Grenzüberschreitender Personenkult

, von  Jerry Weyer

Grenzüberschreitender Personenkult
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker stellen sich erneut zur Wahl. Zwischen den jeweiligen Wahlkämpfen lassen sich verschiedene Parallelen ziehen. Foto © European People’s Party - EPP / 2006 / CC-Lizenz by-2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/

4 Wochen nach den Bundestagswahlen in Deutschland wird am 20. Oktober in Luxemburg ein neues Parlament gewählt. Nach einigen Skandalen und unrühmlichen Auftritten der aktuellen Regierung musste Premierminister Jean-Claude Juncker am 11. Juli 2013 dem Druck nachgeben und wegen einer Geheimdienstaffäre Neuwahlen ausrufen. Während in Luxemburg über eine Regierung ohne christlich-soziale Beteiligung nach 30 Jahren „CSV-Staat“ zumindest laut nachgedacht wird, scheint eine Wiederwahl Angela Merkels im Nachbarland nur noch Formsache. Parallelen zwischen den Wahlkämpfen gibt es trotzdem: ein übermäßiger Fokus auf Personen statt Themen markiert den politischen Dialog.

Wahlkampfhilfe mit Show-Effekt

„Mir mam Premier“ (Wir mit dem Premierminister) hieß es neben einem Bild von Jean-Claude Juncker auf der Facebook-Seite der Fraktion der Christ-Demokraten, nur Minuten nachdem der Premierminister nach einer sieben-stündigen Parlamentssitzung Neuwahlen angekündigt hatte. Seither dreht sich die Kampagne der CSV um ihr Aushängeschild: Juncker im Urlaub in Tirol, „unser Premier“ besucht den hauptstädtischen Sommerschlussverkauf und geht auf Tuchfühlung zu den BürgerInnen, Jean-Claude Juncker erzählt JournalistInnen über sein Verhältnis zu seinem Hund. Unterstützung bekommt er auch aus Deutschland: das Luxemburger Wort, eine Tageszeitung, die der christlich-sozialen Partei nahe steht, entlockt dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Interview „wen er wählen würde, wenn er Luxemburger wäre“ - natürlich Jean-Claude Juncker. Und auch wenn es mal kritisch wird, hilft die Nähe zur deutschen Schwesterpartei: die Konrad-Adenauer-Stiftung ließ kürzlich Berichten des „Spiegels“ zufolge einen Artikel eines ihrer freien Mitarbeiter kassieren, weil der Beitrag die Versäumnisse Junckers in der Geheimdienstaffäre als „evident“ beschrieben hatte – wohl eine zu kritische Analyse.

Gegenseitige Wahlkampfhilfe zwischen den deutschen und luxemburgischen Parteien hat Tradition. Die Medienlandschaft beider Länder überschneidet sich zu großen Teilen – die Mehrzahl der Luxemburger schauen täglich deutsches TV. Während Angela Merkel oder Wolfgang Schäuble sich an der Seite des auch im Ausland beliebten „Euro-Juncker“ darstellen können, bringt ein Auftritt des Premierministers in der Tagesschau oder ein kurzes Statement im ’Heute Journal’ einiges an Werbung im luxemburgischen Wahlkampf.

Doch nicht nur die Christ-Demokraten profitieren vom Wahlkampf im Nachbarland. Luxemburger wachsen mit der deutschen Sprache auf und der Kultureinfluss über die Medien ist sehr groß. Dies hat zur Folge, dass auch die Politik im östlichen Nachbarland eingehend verfolgt wird. Die deutsche Parteienlandschaft und der aktuelle Wahlkampf wird einiges intensiver verfolgt als, dass dies zum Beispiel bei französischen Parlamentswahlen der Fall ist. Das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück wurde auch in Luxemburg kommentiert und diskutiert, auf den Medienplattformen und in den sozialen Netzwerken. Die Ergebnisse der Schwesterparteien in der Bundestagswahl können somit auch kleineren Parteien einen letzten Schub für den luxemburgischen Wahlkampf geben. Sowohl die Sozialisten, als auch die Grünen, können von einem Überraschungssieg von Rot-Grün nur profitieren und ihre Regierungsansprüche mit dem internationalen Erfolg untermauern. Auch ein erfolgreiches Abschneiden der Linken und der Piratenpartei am 22. September wird den luxemburgischen Parteien einiges an Aufmerksamkeit sichern.

Wahlkämpfe ohne Themen – und Europa

Die Köpfe sind im Wahlkampf präsent - weniger Aufmerksamkeit bekommen allerdings die Themen. Sowohl in Luxemburg, als auch in Deutschland lassen sich klare thematische Kontroversen vermissen. Das liegt in Luxemburg zumindest auch daran, dass sich einige PolitikerInnen trotz Neuwahlen den Urlaub nicht verkürzen lassen wollten und 40 Tage vor der Wahl erst drei von neun Parteien ein Wahlprogramm präsentiert haben. Eines hat der Wahlkampf in Deutschland dem luxemburgischen jedoch voraus: durch die Teilnahme der sogenannten „Alternative für Deutschland“ werden Themen rund um Europa und die EU öfters diskutiert als für eine nationale Parlamentswahl üblich.

In Luxemburg wurden die Europawahlen und die Nationalwahlen grundsätzlich am gleichen Tag abgehalten. Dies ändert sich jetzt zum ersten Mal mit den vorgezogenen Neuwahlen im Oktober. Die Trennung von Europa- und Nationalwahlen ermöglicht endlich eine gesonderte, tiefgehende Diskussion um die Zukunft Europas und muss deswegen als glückliches Nebenprodukt der Neuwahlen bezeichnet werden. Allerdings trägt sie auch dazu bei, dass Europathemen im nationalen Wahlkampf riskieren, komplett vernachlässigt zu werden – obwohl auch das nationale Parlament, und vor allem die nächste Regierung, einiges an Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Union haben werden, etwa bei der Wahl der nächsten PräsidentIn der Europäischen Kommission. Während im deutschen Wahlkampf also auf Druck einer umstrittenen Kleinpartei, sich zumindest oberflächlich mit der Zukunft der EU auseinander gesetzt wird, so geht das Thema einen Monat vor der Wahl im luxemburgischen Wahlkampf noch völlig unter. Es besteht wenig Hoffnung, dass in der verkürzten Wahlkampfperiode bis zum 20. Oktober sich dies noch ändern wird.

Dabei brachte zumindest eine Person das Thema direkt in den Vordergrund: Charles Goerens ist liberaler Europaabgeordneter und einer von vier Spitzenkandidaten der „Demokratischen Partei“. Er machte nach der Ankündigung seiner Kandidatur klar, dass sein Steckenpferd im Wahlkampf die Diskussion um die Zukunft der EU sein wird. Leider ist der Funkte nie über gesprungen und auch die Kandidatur eines Europa-Abgeordneten bei der nationalen Parlamentswahl konnte keine inhaltliche Debatte über die Rolle der EU in der nationalen Demokratie auslösen.

Das europäische Personalkarussell

Weitaus häufiger als Themen und Positionen werden in Luxemburg Personen besprochen. Neben der klassischen Frage nach dem nächsten Premierminister (die Chancen auf eine Premierministerin tendieren gegen Null), werden auch Fragen nach möglichen Wahlverlierern aufgeworfen. Wird Jean-Claude Juncker als Wahlverlierer nach 18 Jahren als Premierminister wirklich zum einfachen Abgeordneten werden? Auch der Ausgang der Wahlen in Deutschland könnte eine Rolle spielen für die europapolitischen Ambitionen luxemburgischer SpitzenpolitikerInnen. Die EU-Justizkommissarin Viviane Reding macht wenig Hehl daraus, dass sie am Posten der Kommissionspräsidentin interessiert ist. Ob ihre Kandidatur unter einer rot-grünen Bundesregierung Unterstützung finden würde ist unklar. Angela Merkels Einfluss auf der EU-Bühne könnte für luxemburgische PolitikerInnen mir europäischen Ambitionen zu einer wichtigen Stütze werden.

Personen dominieren die Wahlkämpfe in Deutschland und Luxemburg. Luxemburg verfolgt den deutschen Wahlkampf mit Interesse, und jede Schwesterpartei wird vom Medienecho der Wahlsieger in Deutschland profitieren. Inhaltliche Richtungswechsel können in beiden Ländern nur erwartet werden, wenn sich die WählerInnen allen Prognosen zum Trotz gegen den Personenkult entscheiden werden.

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