„Es geht darum, dass Europa endlich mit beiden Lungenflügeln atmen kann“ sprach einst Papst Johannes Paul II und setzte sich damit für die Einigung des europäischen Kontinents ein. Im Jahre 2011, 22 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, ist Polen seit sieben Jahren Mitglied der Europäischen Union. Und das Gewicht Polens in der EU ist nicht zu unterschätzen.
Seit dem 1. Juli hat Polen die EU-Ratspräsidentschaft inne. Der polnische Botschafter in Berlin, Marek Prawda, erläuterte am 21. Juli 2011 während eines parlamentarischen Abends die Pläne seiner Regierung.
Das „Weimarer Dreieck“ – Motor für Europa
Marek Prawda lobte das sehr gute Verhältnis zwischen dem polnischen Premierminister Donald Tusk und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern habe vor allem während der Wirtschafts- und Finanzkrise sehr gut funktioniert. Während es in Europa früher bei Problemen als Reflex nationale Antworten gegeben habe, habe Europa während der Wirtschaftskrise gemeinsam gehandelt, betonte Prawda. Die Krise habe Europa verändert. Er mahnte jedoch an, dass in Europa gemeinsam mehr gemacht werden müsse.
Als sehr konstruktiv stellte Prawda den Dialog im sogenannten "Weimarer Dreieck„zwischen Polen, Frankreich und Deutschland dar. Diese drei Staaten verstehen sich als“Motoren der Europäischen Union". Prawda unterstrich die Bedeutung, die Polen heute für Europäische Union habe. Während Polen im Jahre 2004 beim EU-Beitritt als Problem angesehen worden sei, so sei Polen heute Teil der Problemlösung. Beispielhaft berichtete er davon, dass Polen als erstes europäische Land im Jahre 1997 eine Schuldenbremse in der Verfassung eingeführt habe. Demzufolge darf in Polen die Staatsverschuldung 55 Prozent des Bruttoninlandsprodukts nicht überschreiten. Polen habe 1989 eine harte Finanzreform umgesetzt. Dank seiner guten ökonomischen Verfassung sei Polen trockenen Fußes durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gegangen.
Polen sei absolut pro-europäisch eingestellt. Die Zustimmungsrate zur EU, so berichtete Prawda, betrage 80 Prozent.
Der polnische Botschafter erklärte, es gehe bei der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen nicht primär darum nach außen hin zu demonstrieren, wie gut man zusammenarbeiten könne. Es gehe vielmehr um die gemeinsame Gestaltung der internationalen Beziehungen.
Die Kohäsionspolitik der EU
Prawda ging auf das Thema Solidarität innerhalb der EU ein. In der EU gehe es darum, die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu nivellieren. Während früher die Länder mit Nachholbedarf in Osteuropa im Mittelpunkt gestanden hätten, so gehe es heute im Wesentlichen um die Länder an der Peripherie. Und so ist dann auch die Kohäsionspolitik zu Gunsten der östlichen Länder und der Länder im Süden ein wichtiges Anliegen der Ratspräsidentschaft Polens.
Prawda räumte ein, dass in Bezug auf die Kohäsionspolitik der EU oft von Verschwendung der Rede sei. Er brachte jedoch den hohen Stellenwert zum Ausdruck, den diese Politik der EU für Polen gehabt habe. Polen habe mit ihrer Hilfe ein Wachstum von 4 bis 5 Prozent generiert. Polen sei daher ein Beispiel für den Erfolg der EU-Kohäsionspolitik.
Ziele der polnischen EU-Ratspräsidentschaft
1) Europa wieder auf das Wachstumsgleis bringen.
Ein wichtiges Anliegen ist die Vorbereitung eines Gesetzgebungsprozesses zur Überwindung von Handelsbarrieren. Ein Problem sei gegeben, wenn ein polnischer Möbelfabrikant Abnehmer in Deutschland und Italien habe. Der polnische Händler müsse dann seine Geschäfte in zwei unterschiedlichen Rechtssystemen abwickeln. Dies verursache Kosten von 20.000,— Euro.
Weiterhin steht die Erörterung des EU-Haushaltspolitik auf der Agenda.
2) Europa soll sicherer werden.
Hier geht es zum einen um die Energiepolitik. Ziel ist die Verbesserung der externen Energiepolitik zum Wohle der Konsumenten und der Transitstaaten. Das Gemeinschaftsrecht soll im Energiebereich auch für die Beziehungen zu Drittländern gelten.
Im Zentrum steht hier weiterhin die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU. In diesem Politikfeld sehe es nicht sehr gut – der Fall Libyen habe dies bewiesen. Die Außenminister des „Weimarer Dreiecks“, so Prawda, hätten einen Brief an die EU-Beauftragte für Außenpolitik, Lady Ashton, geschrieben, und sich darin für eine Verbesserung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgesprochen.
Es gehe hier etwa um eine Verbesserung der Kommandostrukturen und den Abbau von Doppelstrukturen. Ab 2013 ist in diesem Bereich weiterhin – als Modell für die GSVP der EU - eine gemeinsame "Weimar Battle Group" geplant, durch welche die Einsatzfähigkeit der EU in Krisen gestärkt werden soll. Es geht um die Verbindung ziviler und militärischer Zusammenarbeit.
Die Offenheit Europas soll gefördert werden.
Der polnische Botschafter betonte, das die EU auch ihre Nachbarschaftspolitik zu Ländern wie der Ukraine, Georgien und Weißrussland intensivieren müsse, unabhängig davon, ob diese Länder eine Beitrittsperspektive hätten.
Polen sei sich bewusst, dass heute niemand mehr auf die Länder im Osten schaue. Heute stünden die Länder im Süden im Vordergrund, so Prawda. Der Arabische Frühling sei als die „letzte Phase der Dekolonialisierung“ bezeichnet worden. Die EU habe Erfahrung auf dem Gebiet der Demokratisierung und könne durch diese Erfahrung Ländern, wie etwa Tunesien und Libyen, helfen.
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