Strategie der Europäisierung unserer Bildungssysteme

Europa durch die Schule

Ein reichhaltiger deutsch-französischer Beitrag über eine wesentliche Frage

, von  Übersetzt von Cédric Puisney, Mélanie Henneberger

Alle Fassungen dieses Artikels: [Deutsch] [français]

Europa durch die Schule

« Trotz der Ablehnung der europäischen Verfassung (VVE) wird Europa weiterbestehen. Heute ist nicht mehr der Zeitpunkt für oder gegen Europa zu sein: es ist Wirklichkeit. Europa ist keine Frage mehr des Warum, sondern des Wie » stellen Christine de Mazières und Babette Nieder in ihrem vor kurzem veröffentlichten Buch : « L’Europe par l’école» („Europa durch die Schule“) fest.

So entwickeln die beiden Autorinnen auf über hundert Seiten, aus einer deutsch-französischen Perspektive heraus, eine Strategie für die Europäisierung des Bildungssystems in Frankreich und Deutschland.

Wie kann man ein echtes europäisches Bewusstsein entwickeln? Wie kann man die Vielzahl der Sprachen in Europa beibehalten und fördern, damit diese nicht von einem standardisierten Englisch ersetzt werden? Warum versuchen wir nicht, die aktuelle Krise unserer Bildungssysteme durch eine europaweite Bildungsreform zu lösen?

Von der Hypothese ausgehend, dass die Entstehung eines wirklichen europäischen Bewusstseins nur durch Kultur- und Sprachkenntnisse anderer europäischer Länder möglich ist, schlagen die Autorinnen eine tiefgreifende Reform des aktuellen Bildungssystems vor.

Vier Prinzipien zur Umsetzung einer europäischen Schule für alle

Schon im ersten Kapitel präsentieren die Autorinnen ihr Projekt einer « europäischen Schule für alle » („école de l’Europe pour tous“ in der OV). Dieses Projekt beruht auf vier Grundprinzipien :

Erstens : das Erlernen zweier Femdsprachen vor dem neunten Geburtstag zu ermöglichen. Konkret hieße dies, eine erste Fremdsprache mit sieben und eine zweite mit acht zu erlernen, wobei die beiden Sprachen - soweit möglich - von Muttersprachlern unterrichtet würden.

Zweitens : die Autorinnen schlagen vor, dass Englisch als zweite (statt als erste) Fremdsprache verpflichtend sein sollte, um die Dominanz des Englischen zu vermeiden (jedoch ohne seine Bedeutung in der globalisierten Welt zu verneinen...).

Drittens : die Autorinnen fordern, dass die gelernten Sprachen ab dem fünften Lernjahr auch in den anderen Fächern verwendet werden können. Dies könnte durch Unterricht nicht-sprachlicher Fächer in einer Fremdsprache verwirklicht werden (und auch im Rahmen internationaler Projekte oder Austausche...). In diesem Zusammenhang fordern die Autorinnen auch den Aufbau eines « Brigitte Sauzay Programmes» (so genannt, in Erinnerung an die ehemalige französische Beraterin des früheren Bundeskanzlers Schröder) : damit jede(r) Schüler(in) an einem längeren individuellen Austausch teilnehmen kann.

Europäischer Kulturunterricht um uns besser kennenzulernen

Schliesslich, als viertes umzusetzendes Prinzip : die Schaffung eines Unterrichts in europäischer Kultur. Ein Fach, das nicht nur von einem ausländischen Lehrer, sondern auch vor allem in seiner Sprache unterrichtet würde. Dieses Fach sollte den Schülern nicht nur die Geschichte der Europäischen Union oder Wissen über die europäischen Institutionen vermitteln, sondern auch die Kenntnisse der verschiedenen nationalen Traditionen fördern.

So wäre das Lernen offener gegenüber anderen Kulturen und könnte somit eine sozialere Dimension schaffen. Tatsächlich steht die internationale Schule leider nur einer begrenzten Elite offen, obwohl mehr interkultureller Austausch auch eine bessere Integration der Einwanderer begünstigen könnte.

Die Bildungsfragen in einer europäischen Perspektive neu überdenken

Tatsächlich haben die Autorinnen ein ehrgeiziges Projekt entworfen, um das europäische Bewußtsein in der ganzen europäischen Bevölkerung zu fördern. Wenn man aber wirklich die ganze europäische Bevölkerung betrachtet, sollte man nicht vergessen, dass dieses Buch zunächst aus einer mehr deutsch-französischen als globalen europäischen Perspektive geschrieben wurde.

Selbstverständlich war (und bleibt) die deutsch-französische Achse ein Motor der europäischen Konstruktion; und was wir in unseren beiden Ländern umzusetzen beginnen, könnte ein Modell für den Rest Europas werden. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die Kenntnis des großen Nachbarn nicht reicht. Und dass wir genauso gut die Kultur europäischer Länder wie Litauen, Griechenland oder Malta kennenlernen sollten. Deswegen sollte ein Unterricht in europäischer Kultur auch Grundinformationen über diese (kleinen) Länder enthalten.

Ein Grundprinzip : Aufgeschlossenheit durch den Zugang zur Kultur

Auf einer mehr europäischen (als deutsch-französischen Ebene) bemerkt man, dass es schwierig ist zu verstehen, warum es wichtiger sein sollte, bestimmte europäische Sprachen (wie deutsch oder französisch) mehr als andere zu lernen.

Denn das Wichtigste ist, mehr als eine Fremdsprache, wenn nicht gar drei oder vier, zu lernen. Dies sollte so früh wie möglich geschehen, und ohne sich unbedingt zu fragen, welche Sprache als erste gelernt werden sollte. Abgesehen von dieser kleinen Kritik stellt dieses Buch jedoch einen wichtigen Beitrag zugunsten der Schaffung eines europäischen Bewusstseins dar. Ein Buch, dessen Lektüre allen Lehrern und auch allen Politiker(innen), die sich mit diesen Fragen beschäftigen, wärmstens empfohlen werden kann.

Übersetzt aus dem Französischen von Cédric Puisney

* Die Autorinnen :

Mit je einem Bein in beiden Kulturen hat Christine de Mazières ein Doppelengagement : neben ihrer Karriere in Paris, als Beamtin im höheren Dienst im Finanzbereich, ist sie auch Präsidentin des Verbandes « Initiative Paris-Berlin ».

Babette Nieder leitet den Verband « Génération Europe 21 » bei der Maison de l’Europe in Paris. Nachdem sie als erste deutsche Beraterin des frz. Premierministers nominiert worden ist, hat sie in der Europäischen Kommission zu Ausbildungs- und Kulturfragen gearbeitet und hat 5 Jahre lang das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) geleitet.

Die beiden sind Mitglieder der Genshagen Stiftung, des ehemaligen „Institut Berlin-Brandenburg“ für die deutsch-französischen Beziehungen in Europa.

* Referenzen :

« l’Europe par l’école » von Christine de MAZIERES und Babette NIEDER, éditions Eska (Collection « Vie Pratique »), Paris, Januar 2006. (20 Euro)

Ihr Kommentar
Vorgeschaltete Moderation

Achtung, Ihre Nachricht wird erst nach vorheriger Prüfung freigegeben.

Wer sind Sie?

Um Ihren Avatar hier anzeigen zu lassen, registrieren Sie sich erst hier gravatar.com (kostenlos und einfach). Vergessen Sie nicht, hier Ihre E-Mail-Adresse einzutragen.

Hinterlassen Sie Ihren Kommentar hier.

Dieses Feld akzeptiert SPIP-Abkürzungen {{gras}} {italique} -*liste [texte->url] <quote> <code> et le code HTML <q> <del> <ins>. Absätze anlegen mit Leerzeilen.

Kommentare verfolgen: RSS 2.0 | Atom