Schweizer Energiewende ohne Europa

, von  Alexander Steinfeldt

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Schweizer Energiewende ohne Europa
Bis 2017 wird das drittgrößte Pumpspeicherkraftwerk der Schweiz in Le Châtelard, Schweiz, gebaut. Das Flusswasser des Nant de Drance wird dann bei Stromüberfluss vom Émosson- in den Vieux-Émosson-See gepumpt und bei Bedarf zur Stromerzeugung abgelassen. © Felix Montino / Flickr/ CC BY 2.0 2.0-Lizenz

Die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz sind durch die erfolgreiche Masseneinwanderungsinitiative getrübt worden. Darunter leidet unter anderen auch das Energieabkommen, welches es der Schweiz ermöglichen sollte, am EU-Energiemarkt teilnehmen zu können.

Ähnlich wie Deutschland entschied sich die Schweiz 2011 nach Fukushima für einen baldigen Ausstieg aus der Atomkraft. Dies war eine der entscheidendsten Schritte hin zur nationalen Energiewende. Sie beschleunigte den Ausbau erneuerbarer Energien und fokussierte den Blick auf einen radikalen Umbau des Energiesystems.

Energiestrategie 2050

Mit dem neuesten Gesetzespaket, der Energiestrategie 2050, sucht die Schweiz nun nach einem Masterplan für die Energieversorgung der Zukunft. Seit 2011 bzw. 2013 wird über den Atomausstieg und den Umbau des Energiesystems in der Schweiz politisch gerungen.

Nationalrat und Ständerat, die beiden Kammern der Bundesversammlung, einigten sich bereits darauf, keine weiteren AKWs zu bauen und die bestehenden auslaufen zu lassen – wenn auch zu verlängerten Laufzeiten. Daneben beschlossen sie, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Ausbau erneuerbarer Energien zu treffen.

Doch auch diese sind nur beschränkt. Die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) wurde gedeckelt und zeitlich befristet. Planungssicherheit und tatsächlicher flächendeckender Ausbau erneuerbarer Energien, wie z.B. mit der deutschen EEG-Vergütung, lassen sich so schwieriger umsetzen.

2-Grad-Ziel nur mit Stromwende nicht zu erreichen

Diese Maßnahmen haben vor allem Auswirkungen auf den Strommarkt. Andere Themen, wie etwa die Wärmewende oder die Elektrifizierung des Verkehrs, spielen in der Energiestrategie 2050 eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Dabei sind diese maßgeblich für eine erfolgreiche CO2-Reduzierung nötig.

Auch die Schweiz unterzeichnete 2015 das Paris-Abkommen und verpflichtete sich, das 2-Grad-Ziel der Vereinten Nationen mit ihren Mitteln zu unterstützen. Nach dem jetzigen Stand sind dafür aber noch einige energiepolitische Nachbesserungen erforderlich.

Ähnlich hinterher hinkt die Schweiz bei der Ausgestaltung des Energiemarktes. Zwar sollen Anstrengungen im Bereich des Netzausbaus und des Smart Meterings gemacht werden, um die Effizienz der Distribution und den Stromhandel zu verbessern. Jedoch fehlen klare Konzepte zur Stromspeicherung und Anbindung an den europäischen Strommarkt.

EU-Schweiz-Energieabkommen liegt auf Eis

Über ein Market Coupling sollte im Juni 2015 die Schweiz an die Energiemärkte der europäischen Staaten „angekoppelt“ werden und somit zum Teilnehmer am großen Energiebinnenmarkt werden. Der grenzüberschreitende Stromhandel sollte positive Kosteneffekte und vor allem Netzstabilität bringen. Doch das Abkommen liegt auf Eis.

Grund dafür sind die vorgelagerten unvollendeten Verhandlungen zu einem institutionellen Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Dieses soll das grundsätzliche Verhältnis der beiden Parteien rechtlich verankern und weitere Kooperationen erleichtern. Doch das Abkommen ist seit 2014 blockiert, als die Schweizer der Masseneinwanderungsinitiative zustimmten. Zu uneinig ist man sich weiterhin bei Fragen der gemeinsamen Gerichtsbarkeit oder der Souveränität der Schweiz.

Die Rolle der Schweiz im Energiemarkt Europas

Dabei nützt das Energieabkommen nicht nur der Schweiz. Europas Binnenmarkt ist auf zwei Funktionen des schweizerischen Energienetzes angewiesen. Zum einen liegt die Schweiz zentral und bietet sich daher als wichtiges Transitland an, insbesondere in der Nord-Süd-Richtung. Vorrangig Norditalien und Süddeutschland benötigen die Stromhandelswege durch die Schweiz.

Zum anderen beherbergt die Schweiz mit ihren riesigen Pumpspeicherkraftwerken wichtige „Batterien“ für die Speicherung von überschüssigem Strom durch die volatile Erzeugung. Stromspeicher werden in Zukunft immer wichtiger, um die Integration von erneuerbaren Energien zu leisten.

Zukunft der schweizerischen Energieversorgung

Mit der Energiestrategie 2050 ist nicht der erwünschte große Wurf gelungen. Zu zaghaft sind noch die Versuche, das Energiesystem der Schweiz umzustellen, zu sehr nimmt man noch Rücksicht auf die traditionellen Marktteilnehmer. Es fehlt außerdem das bedingungslose Bekenntnis zu den erneuerbaren Energien. Die derzeitigen Fördersummen werden nicht ausreichen, um mehr Strom aus Sonne und Wind zu gewinnen.

Auch die Vernachlässigung der Themen Wärme und Verkehr in der Energiestrategie 2050 wird einer erfolgreichen Energiewende in der Schweiz im Wege stehen. Ebenfalls entscheidend wird das Verhältnis zum großen Nachbarn EU sein. Ohne das Energieabkommen wird der Ausbau des Energie-Binnenmarktes für Strom einen herben Rückschlag erleiden. Und damit sowohl die Schweiz als auch die EU treffen.

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