Der litauische Außenminister Linas Antanas Linkevičius stellte in Berlin die Ziele der sechsmonatigen litauischen Ratspräsidentschaft vor: Sie soll sich an einem „glaubwürdigen, wachsenden und offenen Europa“ orientieren. Glaubwürdigkeit soll vor allem in finanzieller Hinsicht wiederhergestellt werden, mit dem Ziel „Vertrauen in die Zukunft“ zu schaffen. Litauen möchte unter anderem die Bankenunion und bereits beschlossene Reformen im Bankensektor vorantreiben. Konkret bedeutet das, die Schwachstellen der „Economic Governance“ der Wirtschafts- und Währungsunion anzugehen. Litauen möchte „finanzielle Disziplin“ fördern.
Wachsen soll in Europa während der litauischen Präsidentschaft vor allem der Binnenmarkt. Dabei verwies Linkevičius auf die „Europa 2020“-Strategie, die darauf ausgelegt ist, „Mängel unseres Wachstumsmodels zu beheben und die Grundlagen für eine andere Art von Wachstum zu schaffen – ein Wachstum, das intelligenter, nachhaltiger und integrativer ist.“ Litauen möchte sich besonders um den europäischen Energiemarkt kümmern: Bis 2015 soll kein europäischer Staat mehr vom europäischen Energienetz ausgeschlossen sein. Dabei wird Litauen die Anstrengungen der irischen Ratspräsidentschaft weiterführen und orientiert sich an der Zielsetzung des Trios.
Probleme sieht Linkevičius vor allem im Bereich der hohen Jugendarbeitslosigkeit: „Man muss den Jugendlichen das Gefühl geben, dass sie der Zukunft der EU vertrauen können und dass sie Teil des Spiels sind“, sagt er in Berlin. Trotz der emotionalen Worte gab es hier, außer dem vagen Verweis auf direkte Geldpakete der EU, keinen konkreten Maßnahmenkatalog. „Es wird Aufgabe der nationalen Regierungen sein, sich dieses Problems anzunehmen“, so Linkevičius.
Grenzerfahrung Litauens als Erfolgsgarant
Offener soll Europa unter dem litauischen Vorsitz gegenüber Drittstaaten werden und so ein „globales Vorbild für Offenheit und Sicherheit“ sein. Hierbei möchte sich Litauen besonders um die östlichen Anrainerstaaten und die Mitglieder der Östlichen Partnerschaft bemühen. Gleichzeitig sollen die Verhandlungen und der „strategische Dialog“ mit der Türkei vorangebracht werden.
Beim Grenzschutz möchte Litauen „qualitativer und effizienter“ arbeiten. Dabei könne sich die europäische Bevölkerung auf die „Grenzerfahrung“ Litauens verlassen. Etwa 30 Kilometer sind es von der Hauptstadt Vilnius bis zur weißrussischen Grenze. Im Südwesten grenzt Litauen an die russische Enklave Kaliningrad. Litauen hat erkannt, dass es auf sein geographisches wie auch historisches Potentiale zurückgreifen kann, um in seiner ersten Präsidentschaft Erfolge zu erzielen.
Europa als globales Vorbild
Das Hauptaugenmerk der litauischen Ratspräsidentschaft wird auf dem Ausbau der östlichen Partnerschaft liegen. Linkevičius ist sich bewusst, dass dies in Deutschland verhalten aufgenommen wird. Er weiß um die Skepsis der Deutschen gegenüber einer EU-Erweiterung: „Deutschland glaubt dann immer, man trete gleich Beitrittsverhandlungen an.“
Litauen möchte Präsenz im östlichen Kaukasus zeigen, um die dortigen Transformationsprozesse zu beeinflussen. Das wird vor allem in Weißrussland und Aserbaidschan schwierig werden – beide Länder machen regelmäßig mit Menschenrechtsverletzungen von sich reden. Hier plant Litauen, das von Ashton angepriesene„more for more“-Prinzip weiter auszuführen, „um das Denken der betroffenen Länder nahe dem Denken der EU“ zu orientieren. Dabei gehe es nicht nur um eine rein technische Diskussion, sondern hauptsächlich um das geopolitische Spiel, das „wir gewinnen müssen“, so Linkevičius. Dabei spielen sicher die im Aserbaidschan liegenden wichtigen Gasvorkommen ebenso eine Rolle, wie die Nutzung Weißrusslands als Transitland für Gas und Öl aus Russland.
Chancen für die Östliche Partnerschaft
Im Herbst dieses Jahres ist ein Gipfeltreffen in Litauen vereinbart, bei dem Bilanz über die Östliche Partnerschaft gezogen werden soll und um zu erörtern was von der Roadmap von 2012 erreicht worden ist.
Anscheinend ist das nicht viel. Der Grünen EU-Abgeordnete Werner Schulz schreibt auf seiner Homepage, dass bei der östlichen Partnerschaft bis jetzt „praktisch keine Ergebnisse erzielt worden“ sind. Demnach ist der Einfluss der EU äußerst gering, wenn vor Ort „der politische Wille zur Annäherung fehlt oder keine Kompromisse zwischen den politischen Lagern möglich sind.“ Grund für die geringen Fortschritte sind innenpolitische Unruhen und die enormen Unterschiede der sechs Partnerländer, was eine einheitliche EU Ostpolitik schier unmöglich macht.
Sicherlich sind die Bestrebungen der EU im Kaukasus wichtig und notwendig, haben sie doch Reformen der Staaten positiv beeinflusst. Beim Gipfel im Herbst wird entschieden, wie es nun weitergehen wird. Es wird zum Showdown kommen, bei dem sich zeigen wird, ob die Bemühungen und Gelder der EU der letzten Jahre erfolgreich eingesetzt worden sind. Das sind keine rosigen Aussichten für die östlichen Partner, vor allem nicht vor dem Hintergrund einer Finanz- und Wirtschaftskrise. Dennoch könnte es Litauen schaffen, durch seine geographische Position und Geschichte, als Vermittler zwischen Ost und West wesentliche Veränderungen in den Nachbarstaaten einzuleiten und so dem Projekt Östliche Partnerschaft zum Erfolg zu verhelfen.
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