Die zwei Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik
Doch zunächst einmal grundsätzliches zur Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Agrarförderung besteht aus zwei Säulen. Die erste Säule umfasst Förderungen aus dem Haushalt der EU und damit zum Großteil die an die Landwirte entrichteten Direktzahlungen, aber auch Marktinterventionen und Subventionen, die an die Erzeugung bestimmter Produkte gekoppelt sind. Direktzahlungen sind die Fördergelder, die die Landwirte unabhängig von den produzierten Gütern pro Hektar bewirtschafteter Fläche erhalten. Marktinterventionen zielen auf die Stabilisierung der Marktpreise von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ab. Sinken die Marktpreise für ein bestimmtes Produkt auf einen festgelegten Referenzwert (trigger price) ab, kann die EU entweder durch Aufkauf entsprechenden Erzeugnisses eine künstliche Knappheit auf dem Markt erzeugen und so für einen Preisanstieg sorgen, oder aber Hilfen zur privaten Lagerung des Erzeugnisses gewähren, damit das Erzeugnis zu einem späteren Zeitpunkt dem Markt angeboten werden kann, wenn sich die Preise stabilisiert haben. Die zweite Säule macht den kleineren Teil der Agrarförderung aus und betrifft Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten kofinanziert werden. Das umfasst hauptsächlich Maßnahmen zur Ökologisierung der Landwirtschaft, aber auch Initiativen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Diversifizierung im ländlichen Raum.
30% Greening
Zu den von der Kommission vorgeschlagenen wichtigsten Maßnahmen zählen die Erhaltung von Dauergrünland, die Diversifizierung der angebauten Früchte und die Erhaltung oder Einrichtung von ökologischen „Focus Areas“ von mindestens 7% der Anbaufläche, fälschlicherweise auch bekannt als „set aside“. Insgesamt sollen 30% der Direktzahlungen an die Umweltmaßnahmen zum Klimaschutz und Bewahrung der Biodiversität geknüpft sein und damit zu einer flächendeckenden Ökologisierung der Landwirtschaft beitragen. Das ist erheblich mehr als bisher, denn zwar gibt es innerhalb der Direktzahlungen in der ersten Säule einen Sanktionsmechanismus, der die Einhaltung von Umweltnormen erzwingen soll, jedoch betragen die Strafen nur 1% bis 5% der Direktzahlungen und sind damit verschwindend gering. Eine Koppelung von 30% der Zahlungen an Umweltstandards würde das Sanktionspotenzial erheblich erhöhen und mehr landwirtschaftliche Betriebe zwingen, Umweltnormen auch einzuhalten.
Während diese Maßnahmen einigen Akteuren nicht weit genug gehen, gehen sie vielen Mitgliedsstaaten zu weit. Das Hauptargument, das dabei vorgetragen wird ist der zusätzliche bürokratische Aufwand für Mitgliedsstaaten und Landwirte, der mit der mit den Auflagen verbunden ist, sowie die Frage in wie weit sich erfolgreiche nationale Maßnahmen integrieren lassen. Die ökologischen Focus-Areas wurden mittlerweile und fälschlicherweise von Vertretern nationaler Regierungen und Erzeugerverbänden erfolgreich als sogenannte „set-asides“ gelabelt. Das ist falsch, aber gewollt. Falsch ist es, weil der Begriff den Eindruck der Flächenstilllegung erweckt, also die Einstellung der Produktion, und schnell wird dann die Unwirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen ins Feld geführt, insbesondere vor dem Hintergrund steigender Lebensmittelpreise und stärker werdender Abhängigkeiten der EU von Agrar-Importen. Was von vielen Diskutanten gewollt ignoriert wird ist die Tatsache, dass es sich bei den 7% „set aside” keineswegs, um eine Fläche handelt, die zusätzlich stillgelegt werden muss, sondern viele Flächen, die bereits jetzt landwirtschaftlich nicht genutzt werden können oder aber nur auf eine bestimmte Art und Weise in die 7% herein gerechnet werden können. Dazu zählen brachliegende Flächen, Terassenfeldbau, aufgeforstete Flächen, Wallhecken und Landschaftseigenschaften wie Seen oder Flüsse. Dass Seen, Flüsse und Wallhecken in Deutschland bereits vom Bundesnaturschutzgesetzt geschützt werden, wie es auch in anderen Staaten der Fall sein dürfte, findet kaum Beachtung. Insbesondere klein- und mittelständische Betriebe könnten von der Regelung profitieren, da sie durchschnittlich über einen höheren Anteil von Wallhecken zur Anbaufläche verfügen als Großbetriebe. Da ist es schon verständlich, dass Dacian Ciolos nach der x-ten Klarstellung, dass es sich bei der Maßnahme um keine Flächenstilllegung handelt, leicht gereizt reagiert.
Umstritten: Neuverteilung der Direktzahlungen
Die Neuverteilung der Direktzahlungen ist einer der am heftigsten umstrittenen Punkte der Reform. Die Kommission hat vorgeschlagen, die Direktzahlungen unter den Mitgliedsstaaten und Regionen bis 2019 (!) schrittweise anzugleichen. Dazu sieht der Vorschlag vor, dass die Diskrepanz von Mitgliedsstaaten, die weniger als 90% der durchschnittlichen EU-Zahlungen erhalten, zu einem Drittel an den Referenzwert von 90% anzupassen. Das bedeutet, dass ein Mitgliedsstaat, der derzeit pro Hektar 75% des EU-weiten Durschnitts erhält, eine Differenz von 15% zum Referenzwert (90%) aufweist. Von der Differenz soll ein Drittel angeglichen werden, sprich 5%. Statt 75% erhält jener Mitgliedsstaat bis 2019 also 80% des EU-weiten Durschnitts an Zahlungen pro Hektar.
Derzeit sind die Direktzahlungen pro Hektar an die Landwirte in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten recht ungleich verteilt. Das liegt daran, dass die Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik nach dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten relativ stabil geblieben sind. Insgesamt stiegen die Ausgaben zwischen 2003 und 2010 von 44.378 Mio. Euro auf 55.611 Mio. Euro. Rechnet man die jährliche Inflation mit etwa 2% heraus, ergibt sich ein Anstieg der Agrarausgaben um etwa 1%. Über den gleichen Zeitraum stieg Fläche landwirtschaftlicher Nutzung durch die Erweiterungsrunden 2004 und 2007 um etwa 28% an. Um negative wirtschaftliche und soziale Folgen in den alten Mitgliedsstaaten zu vermeiden, wurde bei den Beitrittsverhandlungen ausgehandelt, dass die Landwirte in den neuen Mitgliedsstaaten für einen Zeitraum von sieben Jahren keinen vollen Zugang zu Direktzahlungen erhalten sollten. Begründet wurde das unter anderem mit den geringeren Produktionskosten in den neuen Mitgliedsstaaten. Das hat dazu geführt, dass die Direktzahlungen zwischen den alten und neuen Mitgliedsstaaten um das vier bis fünf-fache variieren. So erhält ein griechischer Bauer 500 € pro Hektar, während ein Rumäne weniger als 100 € erhält. Während die Mitgliedsstaaten, die von der derzeitigen Regelung profitieren, eifrig ihre Pfründe in Kommission und Parlament verteidigen, unter anderem durch den Verweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation durch die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise. Monieren derzeitig benachteiligte Staaten zurecht, dass sich derart große Disparitäten nicht durch Produktionskosten rechtfertigen lassen, zumal die mittelfristige volle Teilhabe an Agrarzuschüssen ein gewichtiges Argument war, um bei der Bevölkerung für den Beitritt in die Europäische Union zu werben. Abgesehen von der Absage an jeglichen europäischen Solidaritätsgedanken haben jene Staaten, die von ihren Privilegien nicht abrücken wollen, aber ein weiteres Problem: Die Gemeinsame Agrarpolitik ist zwar ein sehr spezielles und hoch reguliertes Feld der europäischen Politik, jedoch schreiben die Verträge auch für die Landwirtschaft einen fairen Wettbewerb vor.
Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik soll von 2014 an in Kraft treten und der Vorschlag der Kommission wird derzeit im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens von Parlament und Rat diskutiert. Wenn der Zeitplan eingehalten werden soll, müssen sich beide bis Ende 2013 einigen. Keine leichte Aufgabe angesichts der Streitpunkte, aber es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungsträger im Sinne einer fairen Verteilung der Fördermittel und einer nachhaltigen Landwirtschaft, die einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Klimagasen und zum Erhalt der Biodiversität leisten kann, über den langen Schatten ihrer Partikularinteressen springen.
1. Am 7. April 2012 um 15:24, von Stefan Als Antwort Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik spaltet Europa
Leider ein etwas einseitiger Artikel, der eindeutig eine pro-Kommission Seite einnimmt.
Zum Greening ist zu sagen, dass es tatsächlich ein extremer bürokratischer Mehraufwand bedeutet. Alles muss kontrolliert werden und die Landwirte und Verwaltungen sind ohnehin schon überlastet. Auch stellt sich die Frage, ob das politische Ziel des Greening nicht einfacher gelöst werden kann, z.B. im Bereich der 2. Säule. Kein Wunder ist mancher Mitgliedsstaat ungehalten, wenn er sich dem gegenüber steht.
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