Debatte um neue Emissionssteuer

Der CO2-Ausstoß fordert seinen Preis

, von  Alina te Vrugt

Der CO2-Ausstoß fordert seinen Preis
Eine mögliche CO2-Steuer spaltet aktuell die deutsche Parteienlandschaft. Foto: Pixabay / byrev / Pixabay License

Ein aktueller UN-Bericht prognostiziert gravierendes Artensterben. Zugleich kann Deutschland seine Klimaziele nicht einhalten und muss deshalb voraussichtlich Emissionsrechte im Wert von rund 300 Millionen Euro erwerben. Worauf warten wir noch? Die Bundesrepublik braucht eine CO2-Steuer, findet treffpunkteuropa.de-Autorin Alina te Vrugt.

In Deutschland wird eine neue CO2-Steuer diskutiert, die Unternehmen und Verbraucher*innen veranlassen soll, weniger Emissionen zu produzieren. Eine Steuer auf Treibhausgase – klingt vernünftig? Ist es auch! Trotzdem spaltet die derzeitige Debatte um die vorgeschlagene Steuer die deutschen Parteien.

Besonders die Christdemokrat*innen sind sich uneinig, welche Maßnahmen sich am besten eigenen, um die Schöpfung zu bewahren: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lehnt die neue CO2-Steuer ab und sieht sich stattdessen anscheinend dem Wirtschaftsflügel innerhalb ihrer Partei verpflichtet. Mit Blick auf die protektionistischen und rechten Tendenzen innerhalb ihrer Wähler*innenschaft, scheinen sich einige Unionspolitiker*innen um das Verhetzungspotential der CO2-Steuer-Debatte zu sorgen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hingegen hat sich gegen die generelle Linie seiner Partei gestellt und sich explizit für eine CO2-Steuer ausgesprochen, weil er auf Innovationsimpulse durch diese hofft. Und dann gibt es noch jene Unionspolitiker*innen, die eine CO2-Steuer als nur eine potenzielle Maßnahme unter vielen anderen ansehen, so zum Beispiel Fraktionschef Ralph Brinkhaus und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet.

Der Vorschlag, eine CO2-Steuer einzuführen, kommt hingegen von einer Sozialdemokratin, genau genommen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Bei ihrem Vorhaben unterstützt wird sie nicht nur von ihrer eigenen Partei, sondern auch von den Grünen. Schulze fordert mehr Mut und Verbindlichkeit in der Klimapolitik. Was sie bräuchte, um den Plan umzusetzen, wäre eine mutige Regierung.

Gegenmaßnahmen schützen vor zusätzlicher Belastung

Kritische Stimmen fürchten, die CO2-Steuer könne die Bürger*innen und insbesondere einkommensschwache Haushalte zusätzlich belasten. Sie fürchten, eine neue Steuer könnte zu Lasten derer fallen, die sich keine neue Heizung und kein neues Auto leisten können. Wenn wir auf die Straßen unseres Nachbarlandes Frankreich schauen, wird deutlich, dass diese Angst durchaus verbreitet ist: Emmanuel Macrons Ökosteuer hat landesweit massive Proteste ausgelöst. Das muss Deutschland besser machen.

Frankreich wollte mit den Einnahmen aus den zusätzlichen Abgaben seinen Haushalt sanieren. Der Druck, ökologisch nachhaltiger zu werden, kam da gerade recht und brachte eine Entschuldigung, um neues Geld in die Staatskasse zu bringen. Das geht jedoch auch anders: Wird die CO2-Steur durchgesetzt, müssen lediglich Gegenmaßnahmen ergriffen werden, die Verbraucher*innen für die Mehrkosten wieder entschädigen. Die Schweiz macht es vor: Dort werden pauschale Pro-Kopf-Rückzahlungen, generiert durch die dortige CO2-Steuer, an die Bürger*innen getätigt.

Es geht also nicht darum, dass der Staat sich an den Einnahmen bereichert. Die Belastung der Verbraucher*innen hängt allein davon ab, wie die zusätzlichen Steuereinnahmen genutzt werden. Klimabelastendes Verhalten wird mit einer CO2-Steuer schlichtweg unattraktiver. Die Verbraucher*innen zahlen zunächst den zusätzlichen Betrag auf CO2 und der Staat nimmt dadurch Geld ein. Die Einnahmen könnten unverzüglich und vollumfänglich an alle Haushalte zurückgezahlt werden. Wer eine überdurchschnittlich hohe Menge CO2 produziert, macht trotz Rückzahlungen einen Verlust. Wer wenig CO2 produziert, könnte durch die Rückzahlungen am Ende mehr Geld auf dem Konto haben.

Keine Alternativen

Die Dringlichkeit, mit der einige Politiker*innen auf die CO2-Steuer pochen, wirft die Frage auf, ob es überhaupt Alternativen zu ihr gibt: Dass es einfacher wäre, statt die Bürger*innen Raffinerien und Autohersteller*innen in die Pflicht zu nehmen, lässt sich nicht abstreiten. Aber in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass das nicht funktioniert. Im Jahr 2005 wurde der sogenannte Emissionshandel, bei dem Verschmutzungsrechte ge- und verkauft werden, innerhalb der EU eingeführt. Kraftwerke, Raffinerien, Zementwerke und andere Betriebe, die eine exorbitante Menge CO2 ausstoßen, müssen für jede Tonne CO2, die sie freisetzen, ein Zertifikat nachweisen. So wird ein marktwirtschaftlicher Anreiz geschaffen, Emissionen einzusparen: Die Gesamtzahl der Zertifikate ist begrenzt, sie können jedoch unter den Unternehmen weiterverkauft werden.

Weil der Preis für eine Tonne CO2 allerdings an seinem Tiefpunkt bei nur 2,46 Euro lag, hat sich diese Maßnahme als wirkungslos erwiesen. Damit der globale Temperaturanstieg effektiv, das heißt auf zwei Grad, begrenzt werden kann, müssten die Kosten nach Berechnungen der „High-Level Commission on Carbon Prices“ ca. 35 Euro pro Tonne betragen.

Zudem lässt der Emissionshandel den Ausstoß von Verkehr und Gebäuden außer Acht. Den Einsparungen, die im Energiesektor gewonnen werden können, stehen hohe Emissionen in diesen beiden Bereichen gegenüber. Das Bewusstsein, dass der Verkehr und das Heizen einen erheblichen Einfluss auf das Klima haben, ist bei den Bürger*innen durchaus vorhanden: Gefühlt halb Deutschland geht auf Klimademos. Aber die Vorsätze wirklich umzusetzen, das alltägliche Verhalten zu ändern, die Heizung mal ausgeschaltet zu lassen und statt des Autos das Fahrrad zu nutzen, das fällt dann doch schwer.

Veränderungen im Alltagsverhalten

Selbstverständlich leben wir alle umweltbewusst, vermeiden Müll und beziehen Ökostrom. Wer mehrmals im Jahr in den Urlaub fliegt, ist dennoch Klimasünder*in. 23,5 Millionen Menschen sind 2018 allein innerhalb(!) Deutschlands geflogen. Manche mögen dabei sogar ein schlechtes Gewissen verspürt haben. Aber so richtig weh tut das nicht, denn Fliegen ist extrem günstig, nicht zuletzt weil Kerosin bislang komplett steuerbefreit ist – im Gegensatz zu beispielsweise Tampons, auf die Frauen 19 Prozent „Luxussteuer“ bezahlen.

Das Bewusstsein ist da, die Taten sind aber noch nicht gefolgt. Die warten auf einen finanziellen Anreiz. Durchschnittlich kam 2016 jeder Mensch in Deutschland auf elf Tonnen CO2 pro Jahr, dabei ist nur rund ein Viertel davon klimaverträglich. Wieder einmal leben die Deutschen ungeniert über ihre Verhältnisse, als wäre das ganz selbstverständlich. Deshalb muss CO2 zum Luxusgut werden, das nicht wie selbstverständlich zum Alltag gehört.

Auch die Bundesregierung sollte eigentlich einen finanziellen Anreiz verspüren, die CO2-Steuer einzuführen – einen Anreiz von 300 Millionen Euro. Denn mit genau diesem Betrag rechnet die Bundesregierung für die Emissionen der Jahre 2018 bis 2020. Laut EU-Regularien müssen Länder, die ihre Klimaschutzziele nicht einhalten, im Rahmen der Lastenverteilung Emissionsrechte von anderen EU-Mitgliedsländern erwerben. Dass Deutschland seine Klimaziele zur CO2-Reduktion nicht einhalten kann, bestätigt der Klimaschutzbericht der Bundesregierung von 2018.

Deutschland wird im Jahr 2020 voraussichtlich rund 32 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 1990. Vorgenommen hatte sich die Regierung 40 Prozent. Damit muss die Bundesrepublik vermutlich zum ersten Mal für seine verfehlten Klimaziele zahlen. Mangelnder Einsatz kann ganz schön teuer werden.

Die Politik muss handeln – jetzt!

Wie der neue Bericht des Weltbiodiversitätsrats verdeutlicht, brauchen wir dringend kurzfristige und grundlegende Änderungen wie die CO2-Steuer, um den Klimawandel einzudämmen. Wenn die weltweite Temperaturerhöhung den Schwellenwert von zwei Grad Celsius überschreitet, könnte die Erderhitzung fünf Prozent der Arten auslöschen, sodass eine Millionen Tierarten in den kommenden Jahren von Aussterben bedroht und unsere Ökosysteme gefährdet sein werden. Wir haben die wissenschaftliche Grundlage, jetzt brauchen wir die politische Reaktion - in Form einer CO2-Steuer.

Wir haben schon zu viel Zeit verloren. In Zeiten, in denen „Fridays“ im Zeichen der „Future“ stehen, ist die Wählerschaft sensibilisiert. Es wird also Zeit, die Einwände von Seiten der Wirtschaft getrost beiseite zu lassen, und die Dringlichkeit einer CO2-Steuer zu erkennen. Dabei darf es nicht darum gehen, zusätzliche Einnahmen zu generieren: Das Geld muss direkt an die Bürger*innen zurückgezahlt werden. Finanzielle Anreize, CO2 zu reduzieren, sollen Verbraucher*innen und Unternehmen lediglich in eine klimafreundliche Richtung lenken.

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