Die Europäische Weltraumorganisation : Europa in den Sternen

, von  Elena Blum, übersetzt von Noëlle Cremer

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Die Europäische Weltraumorganisation : Europa in den Sternen

Seit einigen Jahren reiht die Europäische Weltraumorganisation (ESA) Erfolge und Entdeckungen aneinander und holt so zu den russischen und amerikanischen Riesen auf. Rückblick auf einen Sektor, in dem Europa Spitzenreiter werden könnte.

„Ground control to major Tom…” Während man offensichtlich Thomas Pesquet, französischem Astronauten der ESA, nicht das gleiche tragische Ende wünscht wie Major Tom aus dem berühmten Lied von David Bowie „Space Oddity“ lädt die Anspielung doch zum Schmunzeln ein. Seit November 2010 führt der zehnte Franzose im All verschiedene Experimente für die Europäische Weltraumorganisation durch und sendet regelmäßig erstaunliche Bilder der Erde über Social Media.

Europa ist spät dran hinter den USA und Russland

Die ESA ist die dritte Weltraumorganisation hinter der NASA und dem Roscosmos, der russischen Weltraumorganisation. Auch wenn die NASA 1955 gegründet wurde und seitdem stetig gewachsen ist, ist Russland doch schon länger dabei, da das kommunistische Regime bereits in den 1920er Jahren eine Weltraumpolitik entwickelt hat. Die anfänglich theoretischen Arbeiten haben es den Sowjets erlaubt, als erste im Jahr 1957 einen Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen, Menschen in den Weltraum zu schicken (Juri Gagarin (1961) und Valentina Terechkova (1962)) und im Jahr 1965 Außeneinsätze im Weltraum zu organisieren (außerhalb der Rakete oder der Weltraumstation). Zum Vergleich: die Europäische Weltraumorganisation wurde erst 1975 gegründet, lange nach den ersten Leistungen der Sowjets und der Landung auf dem Mond von Neil Armstrong im Jahr 1969.

Dennoch entschied 1964 ein Bündnis von zehn europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Italien, Belgien, Schweden, die Schweiz, Spanien, Dänemark) seine nationalen Budgets für die Raumfahrt zusammenzulegen, die allein jedoch nicht ausreichen, um erweiterte Forschung zu betreiben. Sie gründen die European Space Research Organisation, die so weit kommt, kleinere Satelliten zu entwickeln, die dann von der NASA in die Umlaufbahn gebracht werden. Da sich die Vorstellungen der verschiedenen Länder nicht zu einer wahrhaften Weltraumpolitik verbinden lassen, sind die Projekte bescheiden und die Forschung von wenig Erfolg gekrönt. Zur gleichen Zeit gründen Großbritannien, wo die Forschung schon weiter entwickelt ist, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande mit Australien als Partnermitglied die European Launcher Development Organisation. Dieses Projekt sieht vor, eine Trägerrakete zu entwickelt, die stark genug ist, europäische Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen. Ein erneuter Misserfolg. Die Staaten haben die Arbeit aufgeteilt: Großbritannien, Frankreich und Deutschland bauen je eine Ebene der Trägerrakete, Italien ist damit beauftragt, den Satelliten zu entwerfen, Belgien soll sich um die Funktionsstation kümmern und die Niederlande sind mit der Telemetriestation beauftragt. Aber weil sich die nationalen Konstrukteure nicht miteinander absprechen, scheitert jeder Startversuch. Die Länder kehren dem europäischen Weltraumprojekt 1971 den Rücken.

Die Ablösung der ESA : eine gemeinsame Entwicklung

Nach langen Verhandlungen einigen sich die europäischen Staaten 1973 auf gemeinsame Projekte, die alle einem einzigen Bauherrn unterstellt sind und beschließen insbesondere auf Bitten Frankreichs die Entwicklung der Rakete Ariane. Diese Rakete macht es möglich, europäische Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen. Ariane 1 startete ihre Jungfernfahrt vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus. Verschiedene, immer weiter entwickelte Versionen der Rakete erlauben es den Europäern, sich des Weltraums zu bemächtigen. Zur gleichen Zeit entwickelt die ESA Spacelab, ein in amerikanische Space Shuttles integriertes Raumlabor zur Durchführung von Experimenten, sowie MARECS, ein Satellitenprogramm, das telefonische Verbindungen zwischen Schiffen und dem Festland möglich macht.

In den 2000er Jahren entscheidet die Europäische Union, der europäischen Weltraumorganisation ein beträchtliches Budget und damit große Projekte zuzuweisen. Romano Prodi, zu dieser Zeit Präsident der Europäischen Kommission, nimmt im November 2001 zum ersten Mal an einer interministeriellen Versammlung der ESA teil. Die Europäische Union und die ESA beschließen, ein satellitenbasiertes Orts- und Positionsbestimmungssystem einzuführen. Es ist ein ehrgeiziges Projekt: mit dem GPS haben die USA ein solches weltweit operierendes System schon 1995 etabliert. Russland betreibt GLONASS und China Beidou. Am 15. Dezember 2016, nach einer Reihe von Verspätungen und Pannen, wurde das System Galileoeinsatzbereit und für alle mit einem passenden Chip nutzbar.

Ein mächtiger und vielversprechender Sektor

Der Unterschied zwischen Galileo und seinen Konkurrenten liegt in seiner Qualität. Er ist sehr viel präziser: die Informationen werden auf einem Meter Genauigkeit bereitgestellt, während es bei seinem amerikanischen Konkurrenten zehn Meter sind. Die russischen und chinesischen Systeme sind noch ungenauer, da diese im Rennen in Eile entwickelt wurden, um die Länder möglichst schnell von den USA unabhängig zu machen. Außerdem ist Galileo sehr viel zuverlässiger als seine Konkurrenten: langfristig ist immer mindestens einer der dreißig Satelliten von der Erde aus sichtbar, was dafür sorgt, dass immer ein Signal nachgewiesen werden kann und so eine größere Garantie für Genauigkeit vorliegt. Neben der europäischen Unabhängigkeit in Bezug auf Satelliten könnte Galileo den Europäern viel einbringen: Automobilhersteller und Bauer von Flugzeugen, Helikoptern, U-Booten und Schiffen sind schon jetzt an dem System interessiert. Galileo ist ebenso für alles nützlich, was den Bereich der „vernetzten Gegenstände“ umfasst: die Giganten des Silicon Valley schielen in Richtung Europa um ihre zukünftigen Technologieprodukte und Apps anzupassen. Jean-Yves le Gall, Präsident der französischen Raumfahrtagentur, schätzt, dass das europäische BIP, das auf satellitenbasierten Positionssystemen beruht (circa 10%), sich in 15 Jahren verdreifachen könnte.

Der Telekommunikationssektor hat von den Fortschritten der Raumfahrt profitiert: der Teil Europas am Weltmarkt ist von circa 10% auf circa 30% gestiegen. Die Wettersysteme der ESA sind unter den leistungsstärksten, solidesten und zuverlässigsten der Welt, weshalb sie in kurzer Zeit auch von der Konkurrenz genutzt werden. Schließlich führten die Europäische Union, die ESA und die Europäische Umweltagentur Copernicus ein, ein Programm, mit dem der Planet in Echtzeit beobachtet werden soll um ihn zu schützen. Die ESA wird Spitzenreiter in vielen Umweltbereichen, sowohl in der Forschung als auch bei den Bürgern, die von den amerikanischen, russischen und chinesischen Riesen vernachlässigt wurden. Die europäische Weltraumorganisation entwickelt außerdem ein pädagogisches Programm um den Bürgern die Notwendigkeit von Investitionen in Raumfahrtforschung verständlich zu machen. So wurden zum Beispiel Samen von Senf, Radieschen, Tomaten und Linsen an Schulen und gleichzeitig von Thomas Pesquet gepflanzt, verteilt, um das Wachstum auf der Erde und im All vergleichen konnten.

Rosetta, Philae und der Ursprung des Lebens

Die ESA hat auch durch eine Mission großen Ausmaßes von sich reden gemacht, die die gesamte Welt durch ihre erstaunt hat: die Erforschung des Kometen Tschuri (voller Name 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ). In den 1980er Jahren, als die ESA es schaffte, unglaubliche Bilder des Kerns des Halleyschen Kometen zu machen, hatte die Weltraumorganisation die Idee einer Mission, die es ermöglichen würde, Informationen über Kometen zur Erde zu bringen. Kometen sind kleine Himmelskörper aus Eis und Staub, die auf Umlaufbahnen um Sterne und Planeten kreisen und die im Kontakt mit diesen eine kleine Atmosphäre aus Gas und Staub bilden. Sie entstammen vermutlich alle der Oortschen Wolke, einer Sammlung von Himmelskörpern ein Lichtjahr von der Sonne entfernt, zwischen unserem Stern und der Proxima Centauri (dem sonnennächsten Stern). Man nimmt an, dass das Wasser und das Leben von diesen Kometen stammen könnten, die im Moment ihrer Entstehung auf die Erde zustürzten, das Eis, das sie bildete, abgaben, die Erde abkühlten und die Ozeane unseres Planeten formten. Wissenschaftler konnten den Kurs des 1969 entdeckten Kometen Tschuri seit seiner Durchreise Nahe des Jupiters 1840 nachempfinden. Das verrückte Projekt der ESA hat das Ziel, die Beschaffenheit eines Kometen zu analysieren. Dies würde es ermöglichen, den Aufbau des sie bildenden Staubs zu ergründen und die Reste von weit entfernten Sternen und Planeten zu erforschen, die der Komet mit sich trägt.

2004 wurde die Raumsonde Rosetta ins All geschickt und in einer Tschuri ähnlichen Umlaufbahn platziert. Die Sonde muss in einem Umfeld von mindestens 30km um den Kometen platziert sein, um einen Analyseroboter auf den letzter herabzulassen, was das Risiko eines Zusammenstoßes erhöht. Dennoch hat Rosetta am 12. November 2014, nachdem sie unglaubliche Aufnahmen von Tschuri gemacht hatte, ihren Lander, Philae, nach einem langsamen Fall über 7 Stunden durchs All, nur einen Kilometer vom vorgesehen Ort fallen lassen. Drei Tage lang sammelte der Lander Daten, bevor es sich durch einen Fehler der Batterie abschaltete. Aber als er sich im Juni 2015 der Sonne näherte, schaltete er sich 85 Sekunden lang wieder an und vermittelte Informationen an Rosetta, die sie an die Erde weiterleitete. Das europäische Team hat sicherlich von der finanziellen und logistischen Unterstützung der NASA profitiert, aber die Berechnungen und die Vorausplanung des Projekts, das lange von den Giganten der Weltraumforschung als nicht durchführbar angesehen wurde, stammen sehr wohl von der ESA. Die Genauigkeit ihrer Berechnungen, die die Platzierung des Satelliten 10 Jahre nach seinem Entwurf möglich machten, sowie die Landung Philaes auf dem Kometen, bezeugen ein bemerkenswertes Know-How, das heute in der ganzen Welt und vielen Fachgebieten bejubelt wird.

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