Wie bist Du eigentlich zur JEF gekommen?
Nachdem die Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert waren, dachte ich, dass es so nicht weitergehen könne, da innenpolitische Themen über europapolitische Grundsatzfragen entscheiden und bin in die JEF eingetreten. Den Verband habe ich allerdings schon 1999 über die Landesschülervertretung kennengelernt.
Was hat Dich dazu motiviert, als Bundesvorsitzender zu kandidieren?
Ich bin seit acht Jahren Mitglied im Verband, schätze seine engagierten und politischen Mitglieder und hatte Lust, ihn aus einer schwierigen Situation wieder in sicheres Fahrwasser zu leiten. Außerdem sah ich Potenzial, die JEF weiterzuentwickeln und zu professionalisieren.
Vor allem aber war mir wichtig, inhaltliche Debatten nach Innen und Außen zu forcieren, da ich das Gefühl hatte, dass die programmatischen Debatten in der JEF etwas nachgelassen hatten. Im Wesentlichen fand die Diskussion über programmatische Fragen nur informell statt. Angesichts der Krise erschien mir dies unbefriedigend, da es gerade in dieser Zeit eine starke JEF braucht, die ihre Ideen reflektiert und die diese überzeugend nach außen vertritt! Neben dem Inhaltlichen war es aber auch große Motivation, ein wahnsinnig gutes Team gefunden zu haben. Ich habe mich richtig auf die Arbeit gefreut!
Welche Ziele hattest Du Dir für deine Amtszeit gesetzt?
Wir haben uns drei Hauptziele gesetzt: 1. Die programmatischen Debatten in der JEF anzukurbeln und dazu beizutragen, dass wir unserem Anspruch „a generation ahead“ nicht nur vor uns hertragen, sondern auch erfüllen, in dem wir konkreter werden als einfach nur „Mehr Europa“ zu fordern. „Mehr Europa“, das wollen alle irgendwie... 2. Die Arbeit zu professionalisieren und den Verband zu entwickeln. 3. Die Außenwirkung der JEF zu erhöhen.
Und konntet Ihr die Ziele erreichen?
Ziel eins wurde erreicht. Die JEF diskutiert derzeit mit Leidenschaft über ein neues „Politisches Programm“ und in den Gremien wurden zahlreiche konkrete Beschlüsse gefasst [Das Interview wurde vor dem Bundeskongress geführt, d.R.]. So haben wir uns sehr dezidiert zur fragwürdigen Politik des Fidesz verhalten und uns konkret zur Eurokrise positioniert. Dieser Beschluss war übrigens dann auch Anlass für Presseanfragen von der ZEIT oder Maybritt Illner. Es macht sich bezahlt, konkret zu werden. „Mehr Europa“-Slogans sind langweilig. Die Forderung nach Eurobonds hingegen polarisiert. Wir sollten weniger Scheu haben, Tacheles zu reden. Tatsache ist: je konkreter wir geworden sind, umso größer war die Resonanz.
Den Professionalisierungsgrad haben wir ebenfalls erfolgreich durch unterschiedliche Maßnahmen erhöht. Einige davon waren übrigens sehr effektiv und ganz einfach: Zum Beispiel haben wir die Vorstandsarbeit in recht autonomen Teams organisiert und jedem Geschäftsbereich und Projekt einer verantwortlichen Person zugeteilt. Nachahmung empfohlen!
Die Außenwirkung der JEF haben wir auch erhöht. So haben wir im letzten Jahr eine sehr erfolgreiche Schengen-Aktion organisiert, für die uns insbesondere die dänische JEF sehr dankbar war, da sie in den Medien viel beachtet wurde. Eine weitere Maßnahme war die Europawerkstatt, die Ende September stattgefunden hat. Mit ihr haben wir rund 100 Multiplikatoren erreicht, davon etwa die Hälfte aus anderen Organisationen.
Was hast Du persönlich von deinen zwei Jahren als Bundesvorsitzender mitgenommen?
Viele interessante Einsichten, einige Erfolge, wenige Misserfolge, das gute Gefühl im Rahmen meiner Möglichkeiten etwas bewegt zu haben und vor allem neue Freundschaften und Bekanntschaften innerhalb und außerhalb des Verbandes.
Was wirst Du in Zukunft stark vermissen und was überhaupt nicht?
Nicht fehlen werden mir die tägliche Mailflut und das ständige Reagieren auf irgendwelche Dinge. Ebenfalls werde ich wenig vermissen, dass meine Freizeit nahezu gänzlich von der JEF ausgefüllt wurde. Ich freue mich mal wieder ein gutes Buch zu lesen. Denn für Belletristik und Kultur hatte ich kaum Zeit. Was mir fehlen wird: der Hebel und der Türöffner der das Amt sein konnte, aber am allermeisten das großartige Team, das ich führen durfte.
Was waren die Highlights in den vergangenen zwei Jahren?
Die Europawerkstatt! Und dass wir es geschafft haben, dieEUD zu einer Demonstration zu bewegen. Nicht nur, weil das gut für die Sichtbarkeit der JEF und EUD war, sondern auch, weil es den JEFern gezeigt hat, dass die EUD nicht nur Empfänge feiert. Unsere Mutterorganisation kann politischer sein – wir müssen sie nur manchmal zum Jagen tragen.
Warum ist Dir Europa so wichtig?
Europa ist das Versprechen von Frieden. Das galt nach dem Krieg und das gilt noch heute. Das ist wenig originell, aber sehr wahr. Wir täten allerdings gut daran, Frieden nicht bloß als Abwesenheit von Krieg zu verstehen. Ein kluges Europa wird auch um den inneren Frieden bedacht sein. Es wird solidarisch sein und sich Gedanken machen, wie mit der zunehmend ungleichen Verteilung von Gütern und Lebenschancen sinnvoll umgegangen werden kann, ohne das die liberale und pluralistische Tradition aufgegeben wird.
Mir gefällt der Popper’sche Ausspruch „Alles Leben ist Problemlösen“, denn da ist viel Wahres dran. Europa wie auch andere föderalistische Projekte sind Teil der Problemlösung. Wir müssen aber auch den Mut haben, die Probleme offensiv anzugehen. Das Europa, das wir jetzt haben, ist viel weniger selbstverständlich, als wir oft glauben. Die Gefahr der Renationalisierung ist real, ebenso wie jene, dass sich die EU zu einem technokratischem Gebilde entwickeln könnte, für das ich irgendwann vielleicht nicht mehr eintreten kann. Wenn es um Europa geht heißt dies: wir dürfen uns nicht nur im Klein-Klein verlieren, sondern müssen den nächsten großen Sprung vor Augen haben!
Hinweis: Lars Becker debattierte mit Jo Leinen und Frank Schäffler auf NDR-Info.
Dieser Artikel erschien im neuen gedruckten Treffpunkt Europa, Mitgliedermagazin der JEF-Deutschland. Die aktuelle Ausgabe widmet sich der Bedeutung von Mobilität für Europa und ist als kostenloser Download erhältlich.
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