Ergebnisse der Parlamentswahlen: Ein ruhiges Polen

, von  Pascal Malosse, Übersetzt von Daniel Kosak

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Ergebnisse der Parlamentswahlen: Ein ruhiges Polen
„Europa ist die Antwort“ : Donald Tuskpräsentiert Polens EU Prioritäten © European Parliament, 2011

Der Sieg der liberalen pro-europäischen Partei Platforma Obywatelska (PO) erklärt sich durch die guten Jahre, die Polen erlebt hat : Die europäischen Fonds, eine geringe Abhängigkeit von Krediten, geringe Auswirkungen der Finanzkrise, ein solider Binnenmarkt und niedrige Lohnkosten, die Investitionen anziehen. Wie sollte man nicht optimistisch sein, im einzigen Land in Europa, das 2011 ein Wachstum von 4% erreicht? Jedoch hat die Regierung Tusk in Wahrheit bis auf die Rentenreform nicht viel in Angriff genommen

Keine großen Reformen und ein Scharfmacher

Die öffentlichen Haushalte sind nicht gezügelt worden. Die Regierung scheint nicht so sehr von ihrer Politik profitiert zu haben, als von einer langen Liste günstiger Umstände: Die EM 2012, die EU-Ratspräsidentschaft, die Entdeckung von Schiefergasvorkommen. Aber sie hat auch keinen großen Fehler begangen. Wie beim Mikado gewinnt, wer sich nicht bewegt!

Die einzige bemerkenswerte Veränderung ist der Auftritt des Scharfmachers Janusz Palikot (dessen Name auf polnisch wörtlich „die rauchende Katze“ bedeutet) auf die politische Bühne. Der Egozentriker hat im vergangenen April seine eigene Partei „Ruch Palikota“ gegründet. Als ehemaliger PO-Abgeordneter hat er sich seit einigen Jahren das Image eines humorvollen Provokateurs geschaffen.

So erschien er auf einer Pressekonferenz mit einer Pistole, um die schlechten Praktiken der Polizei zu kritisieren oder tauchte mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „ich bin schwul und wähle sozialistisch“ auf und fragte Jarosław Kaczyński, ob er auf Frauen oder Männer stehe. Sein Programm ist nicht immer klar, aber er attackiert die Institution Kirche, verteidigt die Rechte sexueller Minderheiten, fordert eine menschlichere Verwaltung und möchte Cannabis legalisieren. Für eine Partei fast ohne finanzielle Mittel, die erst vor wenigen Monaten geschafften wurde und auf deren Liste lauter unbekannte Gesichter auftauchen (darunter eine Transsexuelle in Krakau) ist der Erfolg außergewöhnlich. Mit 10% wird sie die dritte politische Kraft im Land. Die Jungen haben sie extrem oft gewählt.

Die anderen Parteien

Die Sozialisten (SLD, ehemalige Kommunisten) sind die großen Verlierer mit nur 7,7% der Stimmen. Die Bauernpartei (PSL), Mitglied der Regierungskoalition, hält sich komfortabel. Diese christ-demokratische Partei existiert seit fast 100 Jahren und erinnert mehr an einen Unternehmerverband mit einer hervorragenden lokalen Verankerung. Sie wird vermutlich eine erneute Koalition mit der PO bilden, um gemeinsam weiterzuregieren.

Die von Jarosław Kaczyński geführte konservative Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) hat trotz allem 30% der Stimmen erhalten. Polen bleibt zweigeteilt, geografisch und politisch. Konservativ im Osten, wo die Regionen wenig von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren. Liberal-progressiv im Westen und in Warschau. Diese Spaltung wird sich verschärfen, solange die beiden politischen Lager weiterhin daraus Kapital schlagen können.

Wo ist die Vision für Polen?

Es bleibt eine Frage, die keine Partei anspricht: Was ist die Vision für Polen nach solch guten Jahren, in denen allerdings glückliche Umstände vorherrschten? Was tun, wenn die Krise letzten Endes doch das Land erreicht? Wenn die europäischen Gelder versiegen? Wenn die Lohnkosten auf das europäische Mittel steigen und weniger Investoren anziehen? Die Polen selbst stellen diese Fragen bislang nicht. Sie ziehen es vor, in der Gegenwart zu leben und sich von der „großen Aufholjagd“ mitreißen zu lassen. Aber wie lange noch? Eine andere Quelle der Beunruhigung ist die ungewöhnlich niedrige Wahlbeteiligung von nur 48%. Gerade weil alles gut läuft, mangelte es der Wahl an wahren Streitthemen.

Das Bild einer gereiften politischen Landschaft und einer relativen Stabilität steht in starkem Kontrast zu der Situation in den alten Demokratien: in Frankreich, in Spanien, in Italien und in Deutschland, wo man die Wahlen mit Schrecken erwartet. Der Pessimismus und die Unzufriedenheit sind so groß, dass Überraschungen in den Wahlen zu erwarten sind.

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