Europaparlament lehnt Haushaltspläne ab

Mehrjähriger Finanzrahmen des Rats vorerst gescheitert

, von  Christoph Sebald

Europaparlament lehnt Haushaltspläne ab
Das Europaparlament stimmt in Strassburg gegen den Beschluss des Rates über den mehrjährigen Finanzrahmen. Quelle: European Parliament / 2013 - Audiovisueller Dienst.

Mit deutlicher Mehrheit lehnte heute das Europaparlament den Beschluss des Rats über den mehrjährigen Finanzrahmen ab. In seiner gegenwärtigen Form trage der Beschluss „den Prioritäten und Bedenken“ des Parlaments keine Rechnung, so die Parlamentarier. In einer Entschließung werden die Staats- und Regierungschefs nun zu Neuverhandlungen aufgefordert.

Deutliches Nein zum Beschluss des Rates

Es war ein vorhersehbares Abstimmungsergebnis. Mehrfach und geschlossen hatten sich die Europaparlamentarier von dem Entwurf der 27 Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer enttäuscht gezeigt. Nun haben sie ihn mit einer deutlichen Mehrheit von 506 von 690 Stimmen abgelehnt.

Das Parlament hat dabei nur folgerichtig auf die offene Provokation der Staats- und Regierungschefs reagiert, welche die Positionen des Parlaments im Vorfeld glatt ignorierten. Statt „nationalem Rosinenpicken“ und ungedeckten Haushalten, fordern die Europaparlamentariern in ihrem Entschluss für den Zeitraum von 2014 bis 2020 einen „zeitgemäßen, auf die Zukunft ausgerichteten, flexiblen und transparenten Haushalt“. Nun werden Verhandlungen mit dem Rat beginnen, bevor dann das Parlament abschließend über den MFR beschließt.

Das Europaparlament fordert Zugeständnisse

Gleich in mehreren Punkten verlangt das Europaparlament Zugeständnisse. So fordern die Parlamentarier etwa die Mitgliedstaaten auf, das Defizit von 16 Mrd. Euro im laufenden Haushalt auszugleichen. Das Parlament soll außerdem schon nach dreieinhalb Jahren das Recht erhalten den Finanzrahmen zu ändern, wenn er sich als unzureichend erweisen sollte. Weitere Forderungen sind eine flexiblere Nutzung der Mittel sowie eigene Steuereinnahme der EU.

Mit Rücksicht auf die angespannte Wirtschafts- und Haushaltslage in einigen Mitgliedstaaten will das Europaparlament an der Gesamthöhe von 960 Mrd. Euro jedoch nicht mehr rütteln.

Eine Frage der Ehre

Schon aus Gründen der Selbstachtung habe das Parlament diesen Beschluss ablehnen müssen, so Michael Theurer MdEP und weiter: „Wir sind gesprächsbereit, aber nicht blöd!“. Es war eben eine Frage der Macht, denn der Kuhhandel der Staats- und Regierungschefs läuft nicht nur den Zielen der EU zuwider, sondern ist auch ein Affront gegenüber dem Parlament, dessen Positionen nicht in die Planungen zum mehrjährigen Finanzrahmen eingeflossen sind.

Wer Macht hat, wird gehört und wenn das Europaparlament seine Macht demonstriert, dann ist das gut für seine öffentliche Wahrnehmung. Sicher hätte das Parlament noch überzeugter auftreten können – dennoch, die Entscheidung ist richtungsweisend. "Das ist heute ein großer Sieg für die europäische Demokratie“, sagte Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments. Dem ist nur beizupflichten.

Hintergrund mehrjähriger Finanzrahmen (MFR)

Der mehrjährige Finanzrahmen (MFR) bildet die Grundlage für die Verpflichtungsermächtigungen (Ausgabenberechtigung) sowie Zahlungsermächtigungen (Einnahmeansprüche) der EU. Seit 1992 steckt er über einen Zeitraum von 7 Jahren den Rahmen für die Jahreshaushalte der EU ab. Er ist nötig, da die EU nicht eigenständig Steuern und Abgaben erheben kann. Ihre Einnahmen speisen sich aus einem von den Mitgliedstaaten erhobenen Anteil der Mehrwertsteuer, Beiträgen der Mitgliedstaaten, die sich am Bruttonationaleinkommen orientieren und den „traditionellen Eigenmitteln“ der EU, insbesondere den Außenzöllen.

Der MFR muss auf Grundlage eines Vorschlags der Europäischen Kommission vom Rat einstimmig beschlossen werden und tritt nach Zustimmung des Europäischen Parlaments in Kraft. Neu ist, dass der MFR seit dem Vertrag von Lissabon rechtlich verbindlich ist und in Gesetzesform verabschiedet werden muss. Neu ist aber auch ein Veto-Recht des Parlaments. Hingegen fiel das Recht des Parlaments weg, den MFR bei wirtschaftlicher Prosperität und öffentlicher Haushaltssteigerung auszuweiten. Insofern ist es eine Provokation gegenüber dem Parlament, dass der MFR gerade jetzt gemessen an allen öffentlichen Haushalten von Jahr zu Jahr sinken soll.

Gigantische Zahlen, so der landläufige Eindruck, werden durch den MFR nach Brüssel geschickt, doch tatsächlich ist das Volumen des MFR relativ klein und seit den 90er Jahren Rückläufig.

So handelt es sich beim EU-Haushalt lediglich um etwa 2% aller öffentlichen Ausgaben in allen Ebenen der EU. Damit ist der Haushalt der EU kleiner als der von Dänemark oder Österreich. Den offiziellen Kürzungen von 3% gegenüber dem MFR von 2007-2013 stehen deutlich höhere relative Kürzungen gegenüber. Zwischen 2000 und 2010 nahmen etwa die nationalen Haushalte in der EU um 62 % zu, der Haushalt der EU jedoch nur um 37 %. Hinzu kommen zahlreiche „Rabatte“. Neben dem „Britenrabatt“ gewährt der Beschluss des Rats u.a. Schweden, den Niederlanden, Deutschland und Österreich deutliche Abschläge auf ihren Beitrag, die sich in Summe auf rund 50 Mrd. Euro belaufen.

Durch die Globalisierung hat sich die Struktur der EU „Eigenmittel“ verändert. Zolleinnahmen verlieren stark an Bedeutung und sorgen dafür, dass die EU immer stärker auf Zuwendungen aus den Mitgliedstaaten angewiesen ist. Auch deshalb fordert das Parlament schon länger wieder mehr wirkliche Eigenmittel.

Ihr Kommentar
Vorgeschaltete Moderation

Achtung, Ihre Nachricht wird erst nach vorheriger Prüfung freigegeben.

Wer sind Sie?

Um Ihren Avatar hier anzeigen zu lassen, registrieren Sie sich erst hier gravatar.com (kostenlos und einfach). Vergessen Sie nicht, hier Ihre E-Mail-Adresse einzutragen.

Hinterlassen Sie Ihren Kommentar hier.

Dieses Feld akzeptiert SPIP-Abkürzungen {{gras}} {italique} -*liste [texte->url] <quote> <code> et le code HTML <q> <del> <ins>. Absätze anlegen mit Leerzeilen.

Kommentare verfolgen: RSS 2.0 | Atom