Lagarde macht Griechenland zur Chefsache

, von  Michael Vogtmann

Lagarde macht Griechenland zur Chefsache
IWF-Chefin Christine Lagarde droht mit dem Rückzug des Internationalen Währungsfonds aus der Griechenlandrettung. © MEDEF / Flickr / CC BY-SA 2.0-Lizenz

Alexis Tsipras und seine europäischen Gläubiger streiten erneut über Primärüberschüsse, Rentenkürzungen und Schuldenerleichterungen. Erneut wird die Auszahlung eines Hilfskredits verzögert und erneut wird über eine griechische Staatspleite spekuliert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) mischt sich lautstark in die Verhandlungen ein. Seine Chefin Christine Lagarde stellt den Europäern ein Ultimatum, das Wolfgang Schäuble bitter aufstoßen müsste.

In einem Brief an die Finanzminister der Eurozone fordert Lagarde diese auf, Verhandlungen über Schuldenerleichterungen für Griechenland zu beginnen und die Gespräche über weitere Sparmaßnahmen einzustellen, um mit realistischeren Haushaltszielen zu arbeiten. Wenn dies nicht zeitnah geschehe, deutete sie einen Rückzugs des IWF aus Griechenland an. Ein Grundpfeiler von Angela Merkels Eurorettungspolitik würde damit einstürzen.

Zur Rolle des IWF in Griechenland

Als Merkel 2010 entschied, den Internationalen Währungsfonds in die Griechenlandrettung einzubeziehen, gab es viele Kritiker. Die Beteiligung der in Washington ansässigen Institution bedeute einen Prestigeverlust für die Eurozone, denn sie beweise, dass die Europäer ihre Probleme nicht selbst lösen könnten. Zudem wurde auf die durchwachsene Erfolgsbilanz des IWF bei der Sanierung von Staaten der Dritten Welt oder in Südamerika hingewiesen. Schließlich sorgte auch der direkte Einfluss von außen auf die europäische Wirtschaftspolitik, der mit einem IWF-Programm einhergeht, für Skepsis unter den Kritikern, zu denen Nicolas Sarkozy und selbst der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble gehörten. Sie lenkten schließlich ein und seither wird regelmäßig von deutschen Politikern (allen voran von CDU-Vertretern) betont, wie essentiell die Expertise des IWF für die Programme innerhalb der Eurozone ist.

Viele der Reformen, die in Griechenland angegangen wurden, trugen die Handschrift des IWF. Tatsächlich räumte der IWF auch selbst Fehler ein. So wurde 2013 eingestanden, dass der wirtschaftliche Einbruch, der als Reaktion auf die Austeritätsprogramme folgte, vom IWF unterschätzt wurde, weshalb die geforderten Sparziele von der griechischen Regierung gar nicht erreicht werden konnten.

Tsipras und der IWF - eine unerwartete Allianz

All die Jahre der Wirtschaftskrise, der Sparprogramme und des sozialen Abstiegs der griechischen Bevölkerung in der Breite ließen die politische Landschaft in Griechenland erodieren, sodass letztlich ein junger linksradikaler Regierungschef ohne wirkliche Politerfahrung an die Macht kam. Er stellte Forderungen wie einen Schuldenerlass, ein Ende der Austeritätspolitik und das Ausscheiden des IWF aus dem Programm. Am Ende wurde Tsipras’ Bluff offensichtlich und die anderen Europäer ließen ihn büßen. Doch dann geschah etwas Seltsames. Der marktliberale Washingtoner IWF stellte dieselbe Forderung wie die sozialistische griechische Regierung: Einen Schuldenschnitt für Griechenland. Mehr noch, der IWF erklärte, an keinem zukünftigen Programm für Griechenland teilnehmen zu können, wenn es keine Schuldenerleichterungen gäbe. Die Position des IWF schlug insbesondere unter deutschen Konservativen hohe Wellen. Man einigte sich letztlich auf den Kompromiss, dass der IWF sich vorerst zwar nicht finanziell an einem neuen Finanzpaket beteiligt, aber weiterhin als Berater zur Verfügung steht. Die Formel lautete, dass der IWF später auch wieder als Geldgeber einsteigen würde, sofern die Bedingungen dafür in Form von wie auch immer gearteten Schuldenerleichterungen erfüllt würden.

Ein Leak und ein Ultimatum

Bis zum heutigen Tag sieht der IWF diese Bedingung nicht erfüllt und scheint nun seine Geduld mit den Politikern der Eurozone zu verlieren. Die Internetplattform Wikileaks veröffentlichte ein Gespräch der beiden IWF-Mitarbeiter, Poul Thomson und Delia Velculescu, das die griechische Regierung verärgerte. In dem Gespräch wird über Szenarien spekuliert, die sowohl Angela Merkel zu einer Schuldenerleichterung, als auch Alexis Tsipras zu weiteren Maßnahmen zwingen könnten. Letzlich sah sich Christine Lagarde aufgrund des Unmuts der griechischen Regierung und der Blockadehaltung mancher Europartner dazu genötigt, persönlich mit ihrem Schreiben an die Eurogruppe zu intervenieren.

Deutschland muss sich in der Europolitik bewegen

Für Wolfgang Schäuble und den Großteil von Angela Merkels CDU kommen Schuldenerleichterungen für Griechenland zum aktuellen Zeitpunkt nicht in Frage. Doch die lautstarke Wortmeldung von Christine Lagarde stellt die Partei vor ein handfestes Dilemma, denn auch die Beteiligung des IWF ist in den Augen Angela Merkels alternativlos. Die CDU sieht sich nun mit zwei unvereinbaren Alternativlosigkeiten konfrontiert. Und als wenn dies nicht alles schlimm genug wäre, bläst nun Frankreichs Finanzminister Michel Sapin ins gleiche Horn, befürwortet einen Schuldenerlass und nimmt einen Streit mit dem engen Europartner in Kauf. Auch innerhalb der Bundesregierung ist die harte Haltung von Schäuble nicht unumstritten. Vizekanzler Sigmar Gabriel sieht Schuldenerleichterungen für Griechenland als unvermeidlich an. Schuldenerleichterung für Griechenland oder ein IWF-Ausstieg: Die Bundesregierung muss sich nun entscheiden, in welchen sauren Apfel sie beißen will.

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