Es ist gar nicht so leicht, in Europa eine Grenzstation zu errichten. Rund 150 Demonstranten haben sich am Freitag an der deutsch-dänischen Grenze in Kruså versammelt, wenige Kilometer von Flensburg entfernt, um gegen die Pläne der dänischen Regierung zu protestieren, die neue permanente Grenzkontrollen an den Staatsgrenzen einführen möchte. Zu der Demonstration hatte die JEF Deutschland und Dänemark und die Jugendorganisationen mehrerer Parteien aus beiden Ländern aufgerufen. Als Höhepunkt der Kundgebung war geplant, symbolisch eine Zollschranke – einen in rot-weißes Absperrband eingewickelten Holzpfahl – zu zersägen. Doch die Holzpflöcke, die die Demonstranten dazu in den Boden rammten, hielten nicht einmal dem Wind stand – bereits nach wenigen Minuten brach die Konstruktion zusammen, unter dem Gelächter der Demonstranten; und auch der zweite Versuch stand nur wenige Minuten länger. Erst im dritten Anlauf konnten Hauke Petersen von der JEF Schleswig-Holstein und Jakob Esmann von der Parteijugend der dänischen Sozialdemokraten zur Tat schreiten und den Grenzpfahl symbolisch zersägen.
Rechtspopulisten: Mit Kontrollen kommt mehr Sicherheit
Ganz so einfach werden die Pläne der Regierung in Kopenhagen nicht zu Fall zu bringen sein. Denn die steht innenpolitisch unter Druck: Damit die Minderheitsregierung aus liberaler Venstre-Partei und der Konservativen Volkspartei im Parlament, dem Folketing, ihren Haushaltsplan verabschieden kann, ist sie auf die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti, DF) angewiesen. Im Gegenzug verlangt die DF eine härtere Gangart gegenüber Migranten und der EU. Die DF erklärt die geforderten verschärften Kontrollen mit der „erhöhten Anzahl an Verbrechen, die uns die offenen Grenzen Europas gebracht haben: Diebstahl und Raub, verübt hauptsächlich von osteuropäischen Gangs, der Schmuggel von Drogen und Waffen und Menschenhandel“. Morton Messerschmidt, der für die DF im Europaparlament sitzt, erläuterte, dass „jedes Land das Recht haben sollte, das eigene Territorium und die eigene Bevölkerung vor Menschen zu schützen, die mit boshaften Absichten einreisen.“ Die Pläne für die Errichtung von ständigen Grenzkontrollen sehen auch vor, neue permanente Gebäude an den Grenzen zu bauen. Für die Reisenden bedeuteten die Kontrollen zusätzliche Wartezeiten, denn bisher können sie, wie im Schengener Abkommen vereinbart, die Ländergrenzen passieren, ohne dass ihre Pässe überprüft werden. In der EU und bei den Regierungen der Nachbarländer, besonders Deutschlands und Schwedens, stießen die Pläne auf teils harsche Kritik. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle warnte bei einem Treffen mit seiner dänischen Amtskollegin Lene Espersen vor einem „Menetekel“ und forderte, dass die Reisefreiheit in der EU „in vollem Umfang erhalten bleiben“ müsse.
Die Jugend ist gegen Grenzkontrollen
Und auch die Demonstranten in Kruså mochten der Argumentation der dänischen Regierung und der DF nicht folgen. Sie nannten das Vorhaben einen „billigen, populistischen Vorschlag“ und „Symbolpolitik“, die beteiligten Politiker wurden als „Kleingeister“ und „Inselpolitiker“ bezeichnet. Mehrere Gründe führten die Demonstranten gegen die dänischen Pläne an. „Das ist reine Geldverschwendung. Die Regierung plant, 150 Mio. Dänische Kronen (etwa 21 Mio. Euro) für diesen Schrott auszugeben, um rein symbolische Grenzkontrollen wieder einzuführen, von denen schon absehbar ist, dass sie den angestrebten Erfolg, nämlich eine Verringerung der Kriminalität, nicht erreichen werden“, sagte Jakob Dorph Broager von der JEF Dänemark. Darüber hinaus seien die geplanten Kontrollen auch ein Angriff auf die „europäischen Werte“. „Unser Wohlstand basiert auf Kooperation und die basiert auf gemeinsamen Werten. Ein solcher Angriff auf europäische Grundwerte gefährdet somit die europäische Kooperation und damit auch den Wohlstand in Dänemark.“ Weiter würden die Vorschläge auf falschen Grundannahmen basieren: So habe die Kriminalität in Dänemark kaum mit grenzüberschreitend aktiven Verbrechern zu tun. Und die würden sich ohnehin besser durch überraschende mobile Kontrollen stoppen lassen, argumentiert er.
Nicht nur seien die Methoden unbrauchbar und teuer, sondern hätten auch negative Konsequenzen für das Zusammenleben zwischen Dänen und Deutschen. „Als junger Mensch habe ich ein Interesse an guten Beziehungen zu Deutschland“, sagte Therese Alexandra Evald, die sich bei der Jugendorganisation der dänischen Sozialistischen Volkspartei (SF) engagiert. Die 18-jährige aus Åbenrå, etwa 25 Kilometer nördlich von Kruså, fügte hinzu: „Süddänemark und Norddeutschland bilden eine Brücke zwischen den Kulturen“ – etwa wenn Dänen in Deutschland leben und Deutsche in Dänemark. Über die dänischen Regierungspläne ist sie empört: „Die dänische Regierung will diese Brücke gerade verbrennen!“ Statt neue Kontrollen einzuführen, fordert sie mehr Zusammenarbeit, etwa bei Themen wie Bildung und Nahverkehr. „Die Grenzkontrollen werden für ganz normale Pendler wirklich nervig sein und die Beziehungen zwischen unseren Ländern unter Stress setzen. Und das wollen wir nicht!“
Angst vor einem Rückfall in alte Zeiten
Mit der Kundgebung wollten die Demonstranten aber nicht nur gegen die Pläne der dänischen Regierung protestieren. „Nicht nur auf dänischer Seite gibt es Bestrebungen, Grenzkontrollen wieder einzuführen“, sagte JEF-Aktivist Hauke Petersen. „Unsere Befürchtung ist, dass der europäische Gedanke zurückgeworfen wird. Auch in Deutschland werden so genannte nationale Interessen wieder stärker betont.“ Der Grund dafür sei eine Sündenbock-Funktion, die Europa von den Regierungen zugeschrieben werde. „Mein Eindruck ist: Wenn es etwas schlecht läuft, kann man das immer auf Brüssel abschieben, obwohl dort natürlich auch die nationalen Regierungen mitentscheiden. Wenn aber etwas gut läuft, dann sorgt dafür angeblich der Nationalstaat.“ Neben der Aktion in Kruså demonstrierten JEF-Aktivisten deshalb auch an der deutsch-französischen Grenze in Kehl und, besonders symbolträchtig, im Moselort Schengen an der deutsch-luxemburgischen Grenze.
Lob für die Aktion
Die Protestkundgebung fand auf dem etwa 50 Meter breiten Mittelstreifen der Hauptstraße zwischen Kruså und Flensburg statt – und wurde deshalb zwar von vielen Autofahrern gesehen, mit denen die Demonstranten aber kaum direkt in Kontakt treten konnten. Pläne, als Protest tatsächlich Autos anzuhalten, seien von der Polizei nicht erlaubt worden, sagte Hauke Petersen. Die Begründung: Eine Verkehrsblockade sollte auf jeden Fall vermieden werden. Auch so aber stieß die Aktion auf Zustimmung: Viele Autofahrer hupten und grüßten die Demonstranten. Und einer der wenigen Passanten lobte die Demonstranten: „Die Aktion ist genau richtig!“
Dämpfer für die Rechtspopulisten
Zumindest in der Grenzregion sind die Pläne der dänischen Regierung, bald wieder Grenzkontrollen einzuführen, augenscheinlich alles andere als unumstritten. Daher hoffen die Teilnehmer auf einen spürbaren Effekt ihrer Aktion. „Weil die Zustimmung zur Einführung von Grenzkontrollen in Dänemark umstritten ist und die parlamentarische Mehrheit dünn, geben solche Aktionen wie die heute hier vielleicht den entscheidenden Ausschlag, damit wieder Vernunft einkehrt“, sagte Hauke Petersen. Einen Dämpfer hat das Kopenhagener Parlament den Plänen ohnehin schon verpasst: Am 10. Juni verweigerte der Finanzausschuss die Bewilligung der notwendigen Mittel für die Grenzkontrollen. Entscheidend wird nun die Abstimmung im Folketing, die für den 1. Juli erwartet wird.
Kommentare verfolgen: |