Das deutsche Heizungsgesetz – mehr heiße Luft als wirkliche Initialzündung

, von  Magdalena Söllner

Das deutsche Heizungsgesetz – mehr heiße Luft als wirkliche Initialzündung
Bild: Pixabay

Der Bundestag hat am 08.09.2023 die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) beschlossen. Selten gab es so viel Streit um ein einfaches Gesetz. Die zweijährige Auseinandersetzung brachte die Ampel mehrfach an den Rande des Zerbrechens und kostete sie immens Vertrauen.

Ursprünglich sollte das Heizungsgesetz die Wärmewende herbeiführen. In seiner nun verabschiedeten Fassung leitet es diese jedoch höchstens ein. Die Folgen sind gravierend fürs Klima sowie für die Verbraucher*innen, die explodierende Heizkosten zu erwarten haben, wenn sie weiter auf Gasheizungen setzen. Es bleibt damit Raum für ein europäisches Zukunftskonzept, das eine entschiedene Wärmewende über Ländergrenzen hinweg.

Das Heizungsgesetz verfolgt drei Ziele

Erstens sollen im Interesse des Klimaschutzes fossile Ressourcen geschont und stattdessen regenerative Energien genutzt werden. Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, sind insbesondere Einsparungen im Gebäudebereich erforderlich, der ca. ein Drittel aller CO₂-Emissionen in Deutschland ausmacht. Fast die Hälfte der deutschen Haushalte heizt aktuell mit fossilem Erdgas, ein weiteres Viertel mit Heizöl.



Beheizungsstruktur des Wohnungsbestandes¹ in Deutschland nach Energieform im Jahr 2022 Quelle: Statista


Zweitens soll die Abhängigkeit von Energieimporten gemindert und mehr Energiesouveränität erreicht werden. Fossile Energiepreise unterliegen unabsehbaren Schwankungen und machen daher politische Ausgleichsmaßnahmen nötig, um eine stabile und allen offen stehende Energieversorgung sicherzustellen.

Drittens soll das GEG Anreize zur Investition und Modernisierung schaffen und so der Branche Planungssicherheit ermöglichen. Es sei „der Startschuss, um auch im Massenmarkt in Erneuerbare Wärme zu investieren“, wie es in einer Pressemitteilung des BMWK heißt.

Kritik am deutschen Heizungsgesetz gab es von Anfang an von zwei Fronten

Wohnungsgenossenschaften bemängeln, dass der Einbau neuer Heizungssysteme aufgrund der baulichen Besonderheiten wie zu kleiner Keller für Wärmepumpen oft eine Herausforderung darstellt und einen vorübergehenden Auszug erfordert, wodurch die Investitionskosten in die Höhe schießen.

Von anderer Seite wird die Kritik laut, das Heizungsgesetz sei zu unambitioniert, so Volkswirtin Veronika Grimm.

In der Tat kann das deutsche Heizungsgesetz allein die Wärmewende in Deutschland nicht herbeiführen. Denn besonders weitreichend sind die GEG-Maßnahmen nicht: Ausschließlich neu eingebaute Heizungen in Neubaugebieten müssen ab 1. Januar 2024 mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden können.

Mögliche Optionen sind Wärmepumpen, ein Anschluss ans Nahwärmenetz, Solarthermie, Pellet-Heizungen oder Hybridlösungen. Theoretisch sind zwar auch Wasserstoff-Heizungen möglich; der Wasserstoff ist aber erst dann nachhaltig, sobald wir einen erheblichen Überschuss an Strom aus erneuerbaren Energien haben. Hiervon sind wir aktuell noch weit entfernt.

Für bestehende Gebäude und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten gelten großzügige Übergangsfristen bis 2026 bzw. 2028 abhängig von einer rechtlich verbindlichen kommunalen Wärmeplanung.

Holzheizungen sind damit weiterhin in Altbau und Neubau erlaubt. Sogar neue Ölheizungen bleiben erlaubt, bis eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Erst ab 2045 dürfen keine Heizungen mehr mit Erdgas oder Heizöl betrieben werden.

Immerhin: umfangreiche Förderung

Gleichzeitig beschloss die Bundesregierung eine umfangreiche Förderung für den Umstieg auf klimafreundliche Wärme von bis zu 70 Prozent der Investitionskosten. Ein frühzeitiger Umstieg auf eine Wärmepumpe lohnt sich damit finanziell in vielen Fällen.

Die Grundförderung umfasst 30 Prozent der Investitionskosten. Hinzu kommt ein Klima-Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent für diejenigen, die vor 2028 umsteigen. Ab 2028 sinkt diese Fördermöglichkeit alle zwei Jahre um drei Prozentpunkte. Einen zusätzlichen einkommensabhängigen Bonus von 30 Prozent gibt es für Menschen mit geringerem Einkommen. Darüber hinaus wird es ein neues Programm für zinsvergünstigte Kredite mit langen Laufzeiten geben.

Raum für Lösungen auf europäischer Ebene

Wie in vielen Bereichen ist die EU gerade dort gefragt, wo die nationalen Gesetzgeber Zukunftsreformen nur zaghaft einleiten. Dies könnte durch die von der EU aktuell zu überarbeitende Ökodesign-Verordnung für Raumheizgeräte und Kombiheizgeräte gelingen. Bislang liegt allerdings lediglich ein Entwurf vor. Würde dieser so verabschiedet, könnte dieser das deutsche GEG aushebeln.

Nach dem deutschen GEG dürfen alte Öl- und Gasheizungen noch längerfristig repariert und in Teilen ersetzt werden. Dagegen müsste nach dem EU-Entwurf ein kaputter Boiler einem neuen Heizsystem wie einer Wärmepumpe weichen.

Zudem dürften laut dem EU-Entwurf ab 2029 neue Heizungen mit einem Wirkungsgrad unter 115 Prozent nicht mehr auf den Markt gebracht werden. Nach dem aktuellen technischen Stand erfüllen allein Wärmepumpen diese Vorgabe. Damit führte der EU-Entwurf zu einem wesentlichen früheren Aus für Gasheizungen, als es das deutsche GEG vorsieht. Fraglich ist jedoch, inwieweit dieser Entwurf im weiteren Gesetzgebungsprozess bestehen kann. Das Europäische Parlament und der Ministerrat haben ein Wort mitzureden und die Ergebnisse des Trilogs sind noch abzuwarten.




Wie man aus dem epischen Streit um das deutsche Heizungsgesetz lernen kann, ist für eine erfolgreiche Wärmewende vor allem die Kommunikation an die Bevölkerung entscheidend. In Deutschland generierten die BILD-Zeitung, die FDP und die Union ein Schreckensbild der „Verschrottungsorgie“ und unterminierten so einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Wäre in der Kommunikation die Förderung vorangestellt worden, hätte man die Wärmewende mit Zuckerbrot statt mit Peitsche einläuten können.




Darüber hinaus machten die Kommunen starke Lobbyarbeit bei der Bundesregierung (vgl. Presseanfrage von Frag-den-Staat). Die Kommunen betreiben mit ihren Stadtwerken eigene Gasnetze und kaufen und verkaufen gewinnbringend Erdgas. In dieser Gasnetz-Infrastruktur stecken nicht nur Milliarden, sondern sie stellt auch eine erhebliche kommunale Einnahmequelle dar. Auf europäischer Ebene bleibt es also wichtig, die Kommunen einzubeziehen, aber gleichzeitig einen schnellen und konsequenten Umstieg auf regenerative Energien zu kommunizieren, der mit gezielten Zuschüssen an sozial Bedürftige gekoppelt wird.

Ergänzend könnte man über eine Anhebung des CO₂-Preises als wirkungsvolle und simple Maßnahme zur Senkung der Gebäude-Emissionen nachdenken. Setzt man den CO₂-Preis nach oben, entsteht automatisch ein Einspardruck für Verbraucher*innen. Nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) gilt in Deutschland ein Stufenmodell, nach dem die CO₂-Kosten, abhängig vom Energiestandard des Mietshauses, aufgeteilt werden. Bei Wohnungen mit einer besonders schlechten Energiebilanz übernehmen Vermieter*innen 95 Prozent und Mieter*innen 5 Prozent der CO₂-Steuer. Damit ist sichergestellt, dass erstere die Heizkosten nicht einfach an letztere weitergeben.

Möchte man die Wärmewende effektiv voranbringen, ist im Ergebnis wohl die EU gefragt, entschiedene und schnelle Energiepolitik im Sinne der Klimaziele zu machen. Kommunikation, gezielte Förderungen und eine Anhebung des CO₂-Preises können der Schlüssel hierzu sein.

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