Polnisch-deutsche Beziehungen nach der Wahl: Alle Zeichen auf EU?

, von  Ida Leinfelder

Polnisch-deutsche Beziehungen nach der Wahl: Alle Zeichen auf EU?
Bald stärkere Rolle in der EU? Foto: Kasia Derenda / Unsplash / Lizenz: Unsplash

Einen Monat nach der Wahl fand der EUD-Bürger*innendialog zur Zukunft polnisch-deutscher Beziehungen statt. Expert*innen diskutierten Veränderungen im bilateralen Verhältnis nach der Wahl, die Rolle Polens in der EU und mögliche Rückschlüsse auf die im kommenden Jahr anstehenden Europawahlen. Ein Bericht von Ida Leinfelder.

Am 15. Oktober hat Polen gewählt.

Was die einen als beispielhaftes Auftreten demokratischer Kräfte feiern, betrachten andere im europäischen Kontext nüchterner. Auch in der Frage wie es nun mit den polnisch-deutschen Beziehungen weitergeht, reicht die Spanne von euphorisch bis pragmatisch.

Auf die Frage nach ersten Reaktionen zur Wahl stimmte das internationale Publikum der EUD-Diskussionsveranstaltung mehrheitlich für die Schlagworte HOPE und EUROPE. Die Antworten des Expert*innenpanels fielen gemischter aus.

Ein klares Statement für Demokratie?

Dietmar Nietan, Bundestagsabgeordneter und Koordinator für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit der Bundesregierung, schätzt die Wahl als Referendum gegen anti-europäische und anti-deutsche Ressentiments ein. Sie sei ein klares Statement für die Demokratie gewesen. Mit der neuen Regierung wünscht er sich eine bessere politische Kultur der Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland. Dies sei der beste Weg, um Probleme innerhalb der EU und der NATO zu lösen.

Mehr Fairness, weniger Propaganda, weichere Rhetorik. Auch Jarosław Bajaczyk, Direktor der politischen Abteilung der polnischen Botschaft in Deutschland, sieht in der Wahl ein Stärkezeichen der polnischen Demokratie unter außerordentlich hoher Wahlbeteiligung. Der Regierungsdialog zwischen Polen und Deutschland könne auf Augenhöhe neugestartet werden.

Weniger enthusiastisch sieht Aleksandra Rybińska-Wróbel das Wahlergebnis. Sie ist Mitglied des Vorstands der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit und Journalistin und schätzt, dass die neue Koalition unter Donald Tusk, die immerhin aus drei Parteien besteht, kein einfaches Spiel haben wird, ihre unterschiedlichen Meinungen politisch auszuhandeln. Mit Blick auf die kommunalen Wahlen im April 2024 merkte Rybińska-Wróbel an, dass die Bevölkerung zwar ein Problem mit der Law and Justice Partei (PiS) an sich habe, ihre Politiken laut Umfragen aber zum Großteil unterstütze.

„Es wird sich vor allem im Ton was verändern“

In diesem Punkt stimmt Bajaczyk ihr zu. Zumal, da Gesetzesänderungen, wie die umstrittene Justizreform, nicht so schnell wieder aufgehoben werden können. Aber auch wenn sich die wesentlichen politischen Linien nicht verändern, erwartet Bajaczyk eine stärkere Sichtbarkeit und Rolle Polens in europäischen Debatten. Besonders auf westeuropäischer Seite gebe es nun keinen Grund mehr, den „Euroskeptischen Nachbarstaat“ zu diffamieren. Auch wenn angemerkt wurde, dass nett zueinander sein keine politischen Probleme löse, erwartet das Panel insgesamt einen konstruktiveren Austausch, bi- und multilateral.

Auf der anderen Seite hat durch abgekühlte diplomatische Beziehungen auch das Bild Deutschlands in Polen gelitten. Denn obwohl Polen schon seit 19 Jahren in der EU und seit 24 Jahren Mitglied der NATO ist, geht im Land der Eindruck nicht verloren, die Rolle als Junior-Partner zu spielen. Das habe viel mit öffentlicher Wahrnehmung, Stereotypen und Narrativen zu tun, die auch durch Erlebnisse durch den zweiten Weltkrieg und den kalten Krieg geprägt seien, so Bajaczyk.

Zeit, zu liefern

Das Publikum hat gemischte Gefühle zur kommenden Europawahl 2024. Das Panel erwartet hohe Stimmenanteile bei konservativen und/oder rechten Parteien. Die EU, Deutschland und Polen werden in den nächsten Jahren liefern müssen: Die EU muss sich mit Föderalisierungstendenzen auseinandersetzen, Deutschland muss die Beziehungen zu Polen ernsthaft auf Augenhöhe leveln, und Polen hat die Möglichkeit, sich innerhalb der EU in der Gruppe ähnlich denkender Staaten, Frankreich und Deutschland anzuschließen. Dafür braucht es klare politische Leitlinien. Für die genaue Ausarbeitung konkreter Gesetzesvorhaben bleibt ja aber auch immer noch die polnische Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2025.

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