Demokratischer und glaubwürdiger

Jenseits von Schuldenbremsen und Reformen

, von  Till Burckhardt

Demokratischer und glaubwürdiger
Wege aus der Schuldenkrise? Schuldenuhr Berlin von wimox, bestimme Rechte vorbehalten.

Die Staats- und Regierungschefs haben sich engagiert, Schuldenbremsen in der Verfassung zu verankern und koordinierte Reformen durchzuführen. Dieses Engagement wurde bis jetzt von den Märkten nicht ernst genommen. Es gibt jedoch einen anderen Weg, der gleichzeitig demokratischer und glaubwürdiger ist.

Zwei Ursachen der Staatsschuldenkrise

Die Staatsschuldenkrise im Euroraum hat zwei wichtige Ursachen: Einerseits hat die Offenlegung der griechischen Staatsfinanzen nach einer langjährigen Verschleierungspraxis die Funktionsfähigkeit der Aufsichtsmechanismen durch die EU-Kommission und den Europäischen Rat in Frage gestellt. Anderseits beweisen die durch die Immobilienblase verursachten Konjunkturkrisen in Irland die Abwesenheit einer Stabilisationspolitik.

Der Europäische Rat hat versucht, durch ein Rettungs- und Reformpaket das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen. Doch trotz dieser Maßnahmen bleiben die Unterschiede zwischen Zinssätzen der Staatsanleihen verschiedener Mitgliedsstaaten beträchtlich. Eine verbreitete Erklärung dafür ist, dass der Rettungsschirm einfach zu klein ist, um einige Mitgliedsstaaten tatsächlich von einem Staatsbankrott zu schützen. Nur die gemeinsame Ausstellung von Staatsanleihen („Eurobonds“) würden es den benachteiligten Mitgliedsstaaten ermöglichen, die Zinsenlast zu senken und somit den Teufelskreis zu unterbrechen. Dieser Ansatz würde zwar die finanzielle Lage einiger Mitgliedsstaaten kurzfristig verbessern, jedoch jegliche marktbedingte Anreize für eine verantwortungsbewusste Finanzpolitik abschaffen.

Seit dem Anfang der Staatsschuldenkrise hat sich die deutsche Bundesregierung eindeutig für eine Übernahme von Kernelementen des deutschen wirtschafts- und finanzpolitischen Modells durch sämtliche Staaten des Euroraums eingesetzt. In der Nachkriegszeit habe Deutschland durch die Aufstellung eines geeigneten Rechtsrahmens die finanz- und geldpolitische Stabilität gewährleisten und im letzten Jahrzehnt durch gezielte Reformen im Steuer- und Arbeitsrecht die Wirtschaft ankurbeln können. Finanziell unstabile Länder seien daher aufgefordert, sich von dieser Erfahrung inspirieren zu lassen und eine nationale Version der Schuldenbremse und der Agenda 2010 zu adoptieren. Dieses Modell müssen die Mitgliedsstaaten über verfassungsrechtliche Reformen übernehmen.

Der Erfolg dieses Ansatzes in anderen Ländern ist alles andere als garantiert. Zum einen ist die verfassungsrechtliche und politische Ausgangslage in den verschiedenen Euroraum-Ländern nicht vergleichbar. Zum anderen hat sich ein Kontrollmechanismus, der in erster Linie auf eine gegenseitige Begutachtung zwischen Staats- und Regierungschefs beruht, im Rahmen der Lissabon-Agenda und des Stabilitätspakts als völlig ineffizient herausgestellt. Außerdem haben die finanzstarken Mitgliedsstaaten unter dem jetzigen Plan nur eine Kreditgarantie anzubieten, von denen nur Länder profitieren können, die sich schon in einer sehr kritischen Lage befinden. Der Fall Griechenland hat aufgezeigt, dass der Einsatz von finanzstarken Ländern unumgänglich ist, um eine kontinentale Krise zu vermeiden.

Anreize an Stelle von Zwangsforderungen

Die Erfolgsgeschichte der EU zeigt jedoch auch, dass wichtige Reformen nicht durch locker koordinierte Zwangsforderungen umgesetzt werden können, sondern über Anreize. Der Zugang zum Binnenmarkt und die Möglichkeit, Strukturfonds zu bekommen, waren für viele Länder die wichtigsten Anreize, Reformen in der Produktmarktregelung umzusetzen. Die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien war für die Beitrittsländer keine Pflicht: Die Länder hatten die Wahl zwischen der Umsetzung dieser Kriterien und einer vollen Souveränität außerhalb der EU. Die Einhaltung des Europarechts wird ständig von der EU-Kommission geprüft und der Bürger hat ein offizielles Beschwerderecht, um eine vollständige Umsetzung zu fordern.

Seit den Anfängen des europäischen Integrationsprozesses galten die Institutionen und die Politiken der Bundesrepublik Deutschland öfter als ein Inspirationsmodell für die Europäische Union. Dies könnte auch für eine größere Integration im finanz- und sozialpolitischen Bereich gelten. Die Umsetzungsprozedur muss jedoch auf gemeinsamen demokratischen Grundlagen aufgebaut sein und nicht nur auf dem Wort der Staats- und Regierungschefs beruhen, die schließlich keine Diktatoren sind und ihre Legitimität von der internen demokratischen Debatte ziehen. 2007 hat die deutsche Bundesregierung entschieden, die Umsatzsteuer um drei Prozentpunkte zu erhöhen, um einerseits die Lohnnebenkosten senken zu können und anderseits die Staatsschulden abzubauen. Die Bundesregierung könnte den anderen Mitgliedsstaaten vorschlagen, die Erträge dieser drei Umsatzsteuerpunkte einem gemeinsamen Fonds zu überweisen, wenn sich die anderen Länder verpflichten, bestimmte sozialpolitische Reformen umzusetzen. Ein Prozentpunkt des Ertrages würde an einem europäischen Arbeitslosigkeitsfonds überwiesen, der die nationalen Arbeitslosenversicherungen je nach der Anzahl Arbeitslosen unterstützt. Die zwei weiteren Prozentpunkte könnten zu einem europäischen Finanzausgleichfonds fließen, um den finanzschwachen Ländern zu helfen.

Die Möglichkeit, an einem ständigen Finanzausgleichsmechanismus teilzunehmen, wäre für die finanzschwachen Länder ein viel größerer Vorteil als ein nur im Insolvenzfall eintretender Stabilitätsmechanismus. Für finanzstarke Länder würde dieser Mechanismus zwar ständige Transfers zugunsten finanzschwacher Länder bedeuten, aber die Anreize, dass Letztere eine stabilitätsorientierte Haushaltspolitik umsetzen wären viel größer, sodass die Wahrscheinlichkeit einer Staatspleite deutlich abnimmt. Dieses Modell könnte jedoch nur erfolgreich sein, wenn es in einem Vertrag mit verbindlichen Umsetzungsmechanismen eingebettet ist. Es muss klar formuliert sein, dass der Beitritt zur verstärkten Partnerschaft von einer vollständigen Umsetzung der Kriterien abhängt und dass die Ausgleichstransfers im Fall einer unvollständigen Umsetzung gekürzt werden. Ein solcher Einsatz würde das fortbestehen der institutionellen Einheit der Europäischen Union und die Rolle des Europaparlaments als demokratischen Vertreter der gemeinsamen Interessen der europäischen Bevölkerung verstärken.

Dieser Artikel erschien im neuen gedruckten Treffpunkt Europa, Mitgliedermagazin der JEF-Deutschland. Die aktuelle Ausgabe widmet sich der Krise und Zukunft Europas und ist auf der JEF-Webseite kostenlos erhältlich. Das Videovorwort zur Ausgabe findet sich hier.

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