Am 12. Juli 2010 hat das Französische Parlament einen Gesetzesentwurf über die auswärtigen Angelegenheiten der Republik verabschiedet, der die Schaffung einer neuen öffentlichen Einrichtung für Industrie und Wettbewerb vorsieht. Ziel dieser Reform: einen einzigen Ansprechpartner für die kulturellen Aktivitäten Frankreichs im Ausland einsetzen, um die Aktivitäten besser zu koordinieren und sichtbarer zu machen. Bisher waren sowohl die Kulturabteilungen der Botschaften, als auch die Kulturzentren, die Kulturinstitute, etc. zuständig. In Spanien gibt es das Instituto Cervantes, in Großbritannien die British Councils, in Deutschland die Goethe Institute. Frankreich wollte sein Institut Victor Hugo und bekam schließlich die Institut Français. Der Sinn der angestrebten Neuorganisation in Frankreich steht außer Frage. Allerdings fehlt es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union insgesamt an Ambition und wahrem Willen zur Strukturierung der internatinoalen Kulturpolitik. Warum nehmen wir uns nicht in aller Konsequenz die Schaffung eines Europa-Instituts vor?
Die Unsichtbarkeit der EU auf internationaler Ebene ausgleichen
Trotz der Auslandsvertretungen der Europäischen Kommission, hat die Union ein echtes Sichtbarkeitsproblem. In den Auslandsvertretungen sind die jeweils für das Thema (Kultur, Universität, Sprache) zuständigen Botschaftsvertreter in „Arbeitsgruppen“ (working groups) organisiert. Schön und gut, doch die Zuständigkeiten sind begrenzt und es ist fraglich, ob die Vertretung der EU-Mitgliedstaaten repräsentativ ist. Nicht alle Staaten können sich ein so universelles diplomatisches Netzwerk leisten wie zum Beispiel Frankreich. Außerdem haben die Auslandsvertretungen angesichts der staatszentrierten Sicht der Vertreter häufig Schwierigkeiten gemeinsame Aktionen anzustoßen und zu koordinieren. Sobald jemand einen finanziell höheren Beitrag leistet als ein anderer, wird er dafür sorgen sich entweder die entsprechenden Vorteile zu sichern oder sich aus einem Projekt zurückzuziehen. Soviel zum Erfolg einer gemeinschaftlichen Vision der Auslandsvertretungen.
Gleichzeitig bestehen im Rahmen der European Union National Institutes for Culture (EUNIC) etablierte Partnerschaften zwischen den nationalen öffentlichen Einrichtugen für Kulturprojekte und Kooperation. So werden zum Beispiel gemeinsam kulturelle Veranstaltungen organisiert. Diese Partnerschaften spielen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Es werden beispielsweise Themenwochen zur europäischen Themen (Europäisches Filmfestival, etc.) organisiert. Die unterschiedliche Mittelausstattung der verschiedenen Mitgliedstaaten der EU werden in diesem System jedoch nicht berücksichtigt genau so wenig wird die Solidarität gefördert. Einmal mehr steht die zwischenstaatliche Zusammenarbeit über einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit.
Die Mittel vergemeinschaftlichen, die Durchschlagskraft der Projekte verbessern
Abgesehen von der unterschiedlichen Mittelausstattung der Mitgliedstaaten stellt sich die Frage nach der immer weiter zurückgehenden finanziellen Unterstützung der Kulturinstitutionen durch die öffentliche Hand. Die Institute werden zur externen Mittelakquise aufgerufen und sind zum Fortbestand des Netzwerks angehalten Partnerschaften aufzubauen.Die Politik alle französischen Standpunkte im Ausland beizubehalten hat ihren Preis. Haben wir die Mittel diesem Anspruch gerecht zu werden? Mit der Schaffung eines europäischen Instituts könnten wir diese schwierige Frage umgehen und allen europäischen Partnern Zugang zur universellen Vertretung verschaffen.
Das Europa-Institut (Personal, Räumlichkeiten, etc.) könnte durch das EU-Budget finanziert werden. Anschließend bliebe es jedem Staat überlassen gezielt kulturelle Veranstaltungen zu organisieren. Die EU würde über das Europa-Institut logistisch zur Organisation kultureller Veranstaltungen durch die Mitgliedstaaten beitragen. Große Einsparungen wären möglich, die wiederum in die Projekte investiert werden könnten. Staaten wir Frankreich könnten so ihr wertvolles Prinzip der Universalität beibehalten und gleichzeitig könnten alle europäischen Partner davon profitieren. Denn: Die Rolle der Kulturdiplomatie ist bei der Anbahnung von wirtschaftlichen und politischen Partnerschaften vor Ort nicht zu vernachlässigen. Jedem stünde die Möglichkeit offen in einem gemeinschaftlichen Sinne Partnerschaften zu knüpfen und kulturelle, universitäre oder sprachliche Projekte mit den lokalen Akteuren zu organisieren.Alles in Allem ein Kompromiss, der ein gewisses Gleichgewicht unter den Mitgliedstaaten schafft und gleichzeitig jedem die Freiheit einer eigenen Kulturpolitik lässt.
Zur Entstehung einer europäischen Identität beitragen
Das wichtigste Ziel der Einrichtung von Europa-Instituten ist nicht finanzieller Natur. Eine solche Reform würde die Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit eines europäischen „Zusammenlebens“ fördern. Nur wenn unsere Partner im Ausland das europäische Projekt sehen und eine europäische Identität ausmachen, können wir Europäer uns diese Identität zu eigen machen. Die Entstehung und Aneignung einer Identität, einer Zugehörigkeit hängt schließlich auch von deren Anerkennung auf internationaler Ebene ab. Fühlen wir uns nicht wahrlich europäisch wenn ein Australier, ein Chinese oder ein Brasilianer uns von unserer Union erzählen? Steht die Zufriedenheit, die wir dabei empfinden nicht für unsere Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft? Machen wir uns die EU nicht stärker zu eigen wenn wir außerhalb der EU sind oder im Austausch mit der „Nicht-EU“? Manchmal braucht es den notwendigen Abstand, um sich eine Selbstverständlichkeit einzugestehen.
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