Die German Pünktlichkeit

Und warum das Zuspätkommen in Frankreich einfach dazu gehört.

, von  Thomas Wittmann

Die German Pünktlichkeit
Schon zwei Minuten zu spät! Als Deutscher darf man das nicht im Ausland. Bestimmte Rechte vorbehalten von lovesonic

Egal ob nur eine Minute, fünf oder gar dreißig – andere auf sich warten zu lassen ist nicht gerade die feine englische Art. Oder besser gesagt: Die feine deutsche Art. Dies sehen zwar andere Länder mit anderen Sitten anders, aber: Wenn man sich als Deutscher im Ausland eines nicht erlauben darf, dann ist dies ganz gewiss unpünktlich zu sein.

Natürlich möchte ich gar nicht leugnen, dass es unter Deutschen schon fast eine Beleidigung darstellt, zwei Minuten nach der vereinbarten Zeit zu erscheinen. Schließlich gilt doch die eiserne Regel: Fünf Minuten vor der Zeit ist des Deutschen Pünktlichkeit! Im Umkehrschluss bedeutet dies dann: Kommt jemand fünf Minuten zu spät, hat seine Verabredung bereits zehn Minuten gewartet. Und nach dieser halben Ewigkeit darf man schon einmal leicht genervt sein, als Deutscher zumindest. Unsereins, der gern auch mal die fünf Minuten ein bisschen länger werden lässt, hat dann mit der Zeit alle Arten an Ausreden parat. À la „Die U-Bahn-Tür öffnete sich nicht.“, über „Meine Uhr ist stehen geblieben.“, bis zu „Ich musste bei einer Notgeburt die Nabelschnur halten.“ Manchen Leuten scheint das einfach angeboren zu sein. À propos, zu meiner Geburt war ich zu früh – wenigstens etwas!

So nicht aber in Frankreich! Denn je südlicher man sich im Land befindet, desto länger sind die Verspätungen. Allerdings gilt das nicht, wenn Franzosen sich mit Deutschen treffen! Weil wir schon weltweit für unsere German Pünktlichkeit bekannt sind, bekommt ein Deutscher absolut kein Verständnis, wenn er auch nur eine Minute zu spät ist. Deshalb bekam ich nicht nur einmal zu hören, dass ich für einen Deutschen mit meinen fünf Minuten ganz schön spät dran wäre.

Sie selbst, also die Franzosen, genehmigen sich dann aber im Gegensatz dazu gerne auch mal eine halbe Stunde, die sie zu spät kommen. Vielmehr ist die halbe Stunde sogar fest eingeplant. Denn wird man von Franzosen zu ihnen nach Hause eingeladen, egal zu welchem Anlass, sollte man nicht vor einer halben Stunde nach der verabredeten Zeit erscheinen. Andernfalls kann es passieren, dass der Gastgeber gerade mit einem Handtuch bekleidet aus der Dusche hüpft oder gerade selbst erst ganz gestresst nach Hause kommt.

Ganz besonders unpünktlich sind die öffentlichen Verkehrsmittel und vor allem die Busse. 20 bis 30 Minuten Verspätung sind nicht die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel. Ja eigentlich bräuchte man gar keinen Fahrplan, da sowieso jeder Bus kommt, wann der Fahrer es gerade möchte. So ist es keine Seltenheit, dass man schwer bepackt mit Einkäufen eben mal wieder etwas länger wartet, weil weit und breit kein Bus in Sicht ist.

Doch dies hat in der französischen Gesellschaft schon längst sein ganz eigenes Ritual erhalten. Kaum nähert man sich einer Bushaltestelle, sieht man den interessierten Blicken schon an, dass gleich die erste Frage herausgeschossen kommt: Nehmen Sie auch die Linie eins? Nein, er ist noch nicht gekommen, wahrscheinlich streiken sie wieder. Ja, das passiert öfter in letzter Zeit. Waren Sie auch gerade auf dem Wochenmarkt? Ich dachte es mir doch, dass ich Sie am Käsestand gesehen habe. Nein, den in Vulkanasche gereiften Ziegenweichkäse habe ich noch nicht probiert. Aber die frische Feigenernte ist dieses Jahr wieder hervorragend. Was ich heute kochen werde? .... bla, bla, blubb, und so weiter und so fort.

Schließlich, nachdem man eine geschlagene Stunde gequasselt, sich über alles Überlebensnotwenige ausgetauscht, und noch ein paar andere Passanten in seine angeregte Unterhaltung miteinbezogen hat, wird dann gemeinsam beschlossen, doch nicht den Bus der Linie eins zu nehmen. Schließlich hat man es ja nur 15 Minuten zu Fuß nach Hause. Und das Ende vom Lied ist: Der Bus ist zwar nicht gekommen, aber man hat die neuesten Kochrezepte erfahren, weiß nun, dass gerade wieder Feigenernte ist und hat obendrein, und das ist eigentlich das Wichtigste, nette Bekanntschaften gemacht. Danach musste ich als Deutscher dann doch zugeben, dass es gar nicht so unangenehm sein kann, wenn einmal wieder der Bus seine regelmäßige Pflichtverspätung hat. Zugegeben, in Deutschland würde diese Taktik wohl eher weniger funktionieren, leider.

Wie ein Brite in Deutschland mit der Pünktlichkeit umgeht, seht ihr hier:

Ihr Kommentar
  • Am 9. Februar 2012 um 19:46, von  Uwe Als Antwort Die German Pünktlichkeit

    Haha, sehr schönes Video - und ja es ist wahr. Wir Deutschen sind pünktlich und deswegen auch ein wenig unflexibel.

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