr. (Foto: Bundeswehr in Afghanistan) Foto: Wir.Dienen.Deutschland / Flickr/ CC BY-ND 2.0 - Lizenz

Die deutsche Sicherheitspolitik und die Deutsche Bundeswehr machen in vielen Medien besonders durch negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Egal ob defekte Hubschrauber, der Einsatz von deutschen Panzern in der Türkei oder ein fragwürdiges Traditionsverständnis – die Liste der Kritikpunkte ist lang. In einem Punkt nimmt die Bundeswehr jedoch eine Vorreiterrolle auf dem europäischen Parkett ein und zeigt, dass Werte und demokratische Rechte eine wichtige Rolle spielen.

Die negativen historischen Erfahrungen aus dem Kaiserreich, der Weimarer Republik und aus dem zweiten Weltkrieg sollten nicht ohne Folge für die neu eingeführte Bundeswehr bleiben. Daher wurde das Zentrum Innere Führung 1956, ein Jahr nach der offiziellen Einführung der Bundeswehr, errichtet. Es integriert Streitkräfte sowohl in den Staat als auch in die Gesellschaft und prägt das soldatische Leitbild „Staatsbürger in Uniform“. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Soldat*innen nicht wie im zweiten Weltkrieg als Untertanen der Führungsebene Befehle anstandslos ausführen müssen, sondern ebenso demokratische Rechte einfordern können. Demokratie, Freiheit und Menschenrechte gelten sowohl für zivile Bürger*innen als auch für Soldat*innen.

Zentrum Innere Führung als Herzstück einer wertgeleiteten Bundeswehr

Das war nicht immer der Fall: Vor und während des Zweiten Weltkrieges stand der Gehorsam an erster Stelle, Eigenverantwortlichkeit und Gewissen sollten aus dem Soldatenleben ausgeblendet bleiben. Wie wir wissen waren die Konsequenzen dieser Armeeführung fatal. Heute sollen Soldat*innen als Staatsbürger*innen in Uniform ihre freie Persönlichkeit entfalten können, aber gleichzeitig einsatzbereit sein. Für die Einsatzbereitschaft spielen in der Bundeswehr Kommandos und Befehle eine zentrale Rolle, da sie die Funktionsfähigkeit und Effektivität von Aufträgen gewährleisten. Allerdings ersetzen Befehle und Gehorsam der Soldat*innen nicht ihr eigenes Mitdenken. Befehle, die keinen dienstlichen Zweck erfüllen, die Menschenwürde verletzen oder unzumutbar sind, müssen nicht ausgeführt werden. Das eigene Gewissen und Verantwortungsbewusstsein werden also ebenfalls gefordert. Was heutzutage selbstverständlich sein sollte, war zu Beginn der Bundeswehr ein absolutes Novum.

Rechte und Pflichten von Soldat*innen werden im Zentrum Innere Führung definiert und gelehrt. Die Menschenführung ist dabei ein zentrales Thema. Beispielsweise werden Führungskräfte der Bundeswehr hier ausgebildet, welche eine werteorientierte Führung vorleben sollen. Ebenso zählt Politische Bildung zu den Aufgaben des Zentrums, sodass Soldat*innen „ (...) ihre Kenntnis der Werte und Normen des Grundgesetzes (...) vertiefen, damit sie den Sinn und die Notwendigkeit ihres Dienstes für Frieden, Freiheit und Recht besser verstehen und anerkennen.“ Das Weißbuch der Bundesregierung (zuletzt von 2016) gilt als politischer Leitfaden der Inneren Führung und liefert zudem die Handlungsvorgaben für die Bundeswehr. Es definiert die Innere Führung als „Kern des Selbstverständnisses der Bundeswehr“.

Kritische Auseinandersetzung explizit erwünscht

Auch wenn die Bundeswehr finanzielle und personelle Defizite aufweist, zeigt sie seit ihrem Bestehen die kritische Auseinandersetzung mit den Rechten und Pflichten der Soldat*innen. Im vergangenen Jahr entfachte eine Diskussion über den Umgang mit militärhistorischen Zeugnissen, insbesondere über den Gebrauch und die Ausstellung von Gegenständen der Wehrmacht. Auslöser dafür war unter anderem der Fall eines rechtsradikalen Soldaten, der wegen Terrorverdachts angeklagt wurde. Im Zuge der Traditionsdebatte reagierten die Politik und infolgedessen auch das Zentrum Innere Führung mit verschiedenen Maßnahmen. So wurde beispielsweise eine Ansprechstelle für militärhistorischen Rat eingeführt, die Leiter innerhalb der Bundeswehr über den Umgang mit historischen Stücken berät. Außerdem wurde ein neuer Traditionserlass entworfen, in welchem Richtlinien über den Traditionsumgang festgelegt sind. Der neue Erlass soll die Richtlinien von 1982 ersetzen und den Fokus auf die sechzigjährige Bundeswehrgeschichte setzen. Zudem wird betont, dass Zeugnisse aus vergangenen Armeen nur als traditionsreich anerkannt werden, sofern sie mit den heutigen demokratischen Prinzipien übereinstimmen und sinnstiftend sind. Der Erlass soll noch in diesem Frühjahr in Kraft treten. Die Reaktionen auf die Traditionsdebatten zeigen, welchen Stellengrad die Wertekultur innerhalb der Bundeswehr hat. Damit auch in Zukunft ein Augenmerk auf die demokratischen Rechte und Werte der Bundeswehr gelegt wird, sollte das Zentrum Innere Führung an Bedeutung gewinnen. Ein Blick auf andere europäische Länder lässt das Modell der Inneren Führung, auch aufgrund der deutschen Geschichte, einzigartig erscheinen. Das ist auch der Grund dafür, warum die Bundesregierung als Verfasser des Weißbuches in dem Modell der Inneren Führung eine Grundlage zur Etablierung eines europäischen Führungsverständnisses vorsieht. Die zukünftige Bedeutung der Inneren Führung wird demnach wachsen. Nichtsdestotrotz können und müssen die Effektivität und die Aufgaben des Zentrums Innere Führung stetig hinterfragt werden, sodass Missstände aufgezeigt und verbessert werden. Eine lebhafte Debatte bestärkt zudem das demokratische Prinzip der Bundeswehr und sollte somit stets aufrecht erhaltet bleiben.

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