Das gemeinsame Moment: Islamophobie?

, von  Julius Leichsenring

Das gemeinsame Moment: Islamophobie?
Ein islamophobisches Netzwerk in Europa scheint es nicht zu geben. Foto: Islam © Firas / Flickr / CC BY-NC-SA 2.0

Sie sind laut, sie sind viele und vor allem sind sie dagegen – die Anhänger der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (kurz: PEGIDA) und ihres Ablegers „Direkte Demokratie für Europa“. Gemeinsam ist ihnen nicht nur die Angst vor einer angeblichen Islamisierung der westlichen Welt, sondern auch das Wort „Europa“ im Namen. Doch was hat die Bewegung mit dem Kontinent und schlussendlich mit der EU zu tun?

Wöchentlich schallen die Rufe „Wir sind das Volk“ und „Lügenpresse“ durch die Straßenzüge unter anderem von Dresden, Leipzig und Düsseldorf. Zunächst kaum zu überhören, werden sie nun langsam etwas leiser. Tot ist die PEGIDA-Bewegung deswegen noch lange nicht. Rom, Barcelona oder andere europäische Großstädte konnte sie aber selbst zu ihrer Hochzeit nicht erreichen. Die Massenkundgebungen sind und bleiben ein deutsches Phänomen.

Das mag auch an den Forderungen der PEGIDA-Initiatoren rund um Lutz Bachmann liegen. Sie lassen einen klaren europäischen Bezug vermissen. Gleiches gilt für den Namen der Bewegung: Zwar wird der Begriff „Abendland“, zu deren Rettung die Demonstranten angeblich angetreten sind, häufig synonym für Europa verwendet, doch die Grenzen des Gebiets, welches mit dem Wort umrissen wird, sind seit jeher fließend. „Das Abendland ist ein Mythos, der vor allem im 17. und 18. Jahrhundert Hochkonjunktur hatte: Er steht für eine Wertegemeinschaft, die griechisch-römische Philosophie mit christlichem Denken verbindet und den Eindruck erweckt, als habe sich die Antike im Christentum vollendet“, sagt der Historiker Wolfgang Benz der Katholischen Nachrichten-Agentur. „Abendland“ bezeichnet also nicht ein geografisch genau einzugrenzendes Gebiet, sondern umfasst die christlichen und demokratischen Werte und deren Abgrenzung zu anderen Weltanschauungen – egal ob Islam, Atheismus oder Bolschewismus. „Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: Golgatha, die Akropolis in Athen, das Kapitol in Rom“, stellte dementsprechend bereits Theodor Heuss Anfang der 1950er Jahre fest. „Der Golgatha steht für den Frieden, die Akropolis für Demokratie und das Kapitol für die Herrschaft des Rechts.“

Letztendlich treibt die Demonstranten in Deutschland die Sorge um ein sehr diffuses Europa um – wenn überhaupt. Zumindest die Protestplakate sprechen dagegen, dass sie sich überhaupt um den Kontinent scheren: auf ihnen wird „Heimatschutz“ und die Abwendung eines “Glaubens- und Stellvertreterkrieges auf deutschem Boden“ gefordert, das Wort „Deutschland“ ist omnipräsent, ebenso wie die deutsche Nationalflagge.

„Patriotische Deutsche“ einfach zu rechts

Zu konstatieren bleibt: Weder der Protest, noch die Forderungen der PEGIDA-Anhänger gehen über eine nationalstaatliche Perspektive hinaus. Es sind zuvorderst Deutsche, die auf die Straße gehen, keine Europäer. Schlussendlich bleibt die Vermutung: der Name „Patriotische Deutsche gegen die Islamisierung der BRD“ klingt einfach zu rechts und hätte die PEGIDA-Bewegung von vornherein ins Abseits gestellt.

Europäisch ist der Protest letztendlich nur, weil er in vielen der 28 EU-Mitgliedsstaaten Unterstützung findet – vielleicht nicht in Form von Massenkundgebungen, aber im Netz und in der Politik. „Ganz Europa schaut auf euch“, ließ der niederländische Politiker Geert Wilders, Vorsitzender der rechtspopulistischen „Partei für die Freiheit“, den Demonstranten vor der Dresdner Frauenkirche mitteilen. Nicht nur von ihm kam Zuspruch, sondern auch von Aktivisten aus Schweden, Österreich und Belgien. Als Art Hommage nannte sich die dortige rechtspopulistische Bewegung „Vlativa“ in „Pegida Vlaandern“ um.

Ein islamophobisches Netzwerk in Europa scheint es dennoch nicht zu geben. Zu groß ist der Unterschied zwischen jenen, die den Islam ablehnen und denen, die anti-religiös argumentieren. Auch die Frage nach der Organisationsstruktur ist ein Spaltpilz: Soll ein Wandel von unten kommen, was der Name „Direkte Demokratie für Europa“ impliziert, oder die Forderungen von innen mit Hilfe von Parteien umgesetzt werden. Kein Wunder also, dass die Vorsitzende der rechtspopulistischen Front National Marine La Pen eher wenig mit der chaotisch wirkenden PEGIDA-Führungsmannschaft und deren unklaren Zieldefinition anfangen kann. Wirkliche Unterstützung hat sie für die PEGIDA-Bewegung öffentlich nie bekundet.

Umso mehr ist jetzt die Zeit gekommen, um zu zeigen, dass Islamphobie keineswegs zum einenden Moment Europas werden kann. Die gemeinsamen Märsche und Kundgebungen von Muslimen, Christen, Juden und Menschen anderer Religionen und Kulturen nach den Anschlägen in Paris waren in dieser Hinsicht ein starkes Zeichen. Ihre Forderungen nach Frieden, Toleranz, Rede- und Pressefreiheit mussten sie nicht hinter einem kruden, kaum greifbaren Namen alla PEGIDA verschleiern. Drei Worte reichten aus: „Je suis Charlie“. Schon allein das zeigt die Stärke dieser Werte.

Ihr Kommentar
  • Am 16. Februar 2015 um 12:55, von  Manuel Müller Als Antwort Das gemeinsame Moment: Islamophobie?

    Nur als kleiner Ergänzung zum semantischen Hintergrund des Begriffs „Abendland“: In den fünfziger Jahren gab es in Deutschland die Abendländische Bewegung, eine katholisch-konservative, antikommunistische, antiliberale, aber europäisch orientierte Gruppierung, in der einige prominente Vertreter des rechten Flügels der CDU/CSU Mitglied waren (u.a. Hans-Joachim von Merkatz oder Otto von Habsburg) und die enge Kontakte zum Franco-Regime in Spanien pflegte. Direkte persönliche Kontinuitäten zu Pegida wird man da zwar eher nicht finden. Aber das dahinterstehende Abendland-Konzept ist Pegida vermutlich näher als der von Benz zitierte Golgatha-Akropolis-Kapitol-Mythos um Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

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