Nach Schema G

Die Griechenlandhilfe in der Presseschau.

, von  Vincent Venus

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Nach Schema G
Titelbild: Focus Cover vom 22. Februar 2010, © Focus. Dieses Cover stammt aus der Frühphase der Griechenlandkritik und führte zu heftigen Gegenreaktionen in Griechenland.

Der fleißige Deutsche muss für den faulen Griechen den Kopf hinhalten. Das ist der Tenor in den deutschen Medien. Treffpunkt Europa hat sich auf den Internetseiten der großen Zeitungen umgeschaut. Das Ergebnis: Nationalistische Stimmungsmache, Irreführung der Leserschaft und EU-Feindlichkeit sind der Standard.

Bild.de: Avantgarde der nationalistischen Hetzpresse

Die Bild bestätigt alle Kritikpunkte an ihr: Reißerische Überschriften, nationalistische Standpunkte und eine Irreführung der Leserschaft in fast jedem Artikel. Es fängt schon mit dem Titel der Themenseite an: "Die Schulden-Krise der Pleite-Griechen„. Darunter befinden sich dann Artikel wie“Milliarden-Kredite für die Nachbarn in Europa. . . . Und die Zeche zahlt der deutsche Steuerzahler!„, in dem der Eindruck erweckt wird, Deutschland müsse Geld aus dem Haushalt direkt an den griechischen Staat überweisen. Verstärkt wird diese implizite Aussage mit einem Infokasten unter dem Artikel, überschrieben mit“Was man mit 110 Mrd. Euro tun könnte„. Einer der Vorschläge:“Einmalig 2000 Euro an alle 14,7 Mio. kindergeldberechtigte Kinder in Deutschland zahlen.„Ein anderer Artikel fragt:“Warum zahlen wir den Griechen ihre Luxus-Renten?" und wirft dann mit Prozenten nur so um sich, ohne aber absolute Zahlen zu nennen. Letztere würden offenbaren, dass die Menschen in Griechenland weniger Rente als in Deutschland bekommen, weil sie während ihres Arbeitslebens auch weniger verdient haben. Hinzu kommt noch, dass Deutschland doppelt so viel für Renten ausgibt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt [1].

Aber für die Griechen ist auf einmal Geld da. Das kann doch nicht sein! (Befragte bei Bild.de)

Übertroffen wird das noch von Die große BILD-Umfrage, in der ganze elf Personen befragt werden, die alle gegen die Griechenlandhilfe wettern. Überschrieben ist die „Umfrage“ mit „Milliarden für Griechenland. Und was ist mit uns?“, und bebildert mit einer hilflos dreinblickenden Mutter mit Kind. Darunter das Ergebnis einer Leserumfrage: Von 429.647 Befragten sind 86 Prozent gegen eine Unterstützung [2]. Welch Überraschung!

Andere Boulevardblätter nicht viel besser

Auch andere Boulevardzeitungen machen Stimmung gegen Griechenland, wenn auch nicht in solch extremer Form. Der Express berichtet "Griechenland nur noch Ramsch!„, bleibt dann aber fair. In anderen Artikeln allerdings, werden die Hellenen regelmäßig als“Pleite-Griechen" verunglimpft.

Pfründe, Schmiergeld und Renten-Luxus. (B.Z.)

Die B.Z. erzählt ebenfalls die Mähr des Renten-Luxus und spielt sich in einer Analyse als Oberlehrer auf: "Liebe Griechen, hier sind Eure Hausaufgaben!". Dabei kritisiert das Blatt eine geschätzte Steuerhinterziehung von 30 Milliarden Euro. Dass auch in Deutschland eine ähnliche Summe jedes Jahr am Fiskus vorbeibetrogen wird erwähnt die Zeitung nicht.

Die Magazine machen mit

Dass der Boulevard wenig neutrale Berichterstattung betreibt, verwundert nicht. Im Fall Griechenland allerdings, vergessen auch die Magazine ihre Sorgfaltspflicht und diskreditieren die Hellenen ein ums andere Mal. Spiegel-Online beschuldigt die griechische Bevölkerung die "Realitäten der Krise„zu verdrängen und nimmt als Hauptbeweis für diese Aussage ausgerechnet Geogios Trangas. Der ist seines Zeichens ein polemischer Moderator, der gegen die ausländische Einmischung wettert. Laut dexiextrem, griechischer Forumsteilnehmer, aber, ist er die“Lachnummer der Nation„. Er kritisiert, dass Der SPIEGEL sich erdreistet,“ihn als seriös darzustellen".

Griechen sind Egoisten. (Focus)

Den Gipfel der Unverschämtheit liefert Focus. Im Reiseführer Griechenland stellt das Magazin fest: „Griechen sind Egoisten“ und würden nur zusammenhalten, wenn sie einen gemeinsamen Feind hätten. Dass sich die Griechen „untereinander spinnefeind“ sind, hätte man ja bereits am Bürgerkrieg 1944 bis 49 gesehen, welcher mehr Todesopfer gefordert habe als der Zweite Weltkrieg.

Beeinflussung der Lesermeinung

Das Schlimme an dieser niederträchtigen Berichterstattung ist, dass sich die Meinung der Journalisten in extremer Form auf die Leserschaft überträgt. Ein Blick auf die Kommentare und Forumsseiten der Artikel zeigt, wie aufgestachelt und irrational die Leser argumentieren. Im Folgenden einige Beispiele, die zu denken geben:

DEUTSCHES GELD DEN DEUTSCHEN ! ! ! nodemocracy auf bild.de

Unter dem Strich werden wir Deutschen fast alles zahlen, insofern min. 440 Milliarden. rusticus bei tagesspiegel.de

Mein Verstand sagt mir: wir müssen im Interesse der Eurozone den Griechen helfen. Mein Bauch sagt mir: Jagd die Griechen zum Teufel! Leuchtturm auf spiegel.de

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass eine Presseschau immer der subjektiven Wahrnehmung unterliegt. Das heißt, dass es auch Berichte, Analysen und Kommentare gibt, die fair mit Griechenland umgehen und hier nicht berücksichtigt wurden. Ein Beispiel: Letzte Chance für einen harten Euro

Anmerkungen

[13,359 zu 1,614 Prozent in 2005. Quelle: Eurostat

[2Abfrage am 13. Mai 2010 um 16:00 Uhr

Ihr Kommentar
  • Am 15. Mai 2010 um 10:23, von  ondamaris Als Antwort Nach Schema G

    die berichterstattung deutsche rmassenmedien über die derzeitige eu-finanzsituation ist tatsächlich oft von ressentiments und gelegentlich hetze getragen.

    ich schäme mich dafür. einst zählte die europäische integration zu den hehren unumstößlichen zielen und kerngedanken deutscher poilitik.

    dass -wie der author schreibt- „eu-feindlichkeit standard“ sei in deutschland, scheint mir allerdings doch eine -gelinde gesagt- übertreibung.

    wichtig scheint mir, wieder die grosse chance zu betonen -und erlebbar zu machen-, die in europäischer integration (auch: statt nationalstaatlicher kooperation) liegt.

  • Am 15. Mai 2010 um 13:30, von  Vincent Venus Als Antwort Nach Schema G

    Hallo ondamaris. Danke für deinen Kommentar.

    Ich gestehe, dass EU-„Feindlichkeit“ eine Übertreibung ist. Allerdings gehen einige Zeitungsartikel auf jeden Fall über EU-Skepsis hinaus. Der Unterton ist oftmals dazu gedacht, den Leser gegen die EU zu stimmen. In diesem Sinne, kann man dann vielleicht doch von einer feindlichen Haltung sprechen.

  • Am 15. Mai 2010 um 15:58, von  Niklas Als Antwort Nach Schema G

    das die medienberichterstattung zu wünschen übrig lässt, kann man schön an vincents artikel sehen. allerdings ist die europäische integration weiterhin das ziel deutscher politik. ich finde es zuweilen lächerlich wie man angela merkel nun als Mrs. Germania darstellt. Auch muss man sich maldie griechische presse anschauen, die umgekehrt trotzig reagiert und nun hitler ressentiments bedient.

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