Der Weg zu Partnerschaft oder Mitgliedschaft?

Die EU Nachbarschaftspolitik in Osteuropa

, von  Diana Radoi, Erik Romera Tiedemann

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Der Weg zu Partnerschaft oder Mitgliedschaft?
10th Anniversary of the Eastern Partnership. Photo: European Union / License

Anfang Juni 2023 trafen sich die Staatschefs von 47 europäischen Ländern in dem kleinen osteuropäischen Land Moldau. Das Treffen stellt dabei eine klare geopolitische Schwerpunktverlagerung inmitten des Krieges Russlands gegen die Ukraine dar und ist das Ergebnis der Gründung der Europäischen Politischen Gemeinschaft während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2022. Dies ist jedoch nicht das erste europäische Projekt, das sich auf den Osten des Kontinents konzentriert und aus einer tschechischen EU-Ratspräsidentschaft hervorgeht. BereitsIm Jahr 2009- auch unter tschechischer Ratspräsidentschaft- startete die Europäische Union als Teil ihrer Nachbarschaftspolitik das Programm der Östlichen Partnerschaft. Obwohl das Programm sowohl von der europäischen Öffentlichkeit als auch von Politiker*innen oft übersehen wurde, verfolgte es sehr ehrgeizige Ziele. Was genau hat es also mit der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union auf sich?

Was ist die „Östliche Partnerschaft“?

Seit der EU-Osterweiterung sind Staaten wie Polen bestrebt, die Zusammenarbeit mit den ehemals sowjetischen Ländern im Osten der Europäischen Union zu fördern. Konkret ging es darum, ein Gegengewicht zur südlich ausgerichteten Union für den Mittelmeerraum zu schaffen, die die EU mit den Mittelmeerländern in Nordafrika und im Nahen Osten verbindet. Ausgelöst durch die russische Invasion in Georgien im Jahr 2008 legten Polen und Schweden einen Plan zur Schaffung der Östlichen Partnerschaft vor, der rasch umgesetzt wurde, wobei die für die EU-Nachbarschaftspolitik bereitgestellten Mittel verdoppelt wurden. Trotz des Umfangs des Projekts blieb die Abneigung einiger westeuropäischer Länder gegenüber dem Projekt bestehen, die insbesondere den Ausschluss Russlands aus dem Programm kritisierten. Die Östliche Partnerschaft umfasst sechs ehemalige sowjetische Länder in Osteuropa und der Kaukasusregion, Belarus, Moldawien und die Ukraine sowie Georgien, Armenien und Aserbaidschan.

Die Ziele der Östlichen Partnerschaft sind zweierlei. In erster Linie soll die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den sechs Ländern gestärkt werden, indem Assoziierungsabkommen als Teil der DCFTA (Deep and comprehensive Free Trade Area) angestrebt werden. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass die Länder der Östlichen Partnerschaft im Gegensatz zu den Teilnehmerländern anderer Teile der EU-Nachbarschaftspolitik, wie der Union für den Mittelmeerraum, als potenzielle künftige Mitgliedstaaten der Europäischen Union angesehen werden.

Außerdem fördert das Programm auch die multilaterale Zusammenarbeit zwischen den teilnehmenden Ländern. Dies ist ein weiterer entscheidender Unterschied der Östlichen Partnerschaft im Vergleich zu anderen Projekten und Programmen der EU-Nachbarschaftspolitik, wie z. B. der ähnlich benannten Südlichen Partnerschaft, die nur dazu dient, dass die EU einseitig die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens stärkt. Mit der Östlichen Partnerschaft hingegen setzt die EU ihre außenpolitischen Instrumente in der festen Überzeugung ein, dass es im Interesse Europas liegt, starke, unabhängige und demokratische Nationen in Osteuropa zu haben. Dies wird besonders deutlich angesichts der Drohungen und Kriege, die von Russland gegen sie geführt werden.

Assoziierung und die drei Säulen der Östlichen Partnerschaft

Konkret bestehen die Instrumente der Östlichen Partnerschaft aus mehreren Elementen, die sich grob in drei Säulen unterteilen lassen:

  1. Erstens geht es bei der Östlichen Partnerschaft vor allem um die konkrete finanzielle Unterstützung von Projekten. Ausgehend von anfänglich eher begrenzten Mitteln hat sich das Budget des Programms stetig erhöht und wird über die Europäische Investitionsbank (EIB) oder spezielle Treuhandfonds zugewiesen. Im Mittelpunkt der finanziellen Unterstützung stehen ausgewählte Projekte, die auf institutionelles Wachstum und die Stärkung der Zivilgesellschaft abzielen.
  2. Zu den anderen, direkteren Maßnahmen zur Förderung der Zivilgesellschaft gehört die Teilnahme der Länder der Östlichen Partnerschaft am EU-Praktikumsprogramm.
  3. Die dritte Säule betrifft die Nutzung des politischen Willens und der Verhandlungsmacht, um die Länder der Östlichen Partnerschaft und die EU auf dem Weg zu einer möglichen EU-Erweiterung eng miteinander zu verbinden. Dies bezieht sich insbesondere auf die bereits erwähnten Assoziierungsabkommen, die Ausweitung des Freihandels zwischen den Unterzeichnern und die Abschaffung wichtiger wirtschaftlicher und sozialer Hürden.

Welche Auswirkungen diese DCFTA-Assoziierungsabkommen haben können, zeigt sich am deutlichsten am Beispiel der Ukraine. Nachdem die Ukraine in letzter Minute aus dem bereits abgeschlossenen Assoziierungsabkommen ausgestiegen war, brach 2014 die Maidan-Revolution aus, die Viktor Janukowitsch stürzte. In der Folge annektierte Russland illegal die Halbinsel Krim und begann seinen immer noch andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine. Erstaunlicherweise - und bezeichnend für die damalige Haltung der EU zu Osteuropa und Russland - nahm an dem Gipfeltreffen zum fünfjährigen Bestehen der Östlichen Partnerschaft, das eigens zur Bewertung der Lage in der Ukraine einberufen worden war, kein einziger Staatsoberhaupt der Mitgliedsstaaten teil.

Dieses Desinteresse und die halbherzige Unterstützung einer bedeutenden Nachbarschaftspolitik mit Osteuropa stand allerdings in starkem Kontrast zu dem steigenden Budget der Östlichen Partnerschaft. Trotz der Missachtung durch die Entscheidungsträger*innen hat die EU erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Östliche Partnerschaft sowohl in den Teilnehmerländern als auch in der EU bekannt zu machen. Der Start von Kampagnen unter dem Label „EU Neighbours east“ zielte zum Beispiel insbesondere auf die Jugend ab. In dieser Kampagne wurde zum Beispiel das Programm „Young European Ambassador“ angeboten, um Fürsprecher*innen für die Östliche Partnerschaft zu gewinnen. Ob diese effektive, aber nicht lautstarke Unterstützung der Östlichen Partnerschaft eine langfristige Entwicklung sein wird, bleibt abzuwarten.

Zwei unterschiedliche Pfade

Betrachtet man die Einzelfälle der Mitglieder der Östlichen Partnerschaft, so wird deutlich, dass es zwei Gruppen von Ländern gibt. Armenien, Aserbaidschan und Weißrussland bilden die eine. Diese Länder, insbesondere Belarus und Aserbaidschan, haben gezeigt, dass sie weder wirtschaftliche noch strategische Unterstützung durch die Europäische Union wünschen. Belarus hat seine Teilnahme an der Östlichen Partnerschaft der EU im Jahr 2021 als Vergeltung für die von der EU verhängten Sanktionen nach der Notlandung einer Ryanair-Maschine auf dem Weg von Griechenland nach Litauen ausgesetzt.

Auch Aserbaidschan hat seit 2015 gezeigt, dass es nicht an dem Programm interessiert ist. Prof. Dr. Eckart Stratenschulte von der Freien Universität Berlin sieht mehrere Gründe für das Desinteresse von Weißrussland und Aserbaidschan an der EU-Nachbarschaftspolitik. Erstens sind beide Länder Diktaturen, und eine gute Beziehung zur EU würde eine Änderung des Regierungssystems voraussetzen, die von der EU verlangt wird. Unter Lukaschenkos Regime wäre das nicht möglich. Wie Prof. Stratenschulte erklärt, braucht Aserbaidschan vor allem deshalb kein Assoziierungsabkommen mit der EU, weil es von der EU eher als Kunde im Rohstoffgeschäft profitiert.

Armenien hingegen ist ein Land, das von der Östlichen Partnerschaft freier profitieren könnte. Die instabilen politischen Institutionen und der starke russische Einfluss auf die armenische Innenpolitik führten jedoch zur Annullierung des Entwurfs eines Assoziierungsabkommens im Jahr 2014 und haben keinen neuen Weg für eine engere Beziehung zur EU aufgezeigt. Im Moment ist der russische Einfluss auf Armenien zu stark, als dass das Land die Prozesse für einen EU-Beitritt in Gang setzen könnte. Die Östliche Partnerschaft hingegen ermöglicht es ihnen, auch ohne Assoziierung in einer lockeren bilateralen Beziehung mit der EU zu bleiben

Die zweite Gruppe von Ländern besteht aus der Ukraine, Moldawien und Georgien. Letztes Jahr hat das Europäische Parlament der Ukraine und der Republik Moldau den Kandidatenstatus zuerkannt, und im Fall von Georgien, die Möglichkeit, später den Kandidatenstatus zu erhalten. Natürlich unterstreicht dieser Kandidatenstatus die engen Beziehungen dieser Länder zur EU, aber er sollte auch ein besonderes Symbol für die Aggressionen Russlands gegen die Ukraine darstellen, nachdem Russland seinen Krieg ausgeweitet hatte. Daher kann es nicht der Östlichen Partnerschaft zugeschrieben werden, dass die EU ihnen diese Möglichkeit bietet, vor allem, weil die Östliche Partnerschaft nie als ausdrückliche Politik gedacht war, um diese Länder in die Europäische Union zu führen. Vielmehr sollte sie umgekehrt funktionieren - immer mit dem Ziel, sie aus der Europäischen Union herauszuhalten und gleichzeitig gute Beziehungen zu fördern, wie Prof. Dr. Eckart Stratenschulte es ausdrückt.

Gibt es eine Zukunft für die Östliche Partnerschaft?

Während der russische Einmarsch in der Ukraine unbestreitbar ein noch nie dagewesenes Interesse der EU an Osteuropa geweckt hat, bleiben die Zukunft und der Nutzen des Programms der Östlichen Partnerschaft unklar. Das aggressive Vorgehen Russlands hat in Europa zu der Einsicht geführt, dass die EU-Außenpolitik in Europa eine Grundlage schaffen muss, auf der sich die bilateralen Beziehungen zu engeren Beziehungen und sogar zu einer EU-Mitgliedschaft entwickeln können. Bei diesen Entscheidungen über Kandidaturen, Verhandlungen usw. handelt es sich jedoch um eine Politik mit hohem Einsatz, die auf höheren, direkteren Ebenen behandelt wird, was auch die Schaffung neuer Foren wie der Europäischen Politischen Gemeinschaft erklärt.

Wichtig ist, dass diese Entwicklungen nicht notwendigerweise die Arbeit, die Errungenschaften und sogar die Existenz der Östlichen Partnerschaft bedrohen, wenn man die Einschätzung von Prof. Dr. Stratenschulte berücksichtigt, dass die Östliche Partnerschaft nie als Instrument zur Erleichterung des Beitritts zur EU gedacht war. Stattdessen bleibt die Östliche Partnerschaft ein wichtiger Bestandteil der EU-Politik. Auch wenn sie nicht so viel Aufmerksamkeit erregt wie ein Treffen aller europäischen Staats- und Regierungschefs, so legt sie doch den Grundstein dafür, dass eine potenzielle Mitgliedschaft überhaupt möglich wird, sei es durch konkrete Abkommen, wie die Assoziierung durch DCFTA, oder durch eine indirektere Unterstützung der Zivilgesellschaft. Hier zeichnet sich die EU-Nachbarschaftspolitik aus, indem sie Partnerschaft schmiedet, die den Weg für eine Mitgliedschaft ebnet.

Dieser Artikel ist Teil des Projekts „Newsroom Europa", das junge Europäer aus drei EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Schweden und Spanien) in kritischer und aufgeschlossener Medienberichterstattung und zur Funktionsweise der europäischen Entscheidungsfindung schult. Das Projekt wird gemeinsam von der Europäischen Akademie Berlin e.V. durchgeführt Nationalmuseen für Weltkultur Schweden und der Friedrich-Naumann-Stiftung Spanien und wird auch von der Europäischen Union kofinanziert.



Förderer des Projekts „Newsroom Europe“


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