Warum wir gerade in Zeiten von Corona nicht aufhören dürfen, ein neues Europa zu fordern.

Consilium delenda est

, von  Guillermo Mayo González, übersetzt von Karl-Raban Herder

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Consilium delenda est

In den Zeiten des alten Roms - noch bevor es das römische Reich war - lebte ein Mann, der als „Cato der Ältere“ bekannt wurde. Ein Politiker und Soldat, der unter anderem deshalb in die Geschichtsbücher einging, weil er seine Reden stets mit ’Carthago delenda est’ beendete (Karthago muss zerstört werden). Vielleicht war er ein Visionär. Möglicherweise hat er, gerade weil er nicht müde wurde, es immer zu wiederholen, den Senat dadurch endlich überzeugt. Jedenfalls wurde Karthago zerstört.

In der Europäischen Union, dem (gewissermaßen) ’alten Rom’ von heute, hat die COVID-19-Krise aufgezeigt, wie es auch heute Feinde gibt. Nicht die Feinde im eigentlichen Wortsinn, wie sie die Kriegsführer Roms hatten, sondern neuartige Feinde: Probleme, die einer zufriedenstellenden Lösung bedürfen und schwere politische Schlaglöcher darstellen. Diese Art Feind sind der Rat der Europäischen Union (auch nur Rat genannt) und der Europäische Rat.

Auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates am 27. März 2020, inmitten einer Gesundheitskrise, haben uns die Staats- und Regierungschefs eine geradezu groteske Darbietung geliefert. Ich bin sicher, die Leser*innen wissen bereits, worauf ich hinaus will: Spanien und Italien, blockierten jede Entscheidung, um Zeit für zukünftige Verhandlungen zu gewinnen; die Niederlande, forderte eine Überprüfung der nichtvorhandenen spanischen Haushaltskapazität und der portugiesische Premier herrschte sie deshalb an. Die europäische Politik ist wohl zu der besten Reality-Show dieser eintönigen Tage geworden.

Whatever it takes gegen die Krise?

Ich möchte nachstehend analysieren, wie und warum wir in diese Situation gekommen sind. Zunächst möchte ich zur Klarstellung die europäischen Institutionen mit föderalistischem Geist von denen mit „konföderalem“ Geist unterscheiden. Das ist keine banale Unterscheidung. Einerseits haben wir das Europäische Parlament und die Kommission und andererseits den Europäischen Rat und den Rat der europäischen Union. Die ersten beiden sind föderalistisch angelegte Organe. Sie widmen sich der Gesamtheit der Union und sind den Mitgliedstaaten (theoretisch) nicht rechenschaftspflichtig. Deshalb haben sie Hilfsmaßnahmen auf den Tisch gelegt, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu mildern: ein ’whatever it takes’, das Draghi damals populär machte und nun von Lagarde und von der Leyen wiederholt wird. Auf der anderen Seite stehen sowohl der Europäische Rat (der Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs) als auch der Rat der Europäische Union (die Minister*innen der Regierungen der Mitgliedstaaten). Sie sind zwischenstaatlicher Natur und verpflichten sich den Wähler*innen ihres eigenen Staates.

Ein europäischer Flickenteppich

Mit diesem Wissen lohnt sich ein kurzer Blick auch auf Freitag, den 27. März 2020. An diesem Tag verhandelten die Staats- und Regierungschefs über Eurobonds. Eine Methode der europäischen Staatsverschuldung, die zwar für diejenigen Länder mit steuerlichen Problemen vorteilhaft ist, für die anderen aber nicht. Ein wundes Thema, das gezwungenermaßen zu einem unermüdlichen Streit führte.

Kommission und Parlament, verfügen nicht über ausreichende Befugnisse, um handeln zu können bzw. einen einheitlichen und kohärenten Schockplan aufzustellen. Der Rat kann Maßnahmen nur durch Einstimmigkeit ergreifen und seine Praxis besteht letztlich aus über zwanzig verschiedenen Einzelstrategien (Die Aussetzung des Schengen-Raums etwa ist eine Maßnahme, die von jedem Staat und nicht von der Union ergriffen und schrittweise angewandt wurde). Es ist ein elendes Hin und Her. Ein Kampf um gegensätzliche Interessen. Die am stärksten Betroffenen berufen sich auf eine Solidarität, die es nicht gibt. Die, die (noch) wenig betroffen sind, zögern damit, Hilfe zu leisten, ohne dafür etwas Vorzeigbares zurückzubekommen.

Wenn etwas klar geworden ist, dann, dass das Coronavirus das Fundament des europäischen Bauwerks vollends zerstört hat. Wir brauchen ein neues. Eines mit föderalem System, das die Interessen der Bürger*innen vertritt und nicht nur die der Staaten. Die Kommission muss zu einer echten europäischen Regierung ausgebaut werden, - die einem echten Parlament und einer echten zweiten Kammer (einem Rat also, der die Funktion der Gebietskammer wahrnimmt) gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Denn diese Krise wird zwar vorübergehen, aber andere werden kommen. Und wenn wir wollen, dass unsere Union so Bestand hat wie das alte Rom es hatte, bleibt zu sagen: ,Consilium delenda est‘. Der Rat muss zerstört werden.

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