Soziales

Flexicurity: Gebrauchsanweisungen

, von  Vincent Meunier

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Flexicurity: Gebrauchsanweisungen

Erkorene Priorität der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist das Konzept der „Flexicurity“. Von der in den 1990er in Kraft getretenen Arbeitsrechtspolitik in Dänemark abgeleitet beinhaltet der Begriff eine vereinfachte Entlassungsmöglichkeiten („flexibility“) für die Unternehmen, „abgefedert“ durch großzügige, aber kurze Arbeitslosengelder und individueller Hilfe zum Neuanfang („security“).

Außerhalb der „Eurozone“ geblieben, verweist das Königreich –wie seine skandinavische Nachbarn - auf außergewöhnliche volkswirtschaftliche Erfolge, die auf die in den letzten Jahre stramm durchgeführte Reformen zurückzuführen sind: Erhöhung des Rentenalters, Verwaltungsabbau, Begrenzung der Sozialleistungen, Eindämmung der inwanderung von Wirschaftsflüchtlingen, Unterstützung der Neuen Technologien.

Gemäß der Verpflichtungen der Lissabon-Strategie hat Deutschland beschlossen, die Debatte auf der europäischen Bühne zu führen. Nach dem Grünbuch der Kommission vom 22. November (2006?) hat Berlin erklärt, dass nur die zwischenstaatliche Kooperation die „Entwicklung des europäischen Sozialmodells“ ermöglichte.

Unsinn! Es gibt z.Z. weder ein „europäisches Sozialmodell“ noch ein „wirtschaftliches“ oder gar „politisches Modell“. Dieses Manko ist übrigens eines der bedeutendsten Probleme des großen Binnenmarkts. Wie könnte man an ein solches Modell glauben, angesichts der gravierenden Unterschiede in der Arbeitszeit, in der Rolle der Gewerkschaften, im Wirtschaftsrecht, in der Einkommensbesteuerung, im Rentenalter, in der eines der bedeutendsten Probleme

Die „Flexicurity“ könnte „das“ europäische Sozialmodell werden, wenn wir tatsächlich ein solches wollen. Ohne Föderalismus aber kann sie nur der kleinste gemeinsame Nenner bleiben, der für jeden akzeptabel ist, je nach wechselnden nationalen Gegebenheiten.

Die Balance zwischen „Flexibilität“ und „Sicherheit“ wird je nach Staat sehr unterschiedlich ausfallen und somit das Ergebnis eher einem Kaleidoskop als einem Mosaik ähneln, wenn es nicht zu einer Harmonisierung ohne „opt-out“ Möglichkeit für die 27 Mitgliedsstaaten kommt.

Dieser zukünftige „Arbeits- und Wirtschaftskodex“ müsste klar folgende Fragen beantworten: welche Regeln bestimmen ein Arbeitsverhältnis - und sein Bruch? Geben wir uns mit einem Niedriglohnsektor zufrieden - mit gegebenenfalls staatlicher Steuerbegünstigung oder „Kombi-Lohn“? Welche Fördermaßnahmen für Unternehmensgründungen - ohne Wettbewerbsverzerrungen zwischen Länder und Regionen - sind erlaubt? Wie kann man die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Güter und Dienstleistungen sichern, ohne den freien Handel zu gefährden?

Eine europäische „Flexicurity“ ist möglich und wünschenswert, aber sie verlangt konsequente und mutige Entscheidungen EU-weit: der Schutz des Menschen hat Vorrang auf den des Arbeitsplatz, die Mobilität im Beruf wie im Wohnsitz wird unterstützt, die Liberalisierung der Gehälter ist selbstverständlich, wie auch eine größere Verantwortung des Einzelnen für seine persönliche Zukunft (Pensionsrechte).

Auf Regierungsebene ist ein zähes Ringen zu erwarten, um diese Modernisierung „durchzusetzen“. Wenn aber die Weigerung der etablierten Machtkartelle gebrochen werden soll, muss sich die Bürgergesellschaft das Thema aneignen, im Europäischen Wirtschafts- und Sozialrat wie auch im Parlament und besonders in den Medien. Es geht um die Glaubwürdigkeit der „Flexicurity“ als „Neue Socioökonomische Grenze“ in einer politischen Demokratie namens Europa.

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