Eine Frage der Geschwindigkeit
Der ehemalige US-Präsident Barack Obama formulierte es in seiner „I want you to get angry“-Rede während des Klimagipfels in etwa so: Die Zusammenarbeit verschiedener Akteur*innen auf globaler Ebene war, ist und wird immer schwer bleiben. Besonders Desinformation, Zeitdruck und Partikularinteressen erschweren das - umso wichtiger sei es, am Ball zu bleiben. Der Kampf gegen die Klimakrise sei kein Sprint, sondern ein Marathon, den man nur gewinne, wenn man Wut und Frustration in produktive Kanäle lenkt. So weit, so bekannt.
Barack Obama zitiert William Shakespeare: “What wound did ever heal but by degrees?”. Foto: Flickr UNFCCC
Die Frage ist schließlich nicht, ob die Weltgemeinschaft den Klimawandel als existenzielle Krise begreift - das tut sie bereits. Das Problembewusstsein ist vorhanden, selbst bei den Staaten und Konzernen, die sich seit Jahrzehnten gegen Maßnahmen sperrten oder diese sabotierten. Doch Problembewusstsein und Handlungswille laufen bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen weiterhin auseinander.
Die echte Frage ist: Werden wir schnell genug sein, um die Katastrophe, die uns erwartet, zu verhindern?
Die Warnung der Dinosaurier
Im Vorfeld des diplomatischen Mega-Events kritisierte die Klimaaktivistin Greta Thunberg, es werde ohnehin nur „Blah blah blah“ zu hören geben. In einem eigens für den GIpfel von der UN produzierten Video ermahnte sogar ein Dinosaurier die Weltgemeinschaft: „Don’t choose extinction!“. Trotz dieser Verlautbarungen, die zweifelsohne den Druck auf die Teilnehmer*innen erhöhen sollten und trotz blumiger Worte des Gastgebers Boris Johnson, wurden die Erwartungen an den Gipfel schon dadurch gedämpft, dass sich die kurz zuvor in Rom tagenden G20-Industriestaaten zu keinen wirklichen klimapolitischen Zugeständnissen durchringen konnten.
Eine Erinnerung an das, was auf dem Spiel steht - Kinderbilder am Rande der COP26. Foto: Flickr UNFCCC
Reaktionen zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Erwartungsmanagement ist hier das Stichwort: Die Bewertung der COP26 hängt davon ab, welchen Maßstab man ansetzt. Die geschäftsführende SPD-Umweltministerin Svenja Schulze lobte die Verabschiedung der Abschlusserklärung des Gipfels im Nachgang als „historischen Moment“. Diese positive Einschätzung der scheidenden Ministerin steht exemplarisch dafür, wie sehr die Bewertungen des Gipfels auseinanderlaufen.
Wer hingegen den großen Wurf in Sachen Klimarettung erwartete, wurde sicherlich enttäuscht, konnte sich das aber wie Thunberg auch schon im Vorfeld denken. Allein der Name dämpft schon die Erwartungen. COP26, steht dabei für United Nations Climate Change Conference 26. Wir versuchen zum 26sten Mal das Klima zu retten. Die erste Konferenz trat bereits 1995 in Berlin zusammen.
Auf politischen Gipfeltreffen dieser Art wird meist bis zuletzt um jedes Komma gekämpft, hier links der indische Verhandlungsführer. Foto: Flickr UNFCCC
Die bittere Realisierung: Klimaschutz ist eine globale Aufgabe, die auf nationaler Ebene angegangen werden muss. Konkret heißt das, ohne einige Schlüsselstaaten, insbesondere China und Indien, wird es insgesamt nicht gelingen die Klimaziele zu erreichen. Das UN-Forum kann am Ende des Tages aufrufen, anregen und appellieren so viel es möchte - alle Zusagen bleiben freiwillig. Die einzelnen Länder müssen Taten folgen lassen. Und genau hier, zwischen Zusagen auf der globalen und Handlungen auf der nationalen Ebene, klafft eine gewaltige Lücke.
Ambitionslos gen Abgrund? Nein, aber langsam in Zeitnot.
Ja, auch ein abgeschwächter Appell zu einem „schrittweisen Abbau“ der Kohleenergie, wie in Glasgow beschlossen, mag Signalwirkung für private wie staatliche Investitionen entfalten. Aber diese Signalwirkung wird sich erst in einigen Jahren in der CO2 Bilanz niederschlagen. Und die weltweiten CO2 Emissionen, steigen und steigen und haben ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. UN-Generalsekretär Guterres hat es vor zwei Jahren mit den Worten ausgedrückt: „Wir verlieren den Wettlauf gegen den Klimawandel“.
“Help Protect COP26” - Ein internationales Spitzentreffen unter Pandemiebedingungen. Foto: Flickr UNFCCC
Daran hat die COP26 wenig geändert. Ja, der Ausstieg aus der Kohle kommt, aber – auf Druck von Indien und China – eben nur verwässert und phasenweise. Ja, die Förderung von klimaschädlichen Investitionen wird auslaufen. Aber nur von, wie im Abschlussdokument festgehaltenen, sogenannten „ineffizienten“ Investitionen. Also denen, die sich wirtschaftlich ohnehin nicht mehr lohnen werden.
Die Lektion: Wir sind zwar noch „in Reichweite“ des 1,5-Grad Ziels, wie es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausdrückt. Die Botschaft dahinter ist jedoch nur: Wir haben‘s immerhin nicht total verbaselt. Anscheinend ist das allein schon ein Gewinn.
Lautes Zähneknirschen der ärmeren Staaten
Eine der größten historischen Ungerechtigkeiten unserer Zeit ist, dass die Länder, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, am stärksten unter ihr leiden. Ganze Staaten versinken währende die COP tagt. Und ja, es gibt mehr Finanzhilfen für ärmere Länder. Konkret sollen diese von aktuell etwa 20 auf rund 40 Milliarden US-Dollar bis 2025 verdoppelt werden. Dies ist aber bei weitem nicht genug.
Weniger glamourös als die große Bühne und Shakespeare - Diplomatie in Echtzeit. Foto: Flickr UNFCCC
Dazu gibt es eine Zusage für Hilfen bei Schäden verursacht durch die Folgen des Klimawandels. Um die tatsächliche Höhe dieser Entschädigungszahlungen wird nun aber schon seit mehr als zehn Jahren gestritten. Europa und die USA sind zusammengenommen historisch für etwa zwei Drittel der weltweiten CO2 Emissionen verantwortlich. Das Verursacherprinzip, dass die reichen und historisch verantwortlichen Staaten für die Schäden, die ihr Handeln in anderen Regionen nach sich zieht, aufkommen, wird kurzerhand ausgehebelt. Konkrete Zusagen gibt es keine. Dafür etwas mehr Geld. Das Signal an die ärmeren Staaten: Entweder das - oder nichts.
Der Grund: die Höhe der Schäden des Klimawandels sind zum einen jetzt schon enorm, zum anderen unkalkulierbar. Das sollte zu denken geben: Wenn das Schadenspotenzial der Symptome unabsehbar ist und wir gleichzeitig knausrig bei der Bekämpfung der Ursache sind, dann steuern wir sehenden Auges auf den Abgrund zu.
Der Präsident der COP26, Alok Sharma. Er sagte am Ende des Gipfels, er bedauere zutiefst, wie sich die Ereignisse entwickelt hätten. Foto: Flickr UNFCCC
Die Bilanz: Fatalismus - nein; Frustration - ja
Die Menschheit hat ihre Beziehung zu ihrer Umwelt seit Jahrzehnten vernachlässigt. Ja, die Weltgemeinschaft hat sich zum 1,5 Grad Ziel bekannt, das ist an sich positiv. Aber auf der Grundlage neuer Ankündigungen während der Konferenz schätzen Expert*innen, dass wir uns nun auf dem Weg zu einer Erwärmung um 2,4 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter befinden. Das bedeutet ein Verfehlen der Klimaziele sogar dann, wenn alle Zusagen eingehalten werden sollten.
Ein Grund zu Optimismus: Vielleicht richtet es der Markt am Ende doch, denn erneuerbare Energien sind so günstig wie nie und fallen weiter im Preis. Was fossile Formen der Energieerzeugung zusehends wirtschaftlich unattraktiver macht. Außerdem: Die bisher unzureichenden nationalen Zusagen sollen bereits 2022 nachgeschärft werden, sodass die Ziele wirklich erreicht werden. Dann auf der COP27, 28, 29 und so weiter.
Politik wird manchmal als die Kunst des Möglichen beschrieben. Vielleicht war das, was in Glasgow erzielt wurde, das Maximum dessen, was möglich war. Vielleicht ist diese Art des Fortschritts, der einzig realistische. Ja, es ist ein Marathon, aber wir haben den Startschuss verschlafen und laufen noch immer nicht schnell genug.
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