Die extremen Parteien basieren in allen Ländern auf einer nationalistischen Ideologie, und wenden sich gegen ein föderalistisches Europa und eine „bestrafende Ökologiepolitik“. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die aktuelle europäische Politik in der Lage ist, auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Grund genug für einen Blick in die Programme des französischen RN und der deutschen AfD zum Thema Ökologie.
Übersicht der Positionen in vier Punkten
- Woher kommt der Klimawandel? Die AfD ist der Ansicht, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist, sondern eine natürliche Erscheinung. Um den Klimawandel zu bekämpfen, schlägt die Partei zum Beispiel vor, die Städte zu begrünen: Also Schadensbegrenzung ohne Ursachenbekämpfung. Die RN hingegen erkennt an, dass der Klimawandel durch menschliche Aktivitäten verursacht wird, spricht wirtschaftlichen Themen aber Wichtigkeit zu.
- Abschaffung des Green Deal: Die AfD möchte, ebenso wie die RN, den Green Deal abschaffen. Das Hauptziel des Green Deal ist es, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. Um dies zu erreichen, sieht der europäische Green Deal umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien wie Solar- und Windenergie vor. Da die RN der Ansicht ist, dass die europäische Ökologie die französischen Unternehmen, Produzenten und Landwirte zu stark belastet, lehnt er den Green Deal und eine Ökologie, die er als “Strafökologie” bezeichnet, ab. Letztere stellt er einer “vernünftigen Ökologie” gegenüber. Die AfD lehnt den Green Deal ebenfalls ab, allerdings, weil ihrer Meinung nach menschliche Aktivitäten keine Rolle beim Klimawandel spielen.
- Fossile und nukleare Energieträger: Die AfD beurteilt fossile Brennstoffe für Wohlstand und Fortschritt als notwendig, während sie erneuerbare Energien für unwirtschaftlich hält. Der RN ist ebenfalls der Meinung, dass ohne Kohle kein Wirtschaftswachstum mehr erzielt werden kann. Wie die AfD möchte auch der RN die Atomindustrie ausbauen, um die französische Souveränität in Energiefragen wiederzuerlangen und somit der nationalen Macht zu dienen.
- Vorfahrt für Autobahnen: Die AfD bevorzugt den Ausbau von Autobahnen gegenüber dem Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Gegensatz dazu möchte die RN den Ausbau von beidem fördern. Dabei aber hat sich zum Beispiel Jordan Bardella stark gegen das Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 ausgesprochen, ein Vorschlag, den er für absurd hält.
Das Climate Action Network hat die Wahlprogramme der Kandidaten in den Bereichen Ökologie und soziale Gerechtigkeit analysiert. Dabei ist es zu dem Schluss gekommen, dass die Vorschläge des RN ineffektiv und lückenhaft sind, vor allem in den Bereichen Kaufkraft, Landwirtschaft und Demokratie. Zudem sind ihre Vorschläge schädlich und stellen einen Rückschritt dar, vor allem in den Bereichen Natur und Gesundheit, Verkehr, Energie, Industrie und Finanzen. Obwohl sich der RN in seinem Diskurs stark auf die Kaufkraft und den Lebensstandard der Französ*innen konzentriert, bietet die Partei hier keine Lösungen an.
Interviews und öffentliche Meinungen
Während einer Umfrage in Brüssel bewerteten Bürger*innen die Bedeutung der Ökologie für ihre Wahlentscheidung auf einer Skala von 1 bis 10. Die Ergebnisse zeigen ein breites Spektrum an Meinungen. Ein 40-jähriger Belgier gab eine Bewertung von 1/10 ab, er hatte die Ökologie bei seiner Stimmabgabe nicht berücksichtigt. Am anderen Ende des Spektrums äußerte eine 40-jährige Belgierin, die sich sehr um die Umwelt sorgte.
Hinsichtlich der Veränderungen, die die extreme Rechte in Bezug auf die Ökologie bewirken könnten, herrscht Unsicherheit und Unwissen. „Ich habe keine Ahnung“, gab ein 62-jähriger Belgier zu, während eine 25-jährige Ungarin sagte, sie sei diesbezüglich wenig informiert. Eine 52-jährige Deutsche sagte: “Ich glaube nicht, dass sich die Dinge sofort ändern werden. Bei jeder neuen Zusammensetzung eines Parlaments ändern sich die Dinge in der Regel nicht so schnell. Man muss sehen, wie sich die Zusammensetzung entwickelt.” Einige sind hingegen pessimistisch und glauben, dass der Einfluss der extremen Rechten ein verheerendes Signal senden würde.
Der Aufstieg der extremen Rechten mit ihren zweideutigen ökologischen Positionen wirft viele Fragen bezüglich der europäischen Maßnahmen im Bereich der Ökologie auf. Angesichts der klimatischen Dringlichkeit könnte ihre nationalistische - und dem Klimawandel gegenüber skeptische - Politik die kollektiven Anstrengungen behindern, die zur Bewältigung dieser globalen Krise notwendig sind. Obwohl wir also noch nicht wissen, ob der Sieg der rechtsextremen Parteien im Europäischen Parlament zu einer drastischen Änderung der Politik im Bereich Ökologie und nachhaltige Entwicklung führen wird, sendet er ein äußerst negatives Signal bezüglich der Berücksichtigung der Klimadringlichkeit.
Kommentare verfolgen: |