5 Jahre von der Leyen-Kommission

Die EU-Außenpolitik vor den Europawahlen – Eine Bestandsaufnahme

, von  Léa C. Glasmeyer

Die EU-Außenpolitik vor den Europawahlen – Eine Bestandsaufnahme
Josep Borrell Fontelles, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Kommission, im UN-Sicherheitsrat am 12. März 2024 Foto: European Union, 2024 / Yuki Iwamura / CC BY 4.0; Lara Jameson, Pexels via Canva Pro

Eine geopolitische Kommission sollte die neue EU-Kommission laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden. Sie hat wohl selbst nicht damit gerechnet, wie viele weltweit neu aufflammende Krisenherde ihr Gelegenheit geben sollte, dies unter Beweis zu stellen. Aber konnte die EU-Kommission dem wirklich gerecht werden? Im zweiten Teil unserer Serie zur Bilanz der EU-Kommission wirft Léa C. Glasmeyer einen Blick darauf, wie sich die Außenpolitik der EU in den letzten fünf Jahren entwickelte.

Im größten Wahljahr der Geschichte stehen 2024 auch die Europawahlen vor der Tür. Im Juni werden mehr als 400 Millionen stimmberechtigte Europäerinnen und Europäer an der größten demokratischen Übung des Kontinents teilnehmen und die 720 Abgeordnete des Europäischen Parlaments wählen. Prognosen deuten auf eine mögliche politische Verschiebung nach rechts hin, mit bedeutenden Auswirkungen auf die Gestaltung der politischen Agenda und die strategische Ausrichtung der EU. Das Parlament, bisher eine treibende Kraft für integrative, europäische Lösungen, könnte dabei seine pro-europäische Ausrichtung verlieren. Im Fokus steht insbesondere, wie diese möglichen Veränderungen die außenpolitischen und erweiterungsbezogenen Prioritäten der EU beeinflussen werden. Doch während die Prioritäten und der kommende Weg des alten Kontinents gerade neu definiert werden, lohnt sich ein Blick zurück in die jetzige, bald endende Legislaturperiode.

Zwischen Stärkung und Neuausrichtung: Die EU auf dem Weg zu globaler Führungsstärke und resilienzorientierter Außenpolitik

„This will be a ’Geopolitical Commission‘“, schrieb die damals neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Mission Letter an Josep Borrell, der zu Beginn der Legislatur 2019 zum Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik bestellt wurde – dies entspricht einer wesentlichen Neuausrichtung der außenpolitischen Führung der EU. Von ihm wurde erwartet, dass er aufgrund seiner umfangreichen Erfahrung die Rolle mit mehr Dynamik und Ausstrahlung ausfüllen, wichtige außenpolitische Bereiche leiten und für die Union Verhandlungen führen würde. Dazu gehört auch eine ambitionierte Nachbarschaftspolitik, die die robuste Außenpolitik der EU untermauern soll. Gleichzeitig wurde eine widerstandsfähige Handelspolitik, die im Einklang mit dem Prinzip des Multilateralismus und der globalen, regelbasierten internationalen Ordnung steht, ins Zentrum der Anstrengungen gerückt. Zusätzlich strebte die EU danach, ihre Sicherheits- und Verteidigungsverantwortung zu stärken, einschließlich einer engen Kooperation mit der NATO.

Die Agenda 2019-2024 für „Eine Union, die mehr erreichen will“ zielte somit von Anfang an darauf ab, die EU stärker und widerstandsfähiger zu machen, um ihre Rolle als verantwortungsvolle globale Führungsmacht zu festigen. Die Union strebte dabei die Stärkung ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) angesichts sich entwickelnder globaler Herausforderungen an, mit dem Ziel, europäische Interessen und Werte zu fördern und die Fähigkeit zu autonomem Handeln zu verbessern. Die Agenda 2019-2024 wurde maßgeblich durch von der Leyen vorangetrieben, war jedoch gleichzeitig stets davon gekennzeichnet, dass sich die Mitgliedsstaaten schwerlich über außenpolitische Maßnahmen einigen konnten und im Bereich der Außenpolitik nur zurückhaltend Souveränität abgeben wollten. Angesichts kritischer Themen wie dem Schutz des Multilateralismus, der Stärkung der transatlantischen Beziehung in einer Ära der „America First“ Politik, dem Aufstieg Chinas und Russlands und dem Wettbewerb in Technologie und KI, eine zusätzliche Herausforderung.

Gleichwohl wurden die Prioritäten und Strategien noch vor dem Ausbruch der Covid-19 Pandemie, vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und vor dem Wiederaufflammen des Konfliktes im Nahen Osten festgelegt. Die Verschärfung der geopolitischen Situation führte schnell zu erhöhten Spannungen und stellte das auf Kooperation und Multilateralismus ausgerichtete EU-Modell auf die Probe. Trotz dieser Herausforderungen konnte die EU einige bedeutende Fortschritte erzielen und ihre Stellung auf der globalen Bühne festigen.

So haben sich etwa die transatlantischen Beziehungen mit dem Beginn von Joe Bidens Amtszeit deutlich verbessert. Der EU-US-Handels- und Technologierat (TTC) hat sich in dieser Hinsicht als wegweisende Initiative herausgestellt, die tiefere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen auf der Grundlage gemeinsamer demokratischer Werte fördert. Diese Initiative, zusammen mit der verstärkten Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, veranschaulicht die vielschichtige Natur der EU-US-Beziehungen, die über die Verteidigung hinausgehen und wirtschaftliche, technologische und normative Dimensionen umfassen. Der Blick der EU richtete sich jedoch auch zunehmend in Richtung des Globalen Südens: Durch diplomatische Bemühungen und eine Belebung des Global Gateways, das mit einem Budget von 300 Milliarden Euro grünes Wachstum und den Ausbau der Infrastruktur in den Ländern des Globalen Südens unterstützt, hat Europa diesen Prozess vorangetrieben.

Ab 2021 wurden zunehmend Debatten über die Notwendigkeit einer stärkeren EU-Rolle in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik geführt und ein klares Engagement für die Stärkung der kollektiven Verteidigungsfähigkeiten und die Entwicklung einer gemeinsamen strategischen Kultur gefordert, das 2022 in der Verabschiedung eines Strategischen Kompasses resultierte. Mit diesem Dokument wurde der Fokus auf die Effizienz vorhandener Einsätze, die Widerstandsfähigkeit gegen neue Sicherheitsrisiken, den Aufbau erforderlicher ziviler und militärischer Kapazitäten sowie die Vertiefung der Kooperation mit Partnern, vor allem mit der NATO, gelegt. Schließlich unterstreicht die Bereitstellung finanzieller Mittel durch die Europäische Friedensfazilität und den Europäischen Verteidigungsfonds das Engagement der EU für eine intensivierte Integration im Verteidigungsbereich sowie für die Förderung technologischer Autonomie.

Trotzdem blieben erhebliche Herausforderungen in der EU-Außenpolitik bestehen, insbesondere durch einen Mangel an Kohärenz und proaktiver Vorgehensweise bei der Bewältigung internationaler Krisen. Der globale Einfluss der EU ist in den letzten Jahren auch zunehmend abgeschwächt. Auch sind einheitliche Antworten auf Probleme wie die Migrationskrise, den Krieg in der Ukraine und Instabilitäten in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft immer seltener geworden.

Einheit und Herausforderung: Die Rolle der EU in der Ukraine-Krise

Die Außenpolitik der Europäischen Union spiegelt die kollektiven Entscheidungen ihrer Mitgliedstaaten wider. Im Kontext des Ukraine-Krieges zeigte sich trotz der üblichen Meinungsdiversität, dass die EU geschlossen und effektiv auf Krisensituation reagieren kann. Obwohl die EU-Mitgliedsstaaten zunächst in ihrer Einschätzung der russischen Absichten und der Strategie des Dialogs mit dem Kreml divergierten, fanden sie rasch zu einer gemeinsamen Verurteilung Russlands zusammen. Von Beginn an stimmte die EU ihre politische Linie mit der der NATO ab und legte in Abstimmung mit den USA und Großbritannien zügig ein umfangreiches Sanktionspaket gegen Russland auf. Zudem entwickelte die EU einen Finanzierungsplan für die Lieferung von Waffen an die Ukraine und nahmen Millionen ukrainische Geflüchtete auf.

Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte sofortige Maßnahmen an, um strategisch wichtige Sektoren der russischen Wirtschaft zu schwächen, indem der Zugang zu Schlüsseltechnologien und dem europäischen Finanzmarkt blockiert wurde. Die daraufhin verhängten Sanktionen bewirkten eine deutliche Verringerung der Abhängigkeit der EU von russischem Gas und Öl, obgleich für einige auf russische Energie angewiesene Länder wie Ungarn, die Slowakei und Österreich Ausnahmen gemacht wurden. Zudem modifizierte die EU ihre Europäische Friedensfazilität, um die Ukraine durch die Erstattung von Waffenlieferungen an Mitgliedsstaaten und den gemeinsamen Kauf von Munition für Kiew direkt zu unterstützen. Trotz dieser Maßnahmen konnte die EU Russland nicht nachhaltig schwächen oder der Ukraine ausreichend militärische und wirtschaftliche Unterstützung zukommen lassen, um den Konfliktverlauf maßgeblich zu beeinflussen. Zudem blockierte Ungarns Premierminister Viktor Orbán monatelang ein umfangreiches Finanzhilfepaket für die Ukraine, das mit 50 Milliarden Euro bis 2027 das finanzielle Überleben des Landes sichern soll und die Ukraine bei ihrer Erholung, ihrem Wiederaufbau und ihrer Modernisierung zu helfen. Erst Anfang Februar 2024 lenkte er nach intensivem Druck der EU-Mitgliedstaaten schließlich ein.

Laut jüngsten Untersuchungen sind die finanziellen Unterstützungsleistungen der EU mittlerweile höher als die der USA, wodurch der EU eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Ukraine zukommt. Zugleich offenbart sich innerhalb der EU eine große Lücke zwischen zugesagten und tatsächlich zugeteilten Mitteln, wobei von 144 Milliarden Euro an Zusagen nur etwa 77 Milliarden Euro konkret für die Ukraine bereitgestellt wurden. Die Reduzierung der US-Hilfen zwingt Europa, seine finanzielle und militärische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken, um die entstandene Lücke zu schließen. Gleichzeitig muss die EU ihre Position als führende Kraft in der Unterstützung der Ukraine stärken, insbesondere angesichts der möglichen Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Es verbleiben jedoch weiterhin Bedenken hinsichtlich der Kapazität der EU, die politischen, militärischen und finanziellen Herausforderungen zu bewältigen. Tatsächlich ist eine Verdoppelung der europäischen Bemühungen erforderlich, um die militärische Hilfe der USA vollständig zu kompensieren. Diese Aufgabe hängt jedoch stark vom politischen Engagement der EU-Staaten ab und erscheint zum jetzigen Zeitpunkt fast unmöglich.

Krieg im Gaza-Streifen: Die EU im Dilemma

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 positionierte sich die Europäische Union zunächst an der Seite Israels. Kommissionspräsidentin von der Leyen verurteilte den Angriff scharf. Auch EU-Parlamentspräsidentin, Roberta Metsola, bezeichnete den Angriff als „Terror in seiner schlimmsten Form“ und unterstrich Israels Recht auf Selbstverteidigung. Ähnlich verurteilte EU-Ratspräsident Michel die „verblendeten Angriffe auf Israel und sein Volk“, die „unschuldigen Bürgern Terror und Gewalt“ brachten.

Mit der Ausweitung des Gegenangriffs Israels auf eine Bodenoffensive im Gazastreifen traten jedoch bald interne Meinungsverschiedenheiten hervor. So zeigte die EU eine verwirrende Mischung aus Reaktionen – von der kurzzeitigen Aussetzung der Hilfe für die Palästinenser*innen bis zu ihrer Wiederaufnahme und vagen Stellungnahmen zu Israels Selbstverteidigungsrecht im Rahmen des internationalen Rechts. Der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelyi fror ebenfalls Hilfszahlungen an die Palästinenser*innen ein. Eine Entscheidung, die ohne Abstimmung mit Kolleg*innen oder Mitgliedstaaten getroffen und später revidiert wurde. Die EU-interne Uneinigkeit manifestierte sich darüber hinaus in den divergierenden Aktionen und Aussagen ihrer Spitzenvertreter*innen: Während Josep Borrell den Angriff der Hamas verurteilte, gleichzeitig jedoch auch Israels Kappung der Versorgungsleitungen zum Gazastreifen kritisierte, zeigte von der Leyen deutliche Unterstützung für Israel, was von vielen EU-Bediensteten als unausgewogen kritisiert wurde.

Zudem konnten sich die Staats- und Regierungschefs nicht einigen, ob sie eine humanitäre Pause oder einen Waffenstillstand in Gaza fordern sollten, und entschieden sich für die erste, deutlich schwächer formulierte Option. Die EU intensivierte daraufhin ihre diplomatischen Bemühungen zur Schadensbegrenzung und zur Verhinderung einer weiteren Eskalation des Konfliktes. Im Zuge dessen führte sie Gespräche über die Aufrechterhaltung der humanitären Hilfe im Gazastreifen und die Schaffung humanitärer Korridore. Jedoch kamen auch hier Meinungsverschiedenheiten bei der Frage der finanziellen Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde zum Vorschein. Die EU beschloss daraufhin, sorgfältig darauf zu achten, dass EU-Mittel nicht direkt oder indirekt zur Finanzierung von Terrorismus verwendet werden, und setzte vorübergehend ihre Entwicklungshilfen für palästinensische Gebiete aus. Eine Maßnahme, die scharf kritisiert wurde, unter anderem von dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn sowie seinem spanischen Amtskollegen José Manuel Albares.

Zukunft gestalten: Die EU-Erweiterungspolitik als Wegbereiter für Stabilität, Sicherheit und Prosperität

Schließlich hat sich die Erweiterungspolitik der EU über die Jahre als zentrales Element ihrer Strategie zur Förderung von Stabilität, Sicherheit und Prosperität in Europa und darüber hinaus erwiesen. Die Betonung einer glaubwürdigen Beitrittsperspektive reflektiert das Engagement der EU, transformative Prozesse zu unterstützen, die nicht nur die kollektive Sicherheit stärken, sondern auch zur sozioökonomischen Prosperität beitragen. Die EU betrachtet ihre Erweiterung als ein zentrales Mittel, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Grundrechte zu stärken, und strebt danach, ihre Vision einer größeren und enger verbundenen Gemeinschaft zu verwirklichen. Insbesondere mit dem Krieg in der Ukraine und die zunehmende Bedrohung durch Russland erhielt der Erweiterungsprozess eine neue Qualität. In ihrem jährlichen Erweiterungspaket kündigte die Europäische Kommission am 8. November 2023 die Unterstützung der Ukraine und Moldaus bei der Einleitung von Beitrittsverhandlungen und erkannte Georgien als Beitrittskandidaten.

So beschleunigte der Krieg in der Ukraine den EU-Beitrittsprozess des Landes und intensivierte dessen Beziehungen zur EU, die zuvor durch Abkommen wie das Assoziierungsabkommen von 2014 und einer Freihandelszone vorangetrieben wurden. Die Entscheidung der EU, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine einzuleiten, unterstreicht die strategischen Interessen der EU, die Sicherheit zu verstärken und die Energiesicherheit zu gewährleisten, die wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen, die institutionelle Entwicklung zu fördern und die östliche Nachbarschaft zu stabilisieren. Auch symbolisiert sie fortlaufend die moralische Unterstützung der Ukraine und betont ihre Integration in die europäische Gemeinschaft.

Diese Entscheidung markierte insgesamt eine Neubelebung der Erweiterungspolitik und verstärkte das Engagement der EU, ihre Mitgliedschaft zu erweitern. Dies weckte ebenfalls neue Hoffnungen in der Westbalkan Region, wobei sich Westbalkan-Führungskräfte gleichzeitig über die rasche EU-Beitrittsentwicklung der Ukraine frustriert zeigten, da sie sich nach langjährigen Bemühungen um den Beitritt benachteiligt fühlen.

Daneben initiierte die EU neue Formen politischer Kooperation, insbesondere mit der von Präsident Macron vorgeschlagenen Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG). Die EPG soll Solidarität und Kooperation unter europäischen Ländern, sowohl EU-Mitglieder als auch Nichtmitglieder, fördern ohne jedoch den EU-Erweiterungsprozess zu ersetzen. Diese Entwicklung deutet auf eine strategische Kursänderung der EU hin, die eine engere Integration ihrer östlichen Nachbarstaaten anstrebt. Gleichzeitig schlug die EU-Kommission im Erweiterungspaket 2023 im Rahmen eines Wachstumsplans für die Westbalkan-Region einen gestaffelten Beitrittsprozess vor, der finanzielle Anreize und eine schnellere Einbindung in den Binnenmarkt für Staaten vorsieht, die bestimmte Zwischenkriterien erfüllen.

Trotzdem steht die ambitionierte Erweiterungspolitik der Europäischen Union vor nicht unerheblichen Herausforderungen. Zentral für diese Anpassungen ist die Notwendigkeit von Vertragsreformen und institutionellen Veränderungen. Die derzeitigen EU-Verträge, obwohl theoretisch in der Lage, eine Union mit 35 Mitgliedern zu unterstützen, sind kaum auf die Komplexität eingestellt, die eine solche Erweiterung mit sich bringt. Der Beitritt neuer Mitglieder würde etwa große Auswirkung auf den Haushalt der EU haben, vor allem hinsichtlich der Verteilung des EU-Budgets. Insgesamt würde der Beitritt der Ukraine, Moldaus und der westlichen Balkanländer zu jährlichen Mehrausgaben der EU in Höhe von 19 Milliarden Euro führen.

Der Beitritt ärmerer Länder wird Anpassungen der EU-Haushaltsbeiträge zwar erforderlich machen, jedoch kann sich der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) dank seiner flexiblen Mechanismen an neue Mitglieder anpassen und große Verluste für bestehende Staaten verhindern. Diese Herausforderungen erhöhen den Reformbedarf des MFR, um sicherzustellen, dass die EU-Erweiterung nicht auf Kosten europäischer Politik und gemeinsamer Werte geht. Zentral für den Erfolg der Erweiterung verdeutlicht die Notwendigkeit für strategische, juristische und ökonomische Planungen, die für eine erfolgreiche Bewältigung des Erweiterungsprozesses unerlässlich sind.

Einheit in Vielfalt? Europas außenpolitische Zerreißprobe und die Suche nach Konsens

Der Umgang der EU mit dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas hat sowohl fortbestehende institutionelle Konkurrenzen als auch deutliche Meinungsverschiedenheiten und Interessenskonflikte der Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Nahen Ostens aufgezeigt. Darüber hinaus hat die Fokussierung auf gegenwärtige Krisen die EU von ihrer Zielsetzung, langfristige Partnerschaften zu entwickeln, abgebracht: So teilte der Globale Süden nicht uneingeschränkt die Haltung der EU zum russischen Angriffskrieg und spätestens nach dem Israel-Hamas Konflikt wurde das Ansehen Europas besonders in Afrika, Indien und Brasilien aufgrund wahrgenommener Doppelstandards erheblich beeinträchtigt. Kritiker*innen wiesen darauf hin, dass die Grundsätze, die der Westen zur Unterstützung der ukrainischen Souveränität und territorialen Unversehrtheit heranzieht, nicht in gleicher Weise für die Situation im Gazastreifen gelten. So wurde der Vorwurf zunehmend lauter, bestimmte Leben würden als wichtiger erachtet als andere. Diese Wahrnehmung könnte es für die EU schwieriger machen, weltweit Unterstützung für die Ukraine zu mobilisieren.

In der Sahel-Region haben sich die Bemühungen Europas und insbesondere Frankreichs, jihadistische Kräfte zu bekämpfen, aufgrund kolonialer Altlasten als erfolglos erwiesen. Das Scheitern kurzfristiger Migrationspolitiken hat Europas Unfähigkeit, die Migrationsfrage effektiv zu beantworten, weiter unter Beweis gestellt. Im westlichen Balkan und im Kaukasus zeigten sich ähnliche Muster der Hilflosigkeit und des Scheiterns, trotz vereinzelter Bemühungen wie der Vermittlung durch Charles Michel nach dem Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan, die letztlich erfolglos blieben.

Die unterschiedlichen Reaktionen der EU auf internationale Konflikte spiegeln die Vielschichtigkeit globaler Perspektiven wider und veranschaulichen die Herausforderungen, die sich aus den divergierenden Standpunkten ihrer Mitgliedstaaten ergeben. Die Diskrepanzen in den Ansätzen zur Konfliktbewältigung und die Schwierigkeit, eine konsistente Haltung zu komplexen globalen Fragen zu entwickeln, zeichnen die interne Dynamik der EU aus. Diese strategischen Fehlschläge und Niederlagen haben die Rolle Europas auf der internationalen Bühne geschwächt und unterstreichen die Notwendigkeit einer einheitlichen und prinzipienfesten europäischen Politik, um globalen Herausforderungen wirksam zu begegnen. Auch in Zukunft wird die EU ihre Werte, wie Demokratie und Menschenrechte, mit den Bedürfnissen nach Stabilität und wirtschaftlichen Interessen vereinbaren müssen – ein Unterfangen, das durch ihre komplexe Machtstruktur zusätzlich erschwert wird. Für eine verstärkte Rolle auf der globalen Bühne muss die EU ihre institutionellen Rahmenbedingungen stärken. Die Debatte um die EU-Außenpolitik umfasst Reformvorschläge wie erweiterte qualifizierte Mehrheitsentscheidungen (QME), die Integration des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) in die Kommission und die Errichtung einer Europäischen Diplomatenakademie. Diese Maßnahmen sollen die EU außenpolitisch handlungsfähiger machen, erfordern jedoch bedachte Abwägungen zur Wahrung der EU-Einheit und Förderung der Mitgliedstaaten-Kooperation. Ein pragmatischer Ansatz für schrittweise Reformen könnte darin bestehen, Mehrheitsentscheidungen gezielter einzusetzen und die Zusammenarbeit zu intensivieren, um die EU-Außenpolitik effektiv an neue Herausforderungen anzupassen, ohne die institutionelle Ordnung zu beeinträchtigen. Das jedoch, wird vom politischen Willen der kommenden Legislatur abhängen.

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