Brief an Europa: Spanischer Ministerpräsident Mariano Rajoy

, von  Joris Duffner

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Brief an Europa: Spanischer Ministerpräsident Mariano Rajoy
Mariano Rajoy gehört der liberalkonservativen Partido Popular an. Sie ist die Schwesterpartei von CDU/CSU, ÖVP, der Südtiroler Volkspartei und der Christlich Sozialen Partei der deutschsprachigen Belgier. Foto: lamoncloa_gob_es / Flickr / CC BY 2.0

Die Entwicklungen in Katalonien bestimmten in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen in ganz Europa. Bis zu den Neuwahlen am 21. Dezember hat der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy die Amtsgeschäfte Kataloniens übernommen. Im Brief an Europa fordern wir ihn zur Deeskalation auf und plädieren für ein föderales Spanien.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Mariano Rajoy,

ich gebe es gerne zu, in Ihrer Haut möchte ich in den vergangenen Wochen nicht gesteckt haben. Viele Leute eines Teils Ihres Landes wollen einfach nicht mehr dazugehören. Dass dies nun auch noch der wirtschaftsstärkste Teil ist, macht die Sache sicher nicht besser. Ein schönes Gefühl ist das bestimmt nicht, keine Frage. Ihre harte Haltung zu den Entwicklungen in Katalonien kann ich deshalb durchaus nachvollziehen, zielführend ist sie jedoch nicht.

Wahr ist: Die Abstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens vom 1. Oktober war verfassungswidrig und muss für die Beteiligten rechtliche Konsequenzen haben. Wahr ist aber auch: Die drastischen Entwicklungen seitdem scheinen aus einer anderen, längst vergangenen Welt zu stammen, aus einem Europa, das wir überwunden glaubten. Acht katalanische Minister und das halbe Parlamentspräsidium sitzen in Haft, Regionalpräsident Carles Puigdemont flieht nach Belgien, um sich der spanischen Justiz zu entziehen. Angeklagt sind sie der Rebellion, sie müssen eine Strafe befürchten, die sonst nur bei Terrorismus oder Mord verhängt wird: 30 Jahre Gefängnis.

Spätestens mit der Flucht Puigdemonts nach Belgien wurde die Katalonien-Krise zudem zu einer europäischen Krise. Ein Politiker eines EU-Landes flieht vor Strafverfolgung in ein anderes EU-Land. Solche Schlagzeilen kann Europa nun wirklich nicht auch noch gebrauchen. Ihr Auftrag, als Europäer und als Spanier, sollte nun sein, die Situation zu deeskalieren und die Ursache zu bekämpfen, nicht die Symptome. Mit der Anwendung des Artikels 155, der Übernahme der Amtsgeschäfte in Katalonien und der Ansetzung von Neuwahlen am 21. Dezember schieben Sie das Problem jedoch nur weiter vor sich hin.

Eine echte Aussöhnung in und mit Katalonien kann nur mit einer echten Staatsreform erreicht werden. Große zentralistische Staaten passen nicht mehr in unsere Zeit, von der Hauptstadt aus kann einfach nicht mehr alles geregelt werden. Die Katalanen fühlen sich in vielem schlicht und ergreifend immer noch bevormundet. Sie sollten als Bundesland in einem föderalen Spanien nach dem Subsidiaritätsprinzip in den meisten Politikfeldern noch weitergehende Rechte bekommen, als es jetzt mit dem Autonomiestatut der Fall ist. Dies könnte auch bedeuten, dass mehr Steuereinnahmen in Katalonien verbleiben. Doch dieser Preis erscheint klein, wenn die Alternative ein permanentes Warmhalten der Katalonien-Krise ist, das auch der EU langfristig schadet.

Herr Ministerpräsident Rajoy, es ist höchste Zeit für eine solche umfassende Reform. Spanien sollte sich in einen Bundesstaat umwandeln. Dies raubt den Nationalisten die Argumente und schafft mehr Bürgernähe. In einem föderalen System sind die Menschen zudem im Durchschnitt einfach glücklicher, fand der Schweizer Ökonom Bruno Frey heraus. Die Lösung heißt Föderalismus - ein föderales Spanien in einem föderalen Europa!

Hochachtungsvoll

Joris Duffner

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