EU-D Bürgerdialog in Reutlingen: Fragen an Europa!

Und jetzt, Europa? Wir müssen reden!

, von  Stephan Raab

EU-D Bürgerdialog in Reutlingen: Fragen an Europa!
Bürgerdialogrunde der Europa-Union Deutschland in Reutlingen 2018, zur Verfügung gestellt von Europa-Union Deutschland für treffpunkteuropa.de

Am 26. April fand der erste von sechs in diesem Jahr bundesweit geplanten Bürgerdialogen der Europa-Union Deutschland in Reutlingen statt. Welches Europa wollen wir? Hat die EU nur ein Imageproblem? Wie kann man die Bürger für das europäische Projekt wieder begeistern? Diese und andere Fragen beschäftigten die Teilnehmer vor Ort. Welche Ideen und Vorschläge habt ihr? Jetzt einmischen und mitdiskutieren!

„Unsere Welt befindet sich im Wandel.“ Mit diesen Worten eröffnete Florian Ziegenbalg von der Europa-Union Baden-Württemberg den Bürgerdialog. Ein vielseitiges und interessiertes Publikum folgte der Einladung ins Landratsamt Reutlingen mit vielen Fragen rund um Europa. Dafür standen in zwei Themenräumen der Europaabgeordnete Norbert Lins, die Politikprofessorin Cathleen Kantner, der Leiter der Europäischen Kommission München, Joachim Menze, Martin Fahling von der IHK Reutlingen, Cornelia Tausch von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sowie der Landtagsabgeordnete Thomas Poreski dem Publikum Rede und Antwort.

Eine kritische Frage

„Wir befinden uns mitten in einem Projekt. Es trägt den Namen Europäische Union. Europa, das ist ein Projekt ohne Ende“, fasst der Moderator Nikos Andreadis den Verlauf der Europäischen Integration zusammen. „Daher müssen wir uns immer wieder fragen, was läuft gut, was läuft schlecht.“ „Frieden und Freiheit gehören zu den großen Errungenschaften des Europäischen Einigungsprozesses“, wie Thomas Reumann, Landrat für den Landkreis Reutlingen, deutlich macht. Viele vor allem junge Menschen begeistern sich für Europa, setzten sich dafür ein, sehen es als Chance. Die Stadt Reutlingen ist Teil des regionalen Entwicklungsprogrammes RegioWIN. Auszubildende in der Verwaltung erhalten die Möglichkeit, vier Wochen in ein europäisches Nachbarland für ein Praktikum zu gehen. Angesichts von Krisen und steigenden Euroskeptizismus stellt sich eine entscheidende Frage: In welchem Europa wollen wir in Zukunft leben? Wie soll es weiter gehen mit diesem Projekt?

Innensicht: Europas Rolle in Europa

„Es gibt viel Bedarf, sich zu unterhalten, doch müssen diese Debatten vor Ort geführt werden“, machte Florian Ziegenbalg deutlich. Es stellt sich die Frage, welche Rolle spielt die Europäische Union für die Europäerinnen und Europäer im alltäglichen Leben. Wie erleben wir Europa in Europa selbst? Wie werden die Errungenschaften der EU deutlich? Der europäische Binnenmarkt mit seinen über 511 Millionen Menschen und einem Bruttoinlandsprodukt von 17 Billionen Euro ist der bedeutendste Wirtschaftsraum der Welt. „Auf die neuen Mitgliedsländer hat der Binnenmarkt positive Wirkungen gehabt. Länder wie Polen oder das Baltikum haben sich zu attraktiven Wirtschaftsstandorten entwickelt“, betont der Handelsexperte Martin Fahling. Dem pflichtet Cornelia Tausch von der Verbraucherzentrale bei. Dank des Binnenmarktes sei der Verbraucherschutz vielfach besser geworden. „Die Bedeutung des Binnenmarktes wird viel zu wenig gesehen“, bedauert Fahling. Selbst im drohenden Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten befinden sich die gegenseitigen Handelsbeziehungen noch auf einem hohen Niveau.

Wie kann der Binnenmarkt noch verbessert werden? Insbesondere die Bürokratie müsse weiter vereinfacht werden, findet der Volkswirt Fahling. Diesem pflichtet der Grüne Landtagsabgeordnete Thomas Poreskis bei, würden doch Verordnungen zu Staubsaugern, Glühbirnen und ähnlichem von Europaskeptikern häufig als Mittel zum Zweck verwendet.

Innensicht: Wirtschaftsunion oder Werteunion?

„Ob der Dollar fällt, das ist dem Bürger egal. Die haben ganz andere Sorgen“, interveniert eine Stimme aus dem Publikum. Die entscheidende Frage sei die Frage nach gerechter Verteilung, Austeritätspolitik oder Steueroasen. „Darum interessieren sich die Bürger nicht für Europa.“ Der Nationalismus sei eine Reaktion auf ungleiche Verteilung und Austerität. „Der Neoliberalismus macht vielen Angst“ merkt die Europakoordinatorin der Stadt Reutlingen, Katja Fischer, an. „Die Euroländer entwickeln sich unterschiedlich“, ergänzt Thomas Poreski.

Wie kann Europa zu einer Chance für alle werden? Die Europäische Säule der Sozialen Rechte hatte diese Debatte angestoßen, wie die Erfolge Europas allen Europäern zu Gute kommen können. „Die Verteilungskompetenz ist keine Kompetenz der Europäischen Union.“ Daher kann die europäische Ebene nur punktuell eingreifen, machte Cornelia Tausch von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg deutlich. Bisher findet die Sozialpolitik Europas vor allem über den Europäischen Sozialfond und den Austausch von Best Practice Beispielen statt. „Ein soziales Europa ist jedoch die Basis für das Grundvertrauen in die Europäische Union“, wie der Landtagsabgeordnete Thomas Poreski deutlich macht. Dazu brauche es soziale Mindeststandards, welche in allen Mitgliedsstaaten Gültigkeit besitzen.

Außensicht: Europas Rolle in der Welt

Unsere Welt befindet sich im Wandel! Was wird die Rolle Europas in dieser neuen Welt sein? Derzeit wird die Europapolitik vor allem von Krisen und Kontroversen bestimmt. Sei dies die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung, das sich verändernde transatlantische Verhältnis, der Klimawandel und nicht zuletzt die Migrationsdebatte spalten derzeit die Union. Ein gemeinsames Handeln der Europäischen Mitgliedsländer ist nötiger als je zuvor. Darin waren sich die Teilnehmer des Bürgerdialoges einig. So vielschichtig die Fragen waren, so vielseitig waren auch die Antworten darauf. Fluchtursachen könnten durch einen Marschallplan behandelt werden, das Projekt PESCO die Verteidigungsunion stärken, Brexit gar eine Chance sein. Eine stärkere Zusammenarbeit im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik wurde von Podium und Publikum gleichermaßen begrüßt, der Schlüssel liegt aber in Europa selbst.

Europas Antwort auf Europa

Wie wird Europa in Europa selbst gesehen? Bei allen Ansätzen und Ideen, so scheint die größte Schwierigkeit für Europa, Europa selbst zu sein. Viel zu häufig würde „Brüssel-Bashing“ betrieben, das Bild von realitätsfernen „Eurokraten“ gezeichnet, wie Joachim Menze von der Europäischen Kommission kritisiert. „Europa hat ein Imageproblem. Hier müssen wir ansetzen“, weist der Vertreter der IHK Reutlingen Martin Fahling hin. Der Landtag schiebe die Schuld auf den Bund, der Bund wiederum gebe die Verantwortung an Europa ab, doch wer spricht für Europa, gibt Daniel Frey vom Landesvorstand der Europa-Union Baden-Württemberg zu Bedenken. Die europäische Ebene werde als politische Ebene nicht ernst genommen, bemängelt die Verbraucherschützerin Cornelia Tausch. „Wir nehmen unseren Einfluss auf Europa zu wenig wahr.“ Dabei sei das Europäische Parlament als direkte Bürgervertretung der europäischen Bürgerinnen und Bürger immer mehr Parlament geworden, stellt Poreski fest.

Zuversicht: Europa, wir werden reden!

„Europa ist ein Geschenk. Doch wissen wir es zu schätzen?“, stellte Thomas Reumann, Landrat für den Landkreis Reutlingen, die entscheidende Frage des Abends. Europa, sei ist ein Projekt ohne Ende, dass sich stets weiterentwickeln und kritisch hinterfragt werden müsse. „Wenn wir Europa erhalten wollen, so müssen wir jetzt anfangen“, ermutigt der Landrat.

Und jetzt, Europa? Wir müssen reden!

In welchem Europa wollen wir in Zukunft leben? Wie wird Europa vor Ort erlebbar und in der Welt sichtbar? Wir laden alle Interessierten ein, sich hier an den Diskussionen zu beteiligen. Dazu einfach unter dem Beitrag auf „auf diesen Artikel antworten“ klicken und los geht’s! Weitere Infos zu den Bürgerdialogen: www.eud-buergerdialoge.de.

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