Die Mitte-Rechts-Partei Europäische Volkspartei (EVP) bleibt an der Spitze der Liste, auch wenn sie zum zweiten Mal in Folge Sitze verliert. Derzeit hat sie 180 Sitze, was einem Verlust von drei Sitzen entspricht gegenüber der April-Prognose. Mit großem Abstand folgt die Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D), die um zwei Sitze auf nun 138 Sitze gesunken ist - vor allem, weil die slowakische HLAS in der Prognose nicht mehr mit ihr zusammengerechnet wird.
Renew Europe (RE), die zentristisch-liberale Fraktion, wird voraussichtlich 86 Sitze erhalten, genauso viele wie im Vormonat. Diese Zahl kann sich noch ändern, da die Diskussion über den Ausschluss der niederländischen VVD im Gange ist, nachdem die Partei eine Regierung mit der rechstpopulistischen Partei für die Freiheit (PVV), die zur Fraktion ID gehört, gebildet hat. Die drei zentristischen Fraktionen, die eine informelle Koalition im Europäischen Parlament bilden, EVP, RE und S&D, verfügen nun über insgesamt 404 von 720 Sitzen. Das ist eine komfortable absolute Mehrheit mit fünf Sitzen weniger als im letzten Monat.
Auf der rechten Seite des politischen Spektrums gibt es in beiden Fraktionen Diskussionen über die Mitgliedschaft in nationalen Parteien. Die rechte Fraktion Identität und Demokratie (ID) hat die AfD ausgeschlossen, was ihren Verlust auf nun 68 Sitze erklärt. Das ist bedeutet insgesamt ein Minus von 16 Sitzen. Damit scheinen sie keine Chancen mehr zu haben, den dritten Platz anzufechten.
Die nationalkonservativen Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) werden ebenfalls mit 11 Sitzen weniger als im Vormonat prognostiziert und haben nun 75 Sitze. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die rumänische AUR nicht mehr mit ihnen gruppiert ist. Möglicherweise kann die Fraktion die Sitze zurückgewinnen und wieder an die RE herankommen, wenn sie die ungarische Fidesz (NI) aufnimmt. Das könnte jedoch den eher zentristischen Mitgliedern wie der tschechischen ODS missfallen.
Auf der linken Seite scheinen die Grünen/Europäische Freie Allianz (G/EFA) kurz vor den Wahlen gut mobilisieren zu können. Sie haben jetzt 56 Sitze, acht mehr als im April. Die Linke im Europäischen Parlament - GUE/NGL (LINKE) - wird mit 39 Sitzen prognostiziert, fünf Sitze weniger als im letzten Monat. Spannend wird es zu beobachten, ob es nach den Wahlen eine neue Fraktion geben wird. Das deutsche Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gehört derzeit zu den Fraktionslosen. Das BSW gibt jedoch an, gut vorbereitet zu sein, um eine eigene Fraktion zu gründen und damit möglicherweise die unzufriedenen Mitglieder der LINKEN abzuwerben.
Die Fraktionslosen (NI) kommen nun auf 76 Sitze, 28 mehr als im Vormonat, da sich alle ausgeschlossenen Parteien anderer Fraktionen hier sammeln. Zwei Sitze sind entfallen auf die Unabhängigen, deren Zugehörigkeit (noch) nicht bekannt ist. Das ist ein Sitz mehr als im letzten Monat.
Neben dem Wechsel der Fraktionszugehörigkeit sind auch Veränderungen in der Zusammensetzung der Parteien für die Veränderungen verantwortlich. Die EVP-Fraktion hat drei weitere Sitze von der neu gegründeten ungarischen Partei Tisztelet és Szabadság hinzugewonnen, die voraussichtlich in das Europäische Parlament einziehen wird. Auf der anderen Seite wird ihr italienisches Mitglied Forza Italia diesen Monat voraussichtlich zwei Sitze weniger haben.
Für die Mitte-Links-S&D kommt die einzige größere Veränderung aus Frankreich, wo die Parti Socialiste im Vergleich zum Vormonat zwei Sitze verliert. Auch bei der zentristischen RE gibt es nur eine nennenswerte Veränderung: Die italienische Azione wird nun voraussichtlich ins Parlament einziehen und vier Sitze erhalten.
Bei den rechten Fraktionen ist die einzige Veränderung neben dem bereits erwähnten Ausschluss der AfD, dass das französische Rassemblement National zwei Sitze hinzugewonnen hat (sowie zwei zusätzliche Sitze von L’Avenir Français, die es nicht auf ihre Liste geschafft hat). Das potenzielle ungarische ECR-Mitglied Fidesz (NI) hat zwei Sitze verloren.
Das deutsche Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit (NI), das nach den Wahlen eine eigene Fraktion bilden will, hat im Vergleich zum April zwei Sitze hinzugewonnen. In der Fraktion der LINKEN wird das irische Mitglied Sinn Féin in diesem Monat voraussichtlich zwei Sitze weniger erhalten. Alle anderen nationalen Parteien werden voraussichtlich nicht mehr als einen Sitz hinzugewinnen oder verlieren.
Verteilung der Stimmenanteile
Die Hochrechnung der Stimmanteile Ende Mai bringt einige größere Veränderungen für die Fraktionen mit sich, zum Teil weil jetzt alle Listen für die Wahl vorliegen. Die Europäische Volkspartei ist in diesem Monat leicht auf 21,3 % gesunken (-1,6), wobei der Abstand zur Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten, die nun auf 20 % kommt, deutlich geringer ist (+1,7). Die Liberalen steigt um 1,2 Prozentpunkte auf 11,1 %. Zusammen erhöhen die drei Gruppen der informellen Koalition ihren Anteil und halten mit 52,4 % eine absolute Mehrheit.
Auf der rechten Seite des politischen Spektrums erhöhen die Europäischen Konservativen und Reformer ihren Anteil auf 12,2 % (+0,4), während Identität und Demokratie auf 9,3 % (-1,9) fallen.
Auf der linken Seite gewinnen die Grünen/Freie Europäische Allianz 0,1 Prozentpunkte und liegen nun bei 7,9 %, ebenso wie Die Linke im Europäischen Parlament - GUE/NGL, die nun bei 6,5 % liegt, was einem Anstieg von 0,2 Prozentpunkten entspricht.
Die Fraktionslosen sind in diesem Monat auf 9 % gestiegen (+2,4), und die Unabhängigen, die (noch) keiner Fraktion angehören, sind auf 3 % gesunken (-2,2).
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