EU Ratsvorsitz

Angela Merkel als EU-Rätspräsidentin : eine französische Meinung

, von  Antoine Alary

Angela Merkel als EU-Rätspräsidentin : eine französische Meinung

Seit dem französischen und niederländischen „Nein“bei den Referenden zum europäischen Verfassungsvertrag im Frühjahr 2005 steckt die Europäische Union in einer Krise. Viele Befürworter einer Vertiefung der europäischen Integration hoffen nun, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Neufassung des europäischen Verfassungsvertrages auf den Weg bringen wird.

Angela Merkel ist die Regierungschefin eines Staates, dem im Hinblick auf die Überwindung der aktuellen Krise und auf die Weiterentwicklung der EU eine wichtige Rolle zukommt. Schließlich handelt es sich um eines der Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaften und um einen der wirtschaftlich stärksten Mitgliedstaaten der EU.

Die Voraussetzungen, die Angela Merkel vorfindet, sind äußerst günstig: Die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland begünstigt das Zustandekommen politischer Kompromisse. Dies hängt zum einen mit der starken Rolle der Sozialpartner zusammen; zum anderen mit der regelmäßigen Bildung von Koalitionsregierungen.

Die Fähigkeit, Kompromiss-Lösungen zu finden, ist in der aktuellen Situation in Europa besonders gefragt. Zudem steht Angela Merkel an der Spitze einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, also jener politischen Kräfte, welche die europäische Integration in den letzten Jahrzehnten vorangetrieben haben. Dies sollte der Kanzlerin den Rücken stärken – schließlich würde ein Erfolg auf europäischem Parkett sowohl von den europäischen Partnern, als auch von den deutschen Regierungsparteien begrüßt.

Man hat den Eindruck, dass Angela Merkel sich ihrer historischen Rolle im Zuge des europäischen Verfassungsprozesses bewusst ist. Sie hat bereits Vorschläge gemacht, um einen neuen europäischen Verfassungsvertrag auf den Weg zu bringen.

Der bestehende Vertrag solle um einige soziale Komponenten erweitert werden, um auf diese Weise den Gegnern des Vertrags in Frankreich und den Niederlanden entgegen zu kommen. Dieser Vorschlag beweist, dass sich die Befürworter der Europäischen Union auf die deutsche EU-Ratspräsidentin verlassen können.

Aber es ist dennoch nicht zu übersehen, dass Angela Merkel sehr vorsichtig vorgeht. Sie ist der Ansicht, dass eine erneute Ablehnung den Tod des politischen Europa bedeuten würde. Deshalb denkt die Kanzlerin, dass eine Ratifizierung des neuen Verfassungsvertrags seitens der nationalen Parlamente, also ohne Volksbefragungen, der bessere Weg wäre.

Sie übersieht dabei jedoch drei wichtige Aspekte. Zum einen würde man mit dieser Vorgehensweise den Gegnern der EU in die Karten spielen, die Europa ohnehin als „undemokratisches Elitenprojekt“ bezeichnen. Zum anderen wäre es aufgrund der politischen Kultur (und der Gesellschaftskultur) in einigen EU-Mitgliedstaaten (zum Beispiel in Frankreich!) schlichtweg unmöglich, eine solch weit reichende politische Entscheidung ohne die direkte Einbeziehung des Volkes zu treffen. Und schließlich würde Ségolène Royal als (mögliche) Staatspräsidentin eine solche Vorgehensweise ablehnen.

Kurz gesagt: Einerseits spielt Angela Merkel sicherlich eine positive Rolle als EU-Rätspräsidentin, aber andererseits ist sie vielleicht zu vorsichtig und zu zögerlich, um die europäische Krise wirklich beenden zu können.

Abbildung : Foto von Angela Merkel, aus der Webseite der deutschen Ratsvorsitz

Ihr Kommentar
  • Am 30. April 2007 um 08:27, von  ondamaris Als Antwort Angela Merkel als EU-Rätspräsidentin : eine französische Meinung

    ich denke, ein großteil der derzeitigen (scheinbaren?) vorsicht von frau merkel ist auch der ablehnenden haltung in polen und tschechien geschuldet, und der bis zur wahl am 6. mai unklaren situation in frankreich

    zudem scheut sie glaube ich davor zurück, in die situation einer offenen konfrontation der modelle „verfassung“ und „kerneuropa“ zu geraten

    lg ulli

  • Am 16. Mai 2007 um 13:18, von  ? Als Antwort Angela Merkel als EU-Rätspräsidentin : zwei französische Meinung

    Kann man nicht die Meinung des Volkes akzeptieren? Und die ist: NEIN! Warum muss man so und so alles biegen, bis man dann die Meinung der Politiker durchgestzt ist? Ist der Slogan „Alle Macht geht vom Volke“ tatsächlich in Deutschland nur so viel gültig, wie das den Politikern passt? Ausserdem ich dachte, auch hier man lebte in eine Art Demokratie = Herrschaft des Volkes - natürlich in den Ländern, die sich demokratisch nennen, machen die Poltiker zum größten Teil auch nur, was sie wollen und im griechischer Bedeutung des Wortes leben wir gar nicht eine Demokratie. Aber das bisschen, was ich annahm - gibt es das Bischen nicht einmal hier? Schade das ist, dass in Deutschland (u. anderen EU-Ländern) das Volk kein Referendum hatte...

    Angesichts des in Aussicht atellens, auf anderem Wege in Frankreich eine Akzeptanz der EU-Verfassung zu erreichen und der Wahrscheinlichkeit, dass noch andere Entscheidungen, die vom Volk nicht akzeptiert wurden, aber die Politiker glauben auf eine andere Weise durchsetzen zu müssen, es gibt diese Frage: Sollte man nicht sofort eine EU-Diktatur einführen (spart Kosten, ist EU-einheitlich, zielorientierter. geht schneller und das Volk kann sofort durchschauen, was die Politiker wollten)?

  • Am 29. Mai 2007 um 22:44, von  Emmanuel Vallens Als Antwort Angela Merkel als EU-Rätspräsidentin : zwei französische Meinung

    Wir leben in einer Art Demokratie und ich bin überzeugt, dass es unerlässlich ist, die Meinung des Volkes nicht zu übergehen. Was jedoch wollten die Franzosen und Niederländer mit ihrem Nein zur Europäischen Verfassung ausdrücken? Nur die wenigsten Wähler lehnten mit ihrem Votum die Europäische Union im Allgemeinen ab. Neben mehr oder weniger berechtigten Bedenken zu bestimmten Teilen des Verfassungsvertrags spielte gerade in Frankreich die Unzufriedenheit mit der nationalen Politik eine große Rolle. Einige Politiker mißbrauchten auch den Verfassungsvertrag, um innenpolitisch ihre Position zu stärken. Zudem wurden teilweise Ängste und Vorurteile vieler Bürger, die nicht in direkter Verbindung mit dem Verfassungsvertrag stehen (beispielsweise der Beitritt der Türkei) für eine Mobilisierung gegen die Verfassung mißbraucht.

    Wir wollen keine EU-Diktatur, deshalb braucht es bei einem erneuten Anlauf für die Europäische Verfassung zweierlei: erstens müssen die Bedenken der Bevölkerung in bezug auf einzelne Teile des Verfassungsvertrages ernstgenommen und zweitens die positiven Neuerungen des Vertrages besser kommuniziert werden. Es wäre für die Akzeptanz der Europäischen Union auf keinen Fall zuträglich, einfach denselben Verfassungsvertrag - zur Not ohne Zustimmung der Bürger - auf biegen und brechen zu verabschieden. Vielmehr muss alles daran gesetzt werden, die Zustimmung der Bevölkerung zu einer - möglichst in den kritischen Punkten verbesserten Verfassung - zu erhalten. Nur so könnte erreicht werden, dass Europa eine lebendige, von den Bürgern akzeptierte Demokratie wird. Das demokratischste Verfahren dazu wäre ein europaweites Referendum, das in allen Mitgliedsländern zum gleichen Zeitpunkt durchgeführt wird.

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