Gastbeitrag: Häufig gestellte Fragen zur Finanzkrise Griechenlands

, von  Dr. Joachim Würmeling

Gastbeitrag: Häufig gestellte Fragen zur Finanzkrise Griechenlands

Die Finanzkrise in Griechenland überschattet gegenwärtig die Ereignisse in Brüssel und weit über die Europäische Union hinaus. In einem Gastbeitrag erläutert Dr. Joachim Würmeling, Präsidiumssprecher der Europa-Union Deutschland für europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik, häufig gestellte Fragen.

1. Warum braucht Griechenland Geld? Die griechischen Staatsschulden betragen derzeit 300 Mrd. Euro. Das sind 115% des BIP. Zum Vergleich: Der Durchschnitt in der Eurozone liegt bei 78%. Das Maximum darf nach den Maastricht-Kriterien 60% betragen. Die jährliche Staatsverschuldung liegt bei 13,6%, also ebenfalls weit über der Maastricht-Schwelle von 3%. Staaten verschulden sich dadurch, dass sie am Kapitalmarkt Darlehen für eine bestimmte Laufzeit gegen einen festgelegten Zins aufnehmen („Staatsanleihen“). Wenn diese zurückgezahlt werden müssen, dafür aber kein Geld vorhanden ist, werden neue Staatsanleihen gegeben. Das wird dann zum Problem, wenn die Märkte kein Vertrauen mehr in die Fähigkeit von Staaten haben, die Darlehen später auch zurück zu zahlen, und keine Anteile mehr kaufen.

Griechenland muss bis zum Jahr 2012 etwa 130 Mrd. Euro zurückzahlen. Am 19.05. werden bereits 9 Mrd. Euro fällig. Da Griechenland nicht über diese Mittel verfügt, muss es neues Geld leihen. Angesichts der schwindenden Bonität und der Rückstufung der Ratings sind private Kapitalgeber nicht mehr bereit, Darlehen zu geben. Deshalb ist Griechenland darauf angewiesen, Geld von anderer Seite zu erhalten, wenn es einen Staatsbankrott vermeiden will. Gegenwärtig führt die Unsicherheit zu einer gefährlichen Spirale von immer höheren Zinsforderungen an Griechenland, die die Fähigkeit zur Geldaufnahme weiter einengen.

2. Warum setzt sich die Europa-Union Deutschland für die Unterstützung Griechenlands ein? Würde Europa einen Staatsbankrott Griechenlands zulassen, hätte das unabsehbare Folgen für Deutschland, für Europa und für die internationalen Kapitalmärkte:

  • Zahlreiche deutsche Anleger haben griechische Staatsanleihen in Höhe von 34 Mrd. Euro gekauft. Bei einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands würden Schäden entstehen, die weit über den deutschen Beitrag zu dem Griechenlandkredit hinausgehen. Neben Privatleuten wären nach den gegenwärtigen Informationen vor allem Banken betroffen, die nach der Finanzkrise ohnehin schon vom Staat gestützt werden (z.B. HRE, WestLB, Commerzbank). Weitere teure Rettungsaktionen zu Lasten des deutschen Steuerzahlers wären notwendig, um die Einlagen auch der deutschen Sparer zu schützen.
  • Wenn Europa einen Staatsbankrott zulässt, ist das Vertrauen dahin, dass andere Staaten zahlungsfähig bleiben. Hohe Schulden haben aber auch Spanien, Portugal und Italien aufgehäuft. Würden sich auch diese Staaten mangels Vertrauen in die Politik nicht mehr am Kapitalmarkt refinanzieren können, würde auch dort ein Bankrott drohen. Durch diesen Dominoeffekt könnte es zu schwersten Erschütterungen der gesamtwirtschaftlichen Lage in Europa kommen, die sich eigentlich gerade wieder erholt.
  • Für die weltweiten Finanzmärkte wäre ein Bankrott Griechenlands ein weiterer Schlag. Auf die globale Finanzmarktstabilität hätte dies ähnliche Auswirkungen wie der Konkurs der Lehman-Bank, der der Auslöser der Finanzkrise 2008 gewesen ist.

3. Woher soll das Geld für Griechenland kommen? Die bisherigen Vereinbarungen sehen vor, dass Athen in den Jahren bis 2012 Kredite von bis zu 110 Milliarden Euro erhalten soll. Auf die Euro-Staaten sollen davon 80 Milliarden Euro entfallen, auf den Internationalen Währungsfonds 30 Milliarden. Der deutsche Anteil wird in den drei Jahren bei mehr als 22 Milliarden Euro liegen. Damit könnten die Verbindlichkeiten für die nächsten Jahre gedeckt werden.

Voraussetzung ist allerdings, dass Griechenland einen strikten Sanierungsplan umsetzt, um das Vertrauen in die künftige Zahlungsfähigkeit wiederzuerlangen. Dann dürften die Kapitalgeber am Markt auch wieder bereit sein, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Damit wäre das Problem zunächst gelöst.

4. Wer stellt das Geld aus Deutschland zur Verfügung? Die Mittel kommen nicht aus dem Bundeshaushalt. Vielmehr soll die Kreditanstalt für Wiederaufbau (kfw) einen entsprechenden Kredit geben. Griechenland muss das Geld wieder zurück bezahlen, einschließlich 5% Zinsen.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, für die die Bundesrepublik Deutschland haftet, kann sich die Mittel ohne größere Schwierigkeiten am Kapitalmarkt besorgen und sie dürfte dafür nur 3 % Zinsen zahlen, so dass am Ende sogar ein Gewinn stehen könnte. Allerdings gilt das nur, wenn die Zahlungsfähigkeit Griechenlands gesichert wird und das Geld tatsächlich zurückgezahlt wird. Wäre das nicht der Fall, bliebe Deutschland auf den Schulden sitzen.

5. Verbieten nicht die EU-Verträge eine Hilfe für Griechenland? Nein. Artikel 125 des einschlägigen EU-Vertrags stellt lediglich klar, dass weder die EU noch die anderen Mitgliedstaaten automatisch für die Schulden eines in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedstaates haften. Dies schließt keineswegs aus, dass einzelne Mitgliedstaaten einem anderen Mitgliedstaat in einer Notlage Mittel zur Verfügung stellen. Dies geschieht auch nicht auf der Grundlage der EU-Verträge, sondern auf einer bilateralen Vereinbarung zwischen dem Geldgeber und den betroffenen Staaten.

6. Sollten die Banken an den Kosten für die Rettung beteiligt werden? Das könnte nur dadurch geschehen, dass die Schuldner Griechenlands in Form einer Umschuldung auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Das würde zwar den Finanzierungsbedarf verringern, wäre aber für eine mittel- und langfristige Lösung hinderlich, weil dann bis auf Weiteres niemand mehr Griechenland Geld leihen würde. Damit würde Griechenland noch mehr am Tropf des IWF und der EU hängen.

Aus deutscher Sicht wäre mit einer solchen Lösung auch wenig gewonnen, weil gerade diejenigen Banken dadurch Verluste hätten, die ohnehin vom deutschen Staat gestützt werden. Am Ende dieses Kreislaufs müsste wieder dem deutschen Steuerzahler in die Tasche gegriffen werden. Weiterer Abschreibungsbedarf deutscher Banken würde zudem die Kreditklemme verstärken, weil weniger Geld da wäre, um Investitionen zu finanzieren.

7. Ist die griechische Schuldenkrise ein Argument gegen den Euro? Viele derjenigen, die schon immer gegen den Euro waren, versuchen die griechische Krise als Bestätigung ihrer Skepsis zu interpretieren. Nur wäre die griechische Verschuldung auch ohne die gemeinsame Währung zu einem europäischen Problem geworden. Womöglich wären die Ausmaße noch größer, wenn es nicht die europäische Kontrolle übermäßiger Defizite gäbe.

Richtig ist aber auch, dass genau diese Mechanismen im griechischen Fall nicht richtig funktioniert haben. Das ist aber kein Argument gegen den Euro, sondern muss zur Verbesserung der Kontrollmechanismen führen. Die Europa-Union Deutschland fordert deshalb:

  • Mehr Transparenz der Finanzpolitik der Mitgliedsstaaten
  • Koordination und Aufsicht auf EU-Ebene
  • Früh wirksame Anreize und Sanktionen

Ohne den Euro hätte Griechenland theoretisch die Möglichkeit gehabt, durch Abwertung und Gelddrucken die Schuldenlast zu lindern. Solche Verfahren führen aber zu erheblichen Verwerfungen im europäischen Binnenmarkt. Gerade um dieses zu vermeiden, wurde ja die gemeinsame Währung eingeführt.

Der Euro ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte. Seit seiner Einführung hat er gegenüber dem Dollar erheblich an Wert gewonnen, gilt als harte Währung und setzt sich zunehmend im globalen Finanzaustausch durch. Die Inflation wurde auf konstantem und niedrigem Niveau gehalten.

In der Finanzkrise der letzen zwei Jahre hat der Euro Europa vor noch härteren Erschütterungen bewahrt. Hätte es die gemeinsame Währung nicht gegeben, wäre es unweigerlich zu einer Berg- und Talfahrt der Wechselkurse gekommen. Dies hätte zu erheblichen Nachteilen insbesondere für die deutsche Exportwirtschaft geführt.

9. Sollte Griechenland den Euro verlassen? Das würde die Probleme in Griechenland nur verschlimmern. Denn die Anleihen in Euro müssen ohnehin in Euro zurückgezahlt werden. Wenn dann aber eine griechische Drachme massiv abgewertet wird, werden die Schulden für Griechenland umso teurer.

Letztlich ist die griechische Krise weniger ein Problem der gemeinsamen Währung als ein Problem der wirtschaftlichen Stabilität im europäischen Binnenmarkt. Dies zeigt auch die Entwicklung des Euro-Kurses gegenüber dem Dollar, der sich durch die griechische Finanzkrise kaum verändert hat. Es ist also keineswegs so, dass Griechenland den Euro herunterzieht. Das wäre auch verwunderlich, weil Griechenland nur etwa 2,6 % der europäischen Wirtschaftsleistung erbringt.

Der Beitrag findet sich im Original auf den Seiten der Europa-Union Deutschlanc: http://www.europa-union.de/

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