Das Urheberrecht muss angepasst werden

, von  Anna Lang

Das Urheberrecht muss angepasst werden
Vor welchen Herausforderungen steht das Urheberrecht? Foto: Rainer Sturm von pixelio.de, bestimmte Rechte vorbehalten.

Über die Überbleibsel wertvoller Ziele eines veralteten Urheberrechts und die Gefahren einer verzögerten Anpassung an die Realität einer digitalen Informationsgesellschaft.

Irgendwie ist die Urheberrechtsdebatte doch langsam ermüdend, oder? Seit über einem Jahrzehnt existiert ein Problem über das gestritten wird. Der Streit wird intensiver, aber dreht sich dennoch kräftezehrend immer wieder im Kreis. Ein paar Reizwörter wie „Eigentum“, „Diebstahl“, „existenzbedrohte Urheber“ helfen dabei philosophische Glaubenskriege ausbrechen zu lassen und den Blick für die Lösungssuche zu vernebeln.

Ein gewissenhafter Mediator wäre dringend nötig, um diesen Interessenskonflikt zu lösen. Sähe man die Politik in dieser Rolle, müsste man ihr allerdings deutliches Versagen attestieren. Zu träge und einseitig werden Reformen gewagt, die angesichts des unterschiedlichen Einflusses der Streitparteien nicht mehr neutral erscheinen. Aber Stopp! Worum ging es jetzt eigentlich noch einmal bei diesem Urheberrecht?

Das Kontinentaleuropäische Urheberrecht (droit d’auteur)

Vor langer, langer Zeit, da war einmal der Urheber und sein Werk. Diese beiden verband ein natürlicher schöpferischer Geist, welcher Schutz benötigte, damit der Urheber noch viele weitere Werke schaffen konnte. Was wie ein romantisches Märchen oder ein Glaubensbekenntnis klingt, ist Kernstück des ursprünglich kontinentaleuropäischen Urheberrechts.

Die natürliche Beziehung vom Schöpfer und seiner Schöpfung, in der sich letztendlich die Persönlichkeit des Urhebers widerspiegelte, galt für einflussreiche Philosophen wie John Locke und Emanuel Kant als das schützenswerte Gut im Urheberrecht. Es handelt sich jedenfalls um sehr ideelle Werte, getragen von natürlicher Werkherrschaft und Persönlichkeitsrechten.

Ob diese Werte damals eingehalten wurden, bleibt fraglich, aber dass sie heute als emotionsgeladene Argumentation von Verwertern für die härtere Durchsetzung von Urheberrechten missbraucht wird, erscheint nachvollziehbar, wenn man die Geschichte weitererzählt.

Die Legitimationskrise

Neben diesem Ansatz existierte parallel das utilitaristisch geprägte anglo-amerikanische Copyright. Im Vergleich erscheint es ehrlicher und realitätsnaher, denn es gleicht eher einem Wirtschaftsrecht. Sinn und Zweck ist es denjenigen zu belohnen, der finanzielle oder sonstige Mittel für die Schaffung von Werken einsetzt, um letztlich der gesamten Gesellschaft dienlich zu sein, die von der Vielfalt und Qualität dieser Werke profitiert.

Diese Kausalität lässt es auch zu, die Verwerter mit eigenen Rechten in den Vordergrund rücken zu lassen, da sie nach dieser Ansicht ihr Investitionsrisiko auch für Kultur und Fortschritt eingehen.

Man wird schnell erkennen, dass sich diese Ansätze wegen der Globalisierung und der zunehmenden wirtschaftlichen Wichtigkeit von geistigen Gütern angeglichen haben und das Copyright sich mehr und mehr durchzusetzen vermag. Eine solche Identitätskrise unseres europäischen Urheberrechts wäre vielleicht unentdeckt geblieben, hätte man nicht auch noch ignoriert, dass wir mittlerweile in einer Gesellschaft leben, die hochtechnisiert und sehr gut vernetzt nach schneller, preiswerter, digitaler Verbreitung dieser Güter giert.

Seitdem man digitale Werke unendlich oft und nahezu kostenlos vervielfältigen und über das Internet verbreiten kann, haben überwiegend die Nutzer und Konsumenten dieser Güter sich mit den neuen Chancen beschäftigt. Das Untätigbleiben der Kulturindustrie und Politik hatte seinen Teil dazu beigetragen, dass das Urheberrecht mitten im alltäglichen Leben jedes Menschen angekommen war, der sich mit sozialen Netzwerken, Blogs, Filehostern, Filesharing und anderer vernetzter Kommunikation beschäftigte. Aber diese Tatsache ist neu und konnte von keinem ursprünglichen Urheberrechtsansatz bedacht werden.

Wo vertane Chancen zu Gefahren werden

Zugegeben, eine faire interessensgerechte Lösung für alle Beteiligten zu finden, ist eine herausfordernde Aufgabe. Der bisherige Trend hin zu effizienterer Durchsetzung eines Urheberrechts aus vergangenen Tagen in einer Gesellschaft, die sich inzwischen ganz andere Realitäten geschaffen hat, birgt aber bei weitem mehr Gefahren in sich als nur die schwindende Akzeptanz der Nutzer, die sich ständig mit Abmahnungen konfrontiert sehen.

Technisch ermöglichte Chancen können wiederum technisch stark eingeschränkt werden. Und so erleben wir bei zunehmender Digitalisierung von bildender Literatur und sonstiger wissenschaftlicher Beiträge wie aufgrund gesetzlicher Vorgaben Möglichkeiten ergriffen werden, den Zugriff soweit einzuschränken, wie es wirtschaftliche Interessen für nötig halten. Ein anschauliches Beispiel liefern Bibliotheken, die auf ihren digitalen Bestand wegen hoher Lizenzkosten nur noch einem eingeschränkten Publikum, wie wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Studenten, diesen Zugriff gewähren können. Diese Berechtigten können wiederum nur vor Ort und im schlimmsten Fall nicht einmal gleichzeitig auf dasselbe Werk zugreifen.

Dieses digitale Dilemma hat den bitteren Beigeschmack gerade die Chancen ins Gegenteil umzukehren, die einer Informationsgesellschaft gerecht würden. Besonders bei staatlich finanzierten Einrichtungen, Angeboten und Forschungsergebnissen dürfen solche künstlichen Ketten nicht dazu führen, Bildung und Forschung im Allgemeinen zu hemmen. Ein fataler Teufelskreis wäre es jedenfalls, wenn wegen wirtschaftlicher Interessen diese wichtigen Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt würden.

Altes Recht kann also für Ungerechtigkeiten sorgen, wenn es sich gesellschaftlichen Veränderungen nicht anpasst. Diese These wird zumindest von den Anstrengungen einiger Organisationen, Vereine und sonstigen Initiativen von Wissenschaftlern und Experten bestätigt, die sich unermüdlich für ein modernes Urheberrecht einsetzen und deren Vorschläge in Zukunft mehr Beachtung finden sollten als die bisherigen sinnlosen Streitdebatten.

Dieser Artikel erschien im neuen gedruckten treffpunkt.europa, Mitgliedermagazin der JEF-Deutschland. Die aktuelle Ausgabe widmet sich der Diskussion um geistiges Eigentum in Europa und ist als kostenloser Download erhältlich.

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