Völlig losgelöst

, von  Enrico Kreft

Völlig losgelöst
Das Kafka macht die Lichter aus, unsere gehen an. Bestimmte Rechte vorbehalten von danoxster

Wien: Cafe Kafka, Inhaber ein Doktor. Trotz leichten Qualms verweilten wir hier doch. Das Kafka macht die Lichter aus, unsere gehen an... Ob wir uns gleich zu David Bowie, Jimi Hendrix oder doch erst zu Balkan Beats mit einer Polonäse durch den Raum schlingern? Des öfteren erlebt! Aber ich versank in meine jüngsten Reiseerlebnisse. Wo war ich nochmal? Ach ja, im Goldwasser getränktem Danzig, im sonnigen Helsinki, im geschichtsträchtigen Krakau und gegenwärtig im multikulturellem Wien. In allen Städten fühlte ich mich gleich heimisch. Weil sie alle in Europa liegen? Weil sie alle etwas an sich haben, dass ich mit Heimat verbinde? Weil es die Leute sind, die ich traf? Ich könnte eine Begründung sicherlich konstruieren, aber ich weiß es wirklich nicht genau. Ist es ein Gefühl?

Jedenfalls legte ich gut zehntausend Kilometer in den letzten vier Wochen über den Wolken zurück: die aufgesogene Vielfalt an Eindrücken ist großartig! Nur ein wenig eingetrübt, aber über die Ablasshandel-Plattform atmosfair werde ich mein ökologisches Gewissen noch befrieden müssen. Oder ist es diese Hotspot-Hopperei durch Europa an sich, die mich so fasziniert? Vor gut zwei Jahrzehnten hatte ich jedenfalls ein ganz anderes Verhältnis zu Entfernungen. Da war von meinem Wohnort schon nach gut zwanzig Kilometern so eine blöde graue Betonwand im Weg, die ich nicht zu überwinden vermochte. Oder die Verkehrsverbindungen waren so grottig, dass man sich dreimal überlegte zu verreisen und sich im Zweifel lieber für das eigene Fahrrad entschied, um zum x-ten Mal auf den vorgezeichneten Wegen zu fahren. Ja, ohne großkotzig wirken zu wollen, jubiliere ich doch über die Möglichkeiten, dahin zu reisen, wohin ich möchte; natürliche Grenzen gegebenenfalls sind Zeit und Geld, aber keinesfalls staatliche Gewalt.

Diese Fliegerei gab und gibt mir nicht nur die Chance, meine persönliche und verfassungsrechtliche Freiheit auszuleben, sondern auch immer wieder die Perspektive zu verändern und Verständnis zu entwickeln. Da erzählte mir einer in Danzig, dass ein großartiges für die Zukunft im Ostseeraum wichtiges Projekt, ein Tunnel zwischen Helsinki und Tallinn, zu realisieren sei. Nicht noch einen Tunnel! Als Norddeutscher rumort doch mein Magen stark ob der leidlichen Debatte um eine feste Fehmarn-Beltquerung. Aber ein paar Tage in Helsinki und ich verstand, warum man Potentiale in so einer Verbindung sieht.

Huch! Etwas unsanft wurde ich durch die Kellnerin meiner gedanklichen Rundreise entrissen, es war auch schon zwei Uhr morgens, sie wollte endlich nach Hause. Manchmal braucht man ein paar Luftsprünge oder muss sich von seinem aktuellen Standort völlig los lösen, um neue Einsichten zu erlangen..

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