Von der Haushaltspolitik der EU

Die große Abwesende

, von  Übersetzt von Katarina Bartsch, Aric Wizenberg

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Von der Haushaltspolitik der EU

In einem früheren Artikel wurde angesprochen, daß man sich mit der Währungspolitik der Europäischen Union bzw. der Europäischen Zentralbank beschäftigen sollte. Es ist in der Wirtschaft allgemein anerkannt, daß eine vollständige Wirtschaftspolitik oder “policy mix” sich sowohl aus einem Währungs- als auch aus einem Haushaltsflügel besteht. Im folgenden wird dieser zweite Bereich behandelt werden.

Wie zuvor gesagt wurde, könnte die Währungspolitik zwar verbessert werden, bleibt jedoch im internationalen Vergleich korrekt. Wenn es also einen Defizit in der europäischen Wirtschaftspolitik gibt, wie ich denke, muß dieser sich im Zentrum des zweiten Flügels befinden.

Zuerst ist es wichtig zu verstehen, daß weder für die EU noch für die Eurozone ein “policy mix” existiert.

Im ersten Fall verfügt die EU über eine Haushalts-, aber nicht über eine Währungspolitik, da diese nur auf die Eurozone angewandt wird. Im zweiten Fall hat die Eurozone eine Währungs-, aber keine spezifische Haushaltspolitik. Somit kann man eine grundsätzliche Dichotomie erkennen, die nur zu Problemen führen kann.

Der EU-Haushalt

Wenn man den EU-Haushalt aus einem föderalistischen Blickwinkel betrachtet, ist er lächerlich mager: er beträgt für das Jahr 2006 112 G€ (Milliarden Euro), sowohl auf der Einnahmen- als auch der Ausgabenseite, da in den Verträgen festgelegt ist, daß der EU-Haushalt im Gleichgewicht (oder im Überschuß) sein muß.

Andere föderale Budgets sind nur schwer vergleichbar: die Ausgaben betragen für Kanada 181 G€, 262 G€ für Deutschland, 2010 G€ für die USA... In Prozent des BIP sind die Unterschiede noch stärker: 1,05% des BIP für die EU, 19,9% für die USA und 11,4% für Deutschland! Die Ausgaben des französischen Haushalts betragen übrigens 300 G€.

Dieser Haushalt wird vom Rat erarbeitet, der über ein Vorprojekt der Kommission verfügt. Anschließend muß er im gleichen Text vom Rat und dem Parlament (daß Änderungen vorschlagen kann) angenommen werden. Generell zieht der Rat den Haushalt (im Wert) nach unten und das Parlament nach oben.

Einnahmen...

Die Einnahmen unterteilen sich in drei Hauptkategorien (zu denen noch die von einem Jahr ins nächste übertragenen Reserven kommen, wenn der Haushalt im Überschuß war, sowie weniger wichtige Posten...):

=> Die “BSP”-Einnahmen,das sind die Beiträge der Mitgliedstaaten, die auf Basis von 0,5% des Bruttosozialprodukts (BSP) jedes Mitgliedstaats berechnet werden, das heißt vereinfacht, das BIP auf einige internationale Transfers genau.

=> Die “Mehrwertsteuer”-Einnahmen, kommen ebenfalls von den Mitgliedstaaten. Dieser Beitrag wird hauptsächlich auf Grundlage der von jedem Staat erhobenen Mehrwertsteuer errechnet.

Zu diesen Abgaben, die direkt von den nationalen Steuern abhängen, kommen noch die Zölle auf einige von außerhalb der Zollunion stammende Einfuhren (zum Beispiel auf Agrarprodukte...).

...und Ausgaben

Betreffend der Ausgaben läßt sich zuerst sagen, daß die Verwaltung mit etwas weniger als 7 G€ funktioniert, also weniger als 6% des EU-Haushalts. Schöne Effizienz, wenn man das mit den 45% des Haushalts vergleicht, die in Frankreich gebraucht werden!

“Ich habe mich geschämt, als ich einen nach dem anderen die neuen Mitgliedstaaten - einer ärmer als der andere - sagen hörte, daß sie im Interesse einer Einigung bereit wären, auf einen Teil ihrer finanziellen Forderungen zu verzichten.”

Zitat Jean-Claude Junker (Premierminister Luxemburg) auf dem Europäischen Rat in Brüssel, Juni 2005.

Diese Kosten enthalten Gehälter, Pensionen der Beamten, Dienstreisen (zum Beispiel zwischen Brüssel und Straßburg)...

Es gibt außerhalb dieser laufenden Ausgaben noch fünf andere wichtige Posten: Landwirtschaft (51 G€) [1] und Strukturfonds (36 G€). [2] Die internen Politiken (9 G€) sind gewissermaßen... alles andere! [3]

Die Außenpolitik (5 G€) decken die Verwaltung der Beziehungen zu Drittstaaten, [4] was auch humanitäre Hilfe einschließt (0,7% G€).

Die Hilfen zur Beitrittsvorbereitung (3 G€) sind Beiträge zur Entwicklung der Beitrittskandidaten und der zukünftigen Mitgliedstaaten (Kroatien hat mit Hilfe dieser Fonds ein qualitativ hochwertiges Autobahnnetz wiederaufbauen können...). [5]

Die Instrumente der Haushaltspolitik

Die Verwaltung des Haushalts stützt sich auf mehrere Instrumente. Das wichtigste ist ein Zwang: der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP). Es handelt sich um einen Beschluß, nach dem die Mitgliedstaaten ihr nationales Haushaltsdefizit auf 3% begrenzen müssen, um zu verhindern, daß einige im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion von der Möglichkeit zu profitieren, im Defizit zu sein und die Folgen davon die gesamte Union tragen zu lassen...

Seine kürzliche Reform hat dieses Limit etwas sinnvoller gemacht, indem die Analyse der Ursachen des Defizits eingeführt wurde. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man sich aufgrund zu hoher Verwaltungskosten im Defizit befindet oder aufgrund von langfristigen Investitionen in Forschung, Infrastruktur, usw. Übrigens berechnet Großbritannien den Defizit oft ohne die Investitionsausgaben, um seine Politiken festzusetzen.

Man muß auch die Rolle des Ecofin-Rats, formelles Treffen der 25 Finanzminister, in der Haushaltspolitik berücksichtigen. Er ist der «Wirtschaftsarm» des Rats, spielt also eine primäre Rolle in der Festsetzung des Haushalts und die Definition der Wirtschaftsleitlinien.

Man muß noch eine andere Gruppierung unterscheiden, diesmal informell, die Eurogruppe. Es handelt sich um ein Treffen der gleichen Minister, aber nur der 12 Staaten der Eurozone. Im Gesetzgebungsprozeß hat seine Meinung keinen Wert. Aber selbst wenn seine Meinung nicht bindend ist, bleibt sein Einfluß entscheidend.

Kritiken

An der Haushaltspolitik kann viel kritisiert werden, vor allem wenn man eine föderalistische Sichtweise einnimmt. Zuerst einmal, wie schon gesagt wurde, ist die Größe des Haushalts schlicht lächerlich. Dieser Haushalt ist nicht mit dem zu vergleichen, was man in existierenden föderalen Systemen finden kann.

Es ist schockierend, festzustellen, daß das Niveau des Haushalts noch weit von der 1999 und 2000 vom Rat festgelegten Höchstgrenze entfernt ist (1,24% des BSP statt der aktuellen 1,05%) und immer noch unter dem von Margaret Thatcher in ihrer Zeit als Premierminister geforderten Limit liegt!

Kritik kann auch an der Ausgabenverteilung in diesem Haushalt geübt werden, zum Beispiel die Agrarausgaben (45% des Haushalts), obwohl mehrere Posten stärker entwickelt sein müßten: Infrastruktur, Europaweite Forschungs- und Entwicklungszentren, Investitionen in Bildung, Finanzierung von Projekten wie der europäische Freiwilligendienst...

Was die Einnahmen der Europäischen Union betrifft, wären ebenfalls Änderungen möglich. Man denkt sofort an den «britischen Rabatt», den jeder kennt, aber was soll man sagen, wenn man sieht, daß Irland (dessen BIP pro Kopf inzwischen höher ist als das Frankreichs) oder Luxemburg von einer «verminderten Mehrwert-steuergrundlage» profitieren, die Slovakei oder Ungarn aber nicht... (Dieser Ausdruck des Jargons bedeutet schlicht und einfach, daß der Mehrwertsteueranteil reduziert wird, der an die EU abgegeben werden muß...).

Zwei große Funktionsprobleme

Dies erhellt übrigens zwei große Funktionsprobleme. Zuerst gibt es einen reellen Mangel an Transparenz. Tatsächlich wissen nur wenige Europäer etwas über den europäischen Haushalt!

Zudem wäre es sehr viel demokratischer, wenn die Ausarbeitung des Haushalts dem Parlament übergeben würde und anschließend der Rat zustimmen müsse (im Gegenteil zu der existierenden Praxis). Betreffend der Einnahmen wäre es besser für die Europäer, wenn sie aus etwas Sichtbarem kämen, das gut verständlich ist.

Daher die Idee einer europäischen Steuer, die das aktuelle System ersetzen würde, in dem alles in den Fluren der europäischen und nationalen Institutionen getan wird. Diese Steuer würde natürlich das aktuelle Transfersystem zwischen Staaten und europäischen Institutionen ersetzen.

Schließlich wäre es notwendig, Umverteilungsinstrumente zwischen den Ländern einzuführen, oder besser noch zwischen Regionen, um die unterschiedlichen Situationen innerhalb der EU auszugleichen und das Abhängen einiger Regionen zu verhindern. Außerdem sollte es der EU unter bestimmten Bedingungen möglich sein, einen defizitären Haushalt zu haben. Zur Zeit ist dies schlicht und einfach unmöglich.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Haushaltspolitik ein Bereich ist, in dem viel gemacht werden könnte, mit wichtigen Folgen für die gesamte EU.

Aber das Problem ist immer das gleiche: es gibt einen Mangel an Willen und politischen Mut (wenn es nicht nationalistischer Egoismus ist), sowohl auf Seiten der europäischen Politiker als auch der nationalen (vor allem einiger...).

- Abbildung:

Das Eröffnungsbild dieses Artikels (i. e.: «many coins») stammt aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia.

- Quellen:

Wer mehr über die Frage wissen möchte, sollte die Artikel von Pierre Jacquet auf seiner Internetseite, Rubrik Europa, lesen:.

Und für die Details des Haushalt und die Projektion für 2007, der Bereich »Kommission« versammelt die wichtigsten Haushaltspolitiken.

Anmerkungen

[1Avec, entre autres, 35 G€ sous formes d’aides directes, 9 G€ sous formes d’interventions directes sur les marchés agricoles et 12 G€ consacré aux politiques de développement rural.

[2Avec, entre autres, les fonds de développement régional, à hauteur 22 G€ ainsi que les fonds de cohésion pour 6 G€.

[3En particulier, la recherche (près de 4 G€), l’énergie et les transports (1.4 G€), l’éducation et la culture (1 G€)...

[4En particulier avec le voisinage direct (Russie comprise) de l’UE (1,2 G€) d’un côté, et les relations avec le reste de l’Asie (1G€) de l’autre.

[5N.B. : Les chiffres totaux par secteurs et les postes particuliers ne suivent pas le même découpage, d’où les différences entre les totaux et les sommes de politiques particulières.

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