Euro in der Krise?!

Finanzkrise in der Euro-Zone durch zu hohes Preisniveau in früheren Boomländern

, von  Ben

Euro in der Krise?!

Ein Gespenst geht um in der EU – das Gespenst der Zahlungsunfähigkeit. Ungarn, Lettland, Polen und Rumänien erhalten bereits Notkredite vom Internationalen Währungsfonds (IWF), Griechenland zahlt inzwischen knapp 4% mehr Zinsen als Deutschland auf langfristige Staatsanleihen und auch in Irland und Spanien ist die Wirtschaft so stark eingebrochen, dass die Arbeitslosenquote inzwischen 13,3% bzw. 19,5% beträgt (ähnliches gilt für Portugal).

Unterschiede zwischen Ost- und Südeuropa/Irland

Die Krisen in den osteuropäischen Ländern – ausgelöst vor allem durch interne Spekulationsblasen, die Flucht internationaler Investoren und einbrechende Nachfrage für Exporte – ziehen zwar tiefe Rezessionen nach sich, sind aber für die Eurozone keine große Bedrohung. Der IWF wird einen Staatsbankrott kaum in Kauf nehmen, und selbst wenn wären die Verluste überschaubar. Anders liegt die Sache für Griechenland, Spanien und Irland; alle drei sind Mitglieder der Euro-Gruppe. Ein Staatsbankrott eines dieser Länder könnte einen massiven Zinsanstieg der Staatsanleihen anderer Euro-Länder zur Folge haben, der schließlich in einer Kettenreaktion möglicherweise weitere Staatspleiten auslösen würde.

Iren, Spaniern und Griechen sind in der Krise stärker die Hände gebunden als ihren osteuropäischen Leidensgenossen: Als Mitglieder der Währungsunion sind sie geldpolitisch den Entscheidungen der europäischen Zentralbank ausgeliefert. Damit bleibt ihnen tatsächlich kein Mittel zur Bekämpfung der Rezession übrig.

Haushaltsdefizit nicht das einzige Problem

Eine weitere Senkung der Leitzinsen, um die Kreditversorgung des Privatsektors zu verbessern, ist unmöglich, da die Europäische Zentralbank nicht mitspielt. Ähnliches gilt für eine Abwertung der Währung, um Exporte und Tourismus zu fördern – eine Maßnahme, die ohnehin kaum Erfolg verspräche, da die wichtigsten Handelspartner der betroffenen Länder Mitglieder der Euro-Gruppe sind. Auch eine Erhöhung der privaten Konsumnachfrage durch Steuersenkungen und staatliche Investitionsprogramme sind aufgrund der desolaten Budgetsituation unmöglich.

Das Haushaltsdefizit ist nur die Spitze des Eisberges: Das eigentliche Problem der früheren Boomländer ist das im europäischen Vergleich zu hohe Preisniveau. Die Folge ist eine so genannte strukturelle Rezession mit anhaltend hoher Arbeitslosigkeit und stagnierendem Lohnniveau, bis die Lohnstückkosten wieder auf konkurrenzfähiges Niveau gesunken sind (siehe Grafik).

Fehlende Arbeitskräftemobilität

Das Problem ist nicht neu. Schon lange vor der Einführung des Euro warnten besonders US-amerikanische Ökonomen (z. B. hier) vor der Anfälligkeit großer Währungsräume für asymmetrische, d.h. regional unterschiedlich ausgeprägten Schocks. Wie Blanchard und Katz zeigen konnten, fängt die US-amerikanische Wirtschaft diese Schocks vornehmlich durch eine hohe Arbeitskräftemobilität ab: Wenn es an ihrem Wohnort keine Arbeit gibt, ziehen die Amerikaner um. Genau diese Arbeitskräftemobilität fehlt jedoch bisher im Euroraum. EU-Bürger haben zwar ein Recht auf freie Wahl des Arbeits- und Wohnortes, de facto sind die nationalen Arbeitsmärkte aber durch Kultur- und Sprachbarrieren voneinander abgegrenzt. Wie der Financial Times-Kolumnist Martin Wolf schreibt, kann man spanische Arbeitslose wohl kaum damit vertrösten, sie könnten ja nach Schweden ziehen.

Notfallkredit, Investitionsprogramme oder mehr Mobilität?

Was also tun? Kurzfristig kann alleine ein rhetorischer Kurswechsel schon viel bewirken, um die Zinsenlast für die betroffenen Staaten zu verringern: Schon die doch sehr vage Ankündigung der europäischen Staats- und Regierungschefs vom Donnerstag, man würde „entschieden und aufeinander abgestimmt handeln“, um die finanzielle Stabilität in der Eurozone zu erhalten, ist schon viel besser, als wie in den Wochen zuvor steif und festdas Gegenteil zu behaupten. Die Reaktion der Märkteist entsprechend: etwas beruhigt, aber kaum überzeugt. Noch effektiver wäre wohl die eindeutige Versicherung gewesen, dass man einen Staatsbankrott auf keinen Fall zulassen werde, solange die Krisenstaaten einem strikten Reformkurs folgen – aber das war anscheinend mit Angela Merkel nicht zu machen. Auch europäische Notfallkrediteund antizyklische europäische Investitionsprogramme, wie sie Nobelpreisträger Joseph Stiglitz vorschlägt, wären denkbar.

Fundamentale institutionelle Änderungen notwendig

Langfristig kann wohl nur eine fundamentale Änderung der institutionellen Struktur der europäischen Geld- und Finanzpolitik helfen, derartige assymmetrische Schocks abzumildern. Einerseits scheint der sehr einseitige Fokus der Europäischen Zentralbank auf Inflationsbekämpfung überholt; andererseits muss auch der Euro-Stabilitätspakt, den Romano Prodi schon 2002 so treffend den „stupidity pact“ genannt hat, dringend flexibler werden. Auch wäre zu prüfen, ob nicht eine Vorschussmöglichkeit aus den EU Strukturfonds, wie sie jetzt als Notmaßnahme erwogen wird, institutionalisiert werden sollte. Schließlich wäre es sinnvoll, die Arbeitskräftemobilität durch Bürokratieabbau und Bildungsprogramme langfristig zu fördern. Die europaweite Mobilität des vielgescholtenen polnischen Handwerkers ist nämlich der erste Schritt zu einer stabileren europäischen Binnenwirtschaft.

A long way down... Quelle: OECD

Ihr Kommentar
  • Am 14. Februar 2010 um 16:41, von  Cédric Als Antwort Less constitutionalism

    Sehr guter Artikel und Schlussfolgerungen.

    Einer Aussage möchte ich aber widersprechen:

    „Ähnliches gilt für eine Abwertung der Währung, um Exporte und Tourismus zu fördern – eine Maßnahme, die ohnehin kaum Erfolg verspräche, da die wichtigsten Handelspartner der betroffenen Länder Mitglieder der Euro-Gruppe sind.“

    Das ist das schwächste Argument zur Ablehnung einer europäischen Wechselkurspolitik, das ich jemals gelesen habe. Die wichtigsten Handelspartner von North Dakota und Kalifornien sind auch Mitglied-Länder der Dollar-Gruppe. Die Amerikanische Regierung führt dennoch eine sehr aktive Wechselkurspolitik, wovon die ganzen USA profitieren, einschließlich stark verschuldete US-Staaten.

    Die Euro-Gruppe ist die einzige Währungsunion auf der Welt, die auf eine Wechselkurspolitik verzichtet hat. Auf Wunsch Deutschlands, da die Exportfähigkeit der deutsche Industrie nicht vom Preis ihrer Exportgüter abhängen, was selten der Fall ist in anderen Eurozone-Ländern.

    Es ist wirklich Schade dass Deutschland auf der EU-Ebene immer auf ökonomischen Konstitutionalismus gesetzt hat. Wie sollte die EU mit dem Kurs ihrer Währung umgehen, was sollte die Zielsetzung der EZB sein (Inflationsbekämpfung in Europa, gegen Inflationsbekämpfung, Wachstum und Beschäftigung in den Vereinigten Staaten), diese wichtigen Frage sollten nicht voraussichtlich in den Verträgen festgelegt sein, sondern zum Thema einer europaweiten politischen Debatte werden, und dann in einem EU-Gesetz geregelt sein !

    Nicht eine politische Debatte anlässlich Sitzungen des Europäischen Rats (wobei die französischen und deutschen Regierungschefs immer Karikaturellen Stellungnahmen zum Thema Wirtschaftsregierung nehmen werden), sondern eine politische Debatte während wirklich europäischen Europawahlen und zwischen die gemeinschaftlichen Institutionen.

  • Am 15. Februar 2010 um 18:14, von  Ben Als Antwort Less constitutionalism

    Cédric: Ich gebe zu, der Satz ist unglücklich formuliert, aber ich denke das Argument steht. Beispiel Griechenland: Laut den Zahlen der griechischen Zentralbank hat Griechenland 2008 Waren und Dienstleistungen im Wert von 53,9 Mrd. Euro exportiert. Das entspricht einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von ca. 23%. Man kann wohl davon ausgehen, dass mindestens die Hälfte davon Exporte in andere Länder der Eurozone sind. Es bliebe also für Wachstum durch Abwertung des Euros nicht viel Spielraum.

    Anders liegt die Sache zum Beispiel in Lettland: Die lettischen Exporte machen insgesamt 9,6 Mrd. Euro, d.h. rund 48% des lettischen Bruttoinlandsprodukts aus. Eine Abwertung des Lats hätte also bei weitem größere Konsequenzen für Lettland als eine gleich große Abwertung des Euro für die griechische Wirtschaft. Für die Staaten der USA gilt im Übrigen das gleiche wie für Griechenland: Eine Abwertung des Dollars bringt einem Not leidenden Staat wie z.B. Michigan vergleichsweise wenig.

    Das eigentliche Problem, das ich in einer signifikanten Abwertung des Euro sehe, ist, dass ein solcher Schritt die globale Gesamtnachfrage nicht steigern, sondern nur umverteilen würde. In regional begrenzten Krisen wie der Asienkrise von 1997/98 mag ein solches Modell, also die Bewältigung einer zu geringen Gesamtnachfrage durch Abwertung der Währung, ja noch erfolgreich sein — da aber diesmal die ganze Welt mehr oder weniger in der Liquiditätsfalle steckt, wird sich die Weltwirtschaft wohl kaum an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen können. Daher fürchte ich, eine Abwertung des Euro würde nur eine weltweite Abwertungswelle zur Folge haben und das globale Finanzsystem destabilisieren. Eher sollte die EZB meines Erachtens eine weitere Zinssenkung in Betracht ziehen.

  • Am 15. Februar 2010 um 22:28, von  Volker Lindenthal Als Antwort Euro in der Krise?!

    Spannendes Thema! Guter Artikel! Allerdings möchte ich der Schlußfolgerung eines weiteren Aufweichens des Stabilitäts- und Wachstumspaktes widersprechen. Durch die bisherige Handhabung und die Aufweichung im Jahr 2005 wurden die Anreize, strukturell ausgeglichene Haushalte zu erwirtschaften, weiter reduziert. Wenn die strukturellen Haushaltsdefizite allerdings schon gegen die als Höchstgrenze definierten 3% konvergieren, können die Staaten aber die Vorgaben zwangsläufig nicht einhalten (Defizit = strukturell + konjunkturell). Ein Defizit von 3% würde allerdings für konjunkturelle Abschwünge ausreichen. Daher besteht meines Erachtens Nachbesserungsbedarf, die Anreize, strukturelle Defizite abzubauen, zu erhöhen. Ein ganz anderes Problem ergibt sich im Falle Griechenlands zusätzlich noch durch die Manipulationen, die überhaupt erst zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone und auch die Maastricht-konformen Haushalte der vergangenen Jahre geführt haben. Solche gravierenden Schlupflöcher gefährden die Geldwertstabilität erheblich. Fakt ist allerdings, daß die Eurozone keine optimal currency area ist. Daher wird es zwangsläufig auch neue institutionelle Ausgestaltungen geben müssen, um den Währungsraum nicht auseinander brechen zu lassen. Gerade in Hinblick auf die von Blanchard vertretene These der rotating slumps erscheint es sinnvoll, weitere Politikmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu evaluieren.

  • Am 16. Februar 2010 um 10:29, von  Cédric Als Antwort Less constitutionalism

    Ah… Ich hatte die Argumentation schlecht verstanden bzw. nicht ergreifen dass es nur um eine Abwertung des Euro als Lösung für Länder wie Griechenland ging.

    Bezüglich deines letzten Absatzes, es ist wirklich nett, sich um die Weltwirtschaft Sorge zu machen. Mit einer ähnlichen, an den Weltinteressen orientierten Einstellung hat die EU ihr Markt für chinesische Staatsunternehmen (Unternehmen die durch Tarnfirmen eigentlich von der Regierung von Beijing kontrolliert werden) weitgehend aufgemacht, ohne irgendeine Art Gegenseitigkeit zu erwarten. Das gleiche gilt einigermaßen auch mit Erderwärmung. Wir denken dass China und Russland vom europäischen Vorbild beeindruckt sein werden und begeistert mitmachen werden. Aber so geht es nicht. Brasil, den USA, Indien, allen diesen Ländern ist es von Erderwärmung bewusst (China vielleicht nicht), aber sie verpflichten sich nicht solange die anderen auch ein bisschen Engagement zeigen.

    Wir sollten endlich unser eigenes Interesse verfolgen, wie die anderen Weltteile und Länder es machen, wie Deutschland auch es innerhalb der EU manchmal diskret, manchmal unverschämt macht. Unser Interesse liegt zwar in der Weltwirtschaft, im weltweiten Kampf gegen Armut und Erderwärmung, und wir sollten alles dafür tun, dass diese Probleme auf der internationalen Ebene behandelt werden. Aber wir werden nicht die Welt allein retten.

  • Am 16. Februar 2010 um 22:36, von  Ben Als Antwort Euro in der Krise?!

    Volker: Ich bin vollkommen deiner Meinung, was das Problem der strukturell unausgeglichenen Haushalte angeht. Strukturelle Haushaltsdefizite von 3% dürfen nicht Normalität sein. Insofern ist die bisherige Praxis — wie du schon schreibst — eher zu lasch.

    Die Frage ist allerdings, ob 3% Defizit wirklich „ausreichen, um konjunkturelle Abschwünge auszugleichen“. Meines Erachtens belehrt uns der spanische Abschwung zur Zeit eines Besseren. Nach Haushaltsüberschüssen in den Jahren 2005-2007 lag das spanische Haushaltsdefizit 2009 bei über 12% — und trotzdem ist eine Erholung der spanischen Wirtschaft nicht abzusehen.

    Mit Flexibilisierung meinte ich auch nicht, dass der Stabilitätspakt aufgeweicht, sondern eher, dass er verbessert werden sollte. Zum Beispiel könnte ich mir ein dynamisches Defizitkriterium vorstellen, das abhängig von der nationalen Erwerbslosenquote oder der Abweichung der nationalen Inflationsrate vom Euro-Durchschnitt zwischen 0 und 10 Prozent variiert. Vieles ist in dieser Richtung denkbar. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass es besser geht als eine statische Grenze von 3%, die noch nicht einmal konsequent eingehalten wird.

  • Am 21. Februar 2010 um 18:35, von  Cédric Als Antwort Euro in der Krise?!

    Was sich manchmal hinter dem deutschen Verzicht auf eine europäische Wirtschaftsregierung verbigt:

    „Otmar Issing oder die zauberhafte Welt des Interessenkonfliktes“

    http://bruxelles.blogs.liberation.fr/coulisses/2010/02/otmar-issing-ou-le-monde-merveilleux-du-conflit-dint%C3%A9r%C3%AAts.html

  • Am 29. Januar 2011 um 01:42, von  Susancai Als Antwort Euro in der Krise?!

    Was Sie schreiben, ist ziemlich gut. Sie sind gut für unsere Leser wissen. Vielen Dank für den Beitrag! http://www.factorgaming.com

  • Am 26. März 2011 um 10:06, von  babyji Als Antwort Euro in der Krise?!

    zeigen konnten, fängt die US-amerikanische Wirtschaft diese Schocks vornehmlich durch eine hohe Arbeitskräftemobilität ab: Wenn es an ihrem Wohnort keine Arbeit gibt, ziehen die google

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